2. Dez. 2018 · 
Justiz

Hat die Lex AfD vor Gericht Bestand? Ein wenig schöpfen die Rechtspopulisten Hoffnung

Die Entscheidung des Landtags fiel Ende Februar dieses Jahres mit übergroßer Mehrheit. Geschlossen votierten SPD und CDU, Grüne und FDP dafür, den Stiftungsrat für die Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten neu zusammenzusetzen. Die alte Regel lautete, dass jede Landtagsfraktion einen Vertreter in das Gremium entsenden kann. Mit der neuen Regel wurde das verändert. Nun stehen dort vier Plätze für Landtagsabgeordnete bereit, die dann vom Landtag gewählt werden sollen. Vier Plätze bei fünf Fraktionen – das musste bedeuten, den Vertreter einer Fraktion außen vor zu lassen. So geschah es dann auch. Als vergangenen April die Mitglieder des Stiftungsrates gewählt wurden, gab es Mehrheiten für die Vertreter von SPD, CDU, Grünen und FDP. Der Kandidat der AfD aber unterlag und blieb draußen. Das war auch die Absicht gewesen. Der Vorgang hatte seinerzeit heftige politische Diskussionen ausgelöst. Jetzt muss der Staatsgerichtshof entscheiden, ob die AfD mit der Veränderung der Regel für den Stiftungsrat in ihren Rechten als Landtagsfraktion beschnitten worden war. Eine entsprechende Klage der AfD liegt beim höchsten Gericht des Landes in Bückeburg vor, am vergangenen Freitag wurde darüber ausführlich verhandelt. Am 15. Januar soll ein Urteil fallen. Dabei muss die AfD zunächst wegen ihres geringen Anteils von nur neun der 137 Landtagsabgeordneten einen Umweg wählen. Üblicherweise lässt man vor dem Staatsgerichtshof ein Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit untersuchen – dann wird es auf Herz und Nieren geprüft. Gern hätte die AfD das in diesem Fall auch getan, aber eine entsprechende Klage hätte mindestens 28 Abgeordnete als Unterstützer erfordert. Die anderen Fraktionen waren aber nicht bereit, der AfD hier zu helfen. So blieb nur eine „Organklage“, zu der die AfD auch als alleinige Fraktion berechtigt ist. Diese aber kontrolliert nicht das beanstandete Gesetz nach allen Facetten. Vielmehr wird ausschließlich die Frage erörtert, ob die AfD in ihren verfassungsmäßigen Rechten eingeschränkt worden war. Immerhin bietet Staatsgerichtshof-Präsident Herwig van Nieuwland den klagenden Rechtspopulisten gleich zu Beginn einen kleinen Hoffnungsschimmer. Es gebe tatsächlich zwei Bestimmungen in der Landesverfassung, die bei der Entscheidung über das Stiftungsgesetz zu Lasten der AfD verletzt worden sein könnten. Da ist zum einen Artikel 19 der Landesverfassung, wonach Oppositionsfraktionen „das Recht auf Chancengleichheit in Parlament und Öffentlichkeit“ haben. Außerdem wird in Artikel 20 festgeschrieben, dass die Ausschüsse des Landtags die Kräfteverhältnisse im Parlament wiederspiegeln sollen. Das Gericht muss also die Frage behandeln, ob die Chancengleichheit verletzt wird, wenn die AfD nicht in dem Stiftungsrat für die Gedenkstätten vertreten ist. Und es geht um den Charakter des Stiftungsrates an sich. Die klagende Fraktion selbst sieht es so: Der Stiftungsrat bestelle die Geschäftsführung, kläre die Grundsätze und beschließe den Haushalt für die Gedenkstättenarbeit, damit sei er ein bedeutsames Gremium, das höchsten Ansprüchen genügen müsse. „Mit den neuen Regeln im Gesetz wurde die AfD aus dem Stiftungsrat ausgegrenzt – damit entstand in der Öffentlichkeit der fälschliche Eindruck, sie interessiere sich gar nicht für die Gedenkstättenarbeit. Dabei wäre die AfD gern dort vertreten gewesen“, sagt der AfD-Rechtsvertreter Karl-Albrecht Schachtschneider. Für ihn ist der Stiftungsrat außerdem mit einem regulären Landtagsausschuss gleich zu stellen, auch wenn dieses Gremium nicht dem Parlament, sondern der mittelbaren Staatsverwaltung zugeordnet ist. In sonst ungewohnter Einigkeit halten Jens Nacke (CDU), Wiebke Osigus (SPD), Helge Limburg (Grüne) und Stefan Birkner (FDP) dagegen: Die Verfassungsbestimmung beziehe sich ausdrücklich nur auf Landtagsausschüsse im engeren Sinne, da zähle der Stiftungsrat nicht dazu. Und die in Artikel 19 verlangte Chancengleichheit „in Parlament und Öffentlichkeit“ ziele nur darauf ab, dass keine Oppositionsfraktion im Landtag bei öffentlichen Auftritten sichtbar benachteiligt werden dürfe. Da aber der Stiftungsrat stets nicht-öffentlich tage und sich nach außen nur durch seinen Vorsitzenden vertreten lasse, nicht aber durch einzelne Mitglieder, falle hier die Nicht-Mitwirkung der AfD gar nicht auf. Der Artikel 19 sei also nicht relevant. Welcher Sichtweise der Staatsgerichtshof hier zuneigt, ließ sich Präsident van Nieuwland in der mündlichen Verhandlung nicht entlocken. Auf jeden Fall wird mit dem Urteil dann justizpolitische Pionierarbeit betrieben, denn vergleichbare Rechtsprechung dazu gibt es noch nicht. (kw)
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #215.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Alexander Zimbehl spricht beim Neujahrsempfang des NBB in Hannover. | Foto: Wallbaum
Beamtenbund fühlt sich vom Finanzminister unfair behandelt und ruft Olaf Lies zur Hilfe
30. Mai 2025 · Klaus Wallbaum4min
Einige Messestände sind schon relativ nachhaltig, doch der Einsatz von Wegwerfmaterial ist immer noch groß. | Foto: Link
Mehrweg statt Müll: Wie die Hochschule Osnabrück die Messebranche umkrempeln will
28. Mai 2025 · Christian Wilhelm Link3min
Foto: Wallbaum
Kommunen fordern: Denkmalschutzamt entmachten, Landesjugendamt abschaffen
28. Mai 2025 · Klaus Wallbaum4min