Neues Amt, neue Perspektive: Etliche niedersächsische Politiker sind bei der Bundestagswahl neu in den Bundestag gewählt worden. Sie betreten eine neue, für die meisten von ihnen absolut ungewohnte Welt. Wie sind die ersten Erfahrungen im „Raumschiff Bundestag“? Niklas Kleinwächter hat mehrere der neuen Abgeordneten gefragt. Heute: Heidi Reichinnek (Linke). Podcast anhören: SoundCloud | Spotify | Apple Podcast

Heidi Reichinnek im Podcast-Gespräch mit Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter | Foto: Lada

Dass Heidi Reichinnek irgendwann einmal in einem Parlament landen würde, stand eigentlich schon seit Jahren fest. Denn sie gehört neben Lars Leopold zum Team der beiden Linken-Landesvorsitzenden, und das Duo wirkt trotz der schweren See, in der sich die Linkspartei bundesweit befindet, durchaus gefestigt. Viele hätten sich die 33-jährige Reichinnek, bisher Mitarbeiterin der Jugendpflege in Osnabrück, auch als Spitzenfrau der Linken für die Landtagswahl vorstellen können. Doch sie entschied sich für eine Bundestagskandidatur.

Wie die ersten Wochen waren: „Überwältigend, absolut beeindruckend“, sagt sie. Im Vordergrund hätten zunächst ganz viele organisatorische Fragen gestanden – sie musste ein Büro aufbauen, Wahlkreisbüros in Osnabrück und Hannover definieren, Räume finden und Mitarbeiter engagieren, dann noch eine Wohnung in Berlin suchen („was auch nicht ganz so einfach ist“, wie sie sagt).

Heidi Reichinnek bei ihrer ersten Rede im Bundestag. | Screenshot: Youtube

Inzwischen aber sei sie schon angekommen in der Bundeshauptstadt. An die besondere Anspannung in der Nacht nach der Bundestagswahl erinnert sie sich noch: „Ich habe bis 6.30 Uhr nicht geschlafen, dann nur eine Stunde – und danach saß ich schon im Zug nach Berlin. „Völlig übermüdet und voller Adrenalin“ sei sie in der Hauptstadt eingetroffen. Der Grund lag im komplizierten Wahlergebnis. Stundenlang stand nicht fest, ob die Linke nur zwei oder doch drei Abgeordnete aus Niedersachsen entsenden darf.

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Am Ende waren es doch drei, neben Amira Mohamed Ali aus Oldenburg (der alten und neuen Fraktionschefin) und Victor Perli aus Wolfenbüttel kann auf Reichinnek auf Platz drei das Mandat annehmen. In den ersten Tagen ging es ums Kennenlernen der Bundestagsfraktion, um die technischen Abläufe und Vorgaben und um die Einordnung in das System eines 700 Mitglieder zählenden Parlamentes.

Reichinnek konnte einige ihrer Wünsche erfüllen – sie sitzt im Familienausschuss, ist frauenpolitische Sprecherin und Mitglied im Fraktionsvorstand. Ob es Querverbindungen zu anderen Fraktionen gibt? „Das wird sich zeigen, wenn die Ausschussarbeit startet.“ Bisher habe sie vor allem das Plenum erlebt mit den hunderten anderen MdBs, einer wahren Masse an Parlamentariern. Da seien überfraktionelle Kontakte noch nicht möglich gewesen.

Erfahrung aus dem Kommunalparlament

Dabei ist Reichinnek schon vorbelastet. Sie hat bisher im Osnabrücker Stadtrat gewirkt in einer „Zwei-Frau-Fraktion“ an der Seite von Giesela Brandes-Steggewentz, wie sie berichtet. Und die Erfahrung dort in einer Situation mit unklaren Mehrheiten bedeutete, dass es Kontakte quer durch die Fraktionen gab – zu SPD und Grünen genauso wie zu CDU und FDP. „Das war eine tolle Zeit, und seither ist bei mir sowieso klar, dass ich keine Berührungsängste zu anderen Parteien habe“, sagt die 33-Jährige.

Im Bundestag sei es jetzt Aufgabe der Linken, die „soziale Opposition“ zu repräsentieren. Was sie schon wundere, sei, dass über die neue Sitzordnung im Parlament viel intensiver berichtet worden sei als darüber, dass die von den Linken beantragte Erhöhung des Hartz-IV-Mindestsatzes abgelehnt wurde. Der Mindestlohn mit 12 Euro reiche nicht, 13 Euro seien nötig für eine „armutsfeste“ Ausgestaltung. Das Konzept der Ampel-Koalition für die Kinder-Grundsicherung sei nicht erkennbar.

Wenn die Grünen das Auto verbieten und bestimmte Energieformen vorgeben wollten, aber nicht auf Sozialverträglichkeit achteten, sei das der falsche Weg. Man müsse „an die Konzerne heran“, wenn man wirklich eine neue Politik wolle. Zum Beispiel in der Landwirtschaft, dort seien Preiserhöhungen für Fleisch, wie die Grünen sie wollten, nicht angemessen. „Besser wäre es, die Schweineproduktionsstätten nicht mehr zu subventionieren und lieber die Kleinbauern zu unterstützen“, betont sie. Und was die Landtagswahl angeht? „Alles über 5 Prozent“ sei für die Linke drin mit den Themen bessere Pflege, bessere Krankenversorgung, Mietendeckel und Grundsteuerreform.