13. Sept. 2023 · Finanzen

Heftiger Streit über Wohnungsgesellschaft überlagert die Haushaltsdebatte im Landtag

Andere Zeiten, andere Sitten: In früheren Jahren war es üblich, zum Auftakt wie zum Abschluss einer Haushaltsberatung im Landtag die „Generaldebatte“ zu führen. Alle Fraktionen haben dann umfassend die Regierungsarbeit bewertet, dazu traten meistens die Fraktionsvorsitzenden selbst ans Pult. Im Landtag war es diesmal anders. Während die Fraktionschefs Sebastian Lechner (CDU) und Stefan Marzischewski (AfD) tatsächlich Grundsatzreden hielten, ließ die rot-grüne Koalition ihre Angriffe ohne Reaktion verpuffen.

Finanzminister Gerald Heere wirbt im Landtag für seinen Haushaltsentwurf. | Screenshot: Plenar-TV

SPD und Grüne schickten ihre Haushaltssprecher Philipp Raulfs und Andreas Hoffmann in die Redeschlacht, die sich in ihren Manuskripten stark auf die Details des aktuellen Etatentwurfs konzentrierten. Die Fraktionschefs der Regierungsseite hörten derweil interessiert zu, schwiegen aber. So entstand der Eindruck, dass die Vortragenden aneinander vorbeiredeten und kaum auf die Anwürfe der Gegenseite eingingen. Eine Ausnahme gab es allerdings, auch wenn sie in den Debatten am Mittwoch nur ab und zu durchschimmerte. Koalition und Opposition bewerten den Plan einer „Landeswohnungsgesellschaft“ höchst unterschiedlich.

Der Haushaltsplanentwurf von SPD und Grünen für das kommende Jahr sieht Ausgaben von 42,3 Milliarden Euro vor. Corona-Notlagenkredite aus den Vorjahren in Höhe von 2,65 Milliarden Euro werden vorzeitig abgelöst, weshalb die vorgesehenen Ausgaben für Tilgung um 110 Millionen Euro sinken können. Die wichtigsten Mehrausgaben liegen in der Anhebung der Gehälter von Grund- und Hauptschullehrern auf A13 ab August 2024, was im kommenden Jahr Mehrausgaben von 69 Millionen Euro bewirkt, danach jährlich bis zu 176 Millionen Euro. Über Verpflichtungsermächtigungen sollen in den kommenden zehn Jahren 3 Milliarden Euro in die Krankenhaus-Investitionen fließen. Zu den größeren Ausgabeposten gehören zudem 100 Millionen Euro als „Startkapital“ für die Landeswohnungsgesellschaft, für die es allerdings bisher noch kein Konzept gibt. Bis Jahresende, so hat es Wirtschaftsminister Olaf Lies wiederholt versprochen, soll aber ein solches festgelegt sein.

„Endlich gibt es mal Geld für mehr Wohnungen in unserem Bundesland und nicht nur Effekthascherei“, sagt Philipp Raulfs. | Screenshot: Plenar-TV

Wie Philipp Raulfs (SPD) und Andreas Hoffmann (Grüne) betonten, können mit den 100 Millionen Euro „endlich mehr Wohnungen in Niedersachsen geschaffen werden“. In den aktuell angespannten Zeiten sei das Land gefordert, aktiv zu werden im Interesse vieler Menschen, die lange vergeblich nach einer günstigen Unterkunft gesucht haben, erklärte Raulfs. Hoffmann ergänzte, die Landeswohnungsgesellschaft sei ein „Kernanliegen“ von Rot-Grün, das angesichts von Inflation, auslaufender Mietpreisbindungen und wachsender Nachfrage nach Wohnungen immer dringender werde. „Wir handeln, während in der Vorgängerregierung nichts in dieser Sache bewegt wurde.“

"Für uns ist die Landeswohnungsgesellschaft ein Mittel, um für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen“, sagt Andreas Hoffmann. | Screenshot: Plenar-TV

Darauf entgegnete der CDU-Haushaltspolitiker Ulf Thiele, dass das von Rot-Grün vermutlich gewählte Mittel höchst kontraproduktiv werden könnte: „Wenn die Landeswohnungsgesellschaft als Käufer am Markt auftritt, treibt sie damit die Preise der Wohnungen noch weiter in die Höhe.“ Die kommunalen, genossenschaftlichen und privaten Wohnungsgesellschaften könnten möglicherweise ihre „Schrottimmobilien“ an die Landesgesellschaft abgeben, das Land müsse diese dann sanieren und in den Markt zurückgeben. „Glückwunsch, wenn das ein Erfolg sein soll“, sagte Thiele und betonte, dass ein anderer Weg besser wäre: „Man müsste die bestehenden kommunalen Wohnungsunternehmen ertüchtigen, neue Wohnungen zu bauen.“ Ein weiteres Problem sei der Plan, der neuen Landesgesellschaft die eigenständige Aufnahme von Krediten – an der Schuldenbremse vorbei – zu erlauben. „Damit wird die Verfassungsvorschrift umgangen.“

Lechner streckt Weil die Hand aus

CDU-Fraktionschef Lechner warf der rot-grünen Landesregierung vor, nach zehn Monaten im Amt „Stillstand“ der Politik erzeugt zu haben – und wichtige Chancen ungenutzt zu lassen. An Bundesratsinitiativen habe es – trotz aller Klagen von Rot-Grün über die unzureichende Arbeit der Bundesregierung – gemangelt. Der einzige Vorstoß in der Länderkammer betreffe die Reform des Psychotherapeutengesetzes. „Wenn Sie so weitermachen, Herr Weil, brauchen wir alle bald deren Hilfe“, fügte Lechner scherzhaft hinzu. Der Regierungschef fahre „auf den letzten Metern seines Vorsitzes der Ministerpräsidentenkonferenz ständig nach Berlin und Brüssel“.

CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner bietet der rot-grünen Landesregierung unter Stephan Weil eine „Politik der ausgestreckten Hand“ an. | Screenshot: Plenar-TV

Die CDU würde positive Ergebnisse dort begrüßen, versprach der Fraktionschef – „aber es sind keine positiven Ergebnisse da“. Gleichwohl bot er Weil eine „Politik der ausgestreckten Hand“ an und versprach Zustimmung für grundlegende Reformen, etwa bei der Planungsbeschleunigung und beim Bürokratieabbau. Auf dieses Angebot reagierten SPD und Grüne im Plenum nicht. AfD-Fraktionschef Marzischewski nannte die „größte Herausforderung“ des nächsten Jahres die Migration. In Niedersachsen stünden zehntausende Aufnahmen von Asylbewerbern bevor, für diese Menschen fehlten Unterbringungsmöglichkeiten. „Das kostet viel Geld“.


Dieser Artikel erschien am 14.9.2023 in Ausgabe #158.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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