Hat das Innenministerium Vorgaben des Bundes-Verfassungsschutzes missachtet?
Seit Monaten streitet der Islamismus-Untersuchungsausschuss über die Frage, warum viele interne Vorgänge bei der Polizei als „geheim“ eingestuft sind und nicht öffentlich erörtert werden dürfen. Jetzt steht auf einmal die Spitze des niedersächsischen Innenministeriums selbst im Verdacht, Vorgaben der Vertraulichkeit gebrochen zu haben – und zwar im Verhältnis zwischen Verfassungsschutz und Landeskriminalamt. Das ergibt sich aus internen Unterlagen, die dem Rundblick vorliegen. Das Innenministerium selbst nimmt zu den Vorgängen keine Stellung, denn die Geheimhaltung darf nicht verletzt werden. Im Zentrum der neuen Vorwürfe steht Innen-Staatssekretär Stephan Manke (SPD).
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Es geht um Yassine O., der als „Anführer“ und „Rekruteur“ der Islamisten-Szene in Wolfsburg eingestuft wird. Mehr als 20 jungen Leute waren in Richtung Irak und Syrien ausgereist, der Verfassungsschutz und die Polizei hatten erst spät davon Kenntnis. Fest steht, dass das Landesamt für Verfassungsschutz schon im März 2014 von der Rolle von Yassine O. erfuhr, und zwar über das Bundesamt für Verfassungsschutz, das wiederum von einer ausländischen Quelle Hinweise erhalten haben soll. Ende Mai 2014 reiste Yassine O. aus, und aus internen Unterlagen des Innenministeriums geht hervor, dass das LKA erst im August die Bedeutung von O. richtig einschätzte – nach Gesprächen mit anderen Mitgliedern der Szene. Das Landesamt für Verfassungsschutz war offenbar gehindert, sein Wissen über O. an das LKA weiterzuleiten, obwohl damit die Ausreise und mögliche spätere Kriegshandlungen von O. hätten verhindert werden können. Denn das Bundesamt, so folgt aus anderen internen Akten, gab die Information nicht zur Weitergabe frei. Das heißt: Weil ausländische Nachrichtendienste nicht wünschten, dass Erkenntnisse über O. an die Polizei gelangten, durfte das Landesamt für Verfassungsschutz seine vom Bundesamt erhaltenen Informationen nicht an die Ermittlungsbehörden weiterleiten.
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Tatsächlich gelangten aber doch Informationen über Yassine O. an die Polizei, wenn auch erst viel später. Vermutet wird, dass dies mit den Berichten über die Vorgänge in Wolfsburg zusammenhängt, die Manke 2015 sowohl vom Verfassungsschutz als auch vom LKA anforderte. Er tat dies, weil er die Aufsicht über beide Abteilungen im Innenministerium führt. Im Herbst 2015 lagen diese Berichte vor, und angeblich gab es danach zwischen Manke, Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger und Landespolizeipräsident Uwe Binias einen Meinungsaustausch über Mängel, Defizite und Fehler. Gemutmaßt wird nun, dass bei dieser Gelegenheit die vom Bundesverfassungsschutz gesperrte Information über Yassine O. an die Spitze der Landespolizei geriet. Denn aus anderen internen Unterlagen geht hervor, dass die Polizei von den Vorgängen rund um Yassine O. beim Verfassungsschutz damals, also im Herbst 2015, Kenntnis gehabt haben musste.
Der FDP-Vertreter im Untersuchungsausschuss, Jörg Bode, sieht nun Aufklärungsbedarf: „Wir müssen erfahren, wer die gesperrten Informationen an die Polizei weitergab. Der Verdacht fällt auf den Staatssekretär, der ja zwei Berichte erhalten hatte. Es kann nun durchaus sein, dass der Bundesverfassungsschutz die Hinweise auch deshalb gesperrt hat, weil eine Quelle geschützt werden sollte. Da der Bruch der Geheimhaltung auch strafrechtliche Konsequenzen haben könnte, brauchen wir nähere Informationen darüber“, sagte Bode dem Rundblick. Angeblich hat das Landesamt für Verfassungsschutz noch vor rund einer Woche versucht, vom Bundesverfassungsschutz eine Freigabe der Hinweise auf Yassine O. zu bekommen. Das sei aber vom Bundesamt wiederum abgelehnt worden, heißt es. Womöglich sind die Daten zu Yassine O., dessen Aufenthalt inzwischen unbekannt ist, immer noch hoch brisant.