Hannovers Rathausaffäre: Hat das Land doch einen Wink zur Zulage gegeben?
Eine spannende Detailfrage zur Rathausaffäre, die auf die Rolle der Kommunalaufsicht im Innenministerium verweist, bleibt weiter unbeantwortet: Hat die Landesregierung womöglich das rechtswidrige Verhalten der Landeshauptstadt Hannover bei der Auszahlung von Gehaltszulagen an hochstehende Beamte gebilligt? Der Angeklagte Harald Härke, einst Personaldezernent der Stadt, verweist auf ein Gespräch mit dem Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium, Alexander Götz, im Juni 2015. Aus dem Verlauf hatte Härke abgeleitet, zum Mittel der Zulage greifen zu können. Götz selbst, der gestern in der Verhandlung des Landgerichts Hannover als Zeuge auftrat, kann sich an das Telefonat allerdings nicht mehr erinnern. Dies sei zu einer hektischen Zeit gewesen, als die Flüchtlingskrise alle Kräfte in der Verwaltung gebunden hatte.
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Allerdings dürfte das Gespräch für den Verlauf des Prozesses von großer Wichtigkeit sein. Falls Härkes Version stimmt, wäre seine Schuld gemindert – denn dann hätte das Innenministerium das Signal gegeben, dass die Stadt eine ziemliche Freiheit in Besoldungsfragen hätte (die sie faktisch nach den rechtlichen Bestimmungen eben nicht hat). Wenn allerdings kein entsprechender Hinweis des Ministeriums kam, wie Götz es darstellt, wiegt die Schuld von Härke umso schwerer. Die Abläufe waren so: Der Büroleiter von Oberbürgermeister Stefan Schostok, Frank Herbert, wollte eine Zulage haben, da ihm die Höherstufung zum Dezernenten vom Rat der Stadt verwehrt worden war. Dies war Anfang 2015.
Zur gleichen Zeit hatte die Stadtverwaltung Gespräche mit dem Innenministerium über die Frage, ob der Chef der Berufsfeuerwehr Hannover, Claus Lange, von B2 auf B3 höhergestuft werden soll. Ein solcher Schritt lag aus Sicht von Feuerwehrexperten nah, da der Aufgabenbereich der Berufsfeuerwehr stetig vergrößert worden war. Eine Höherstufung hätte aber per Änderung des Landesbesoldungsgesetzes geschehen müssen, also war die Kommunalabteilung im Innenministerium mit der entsprechenden Prüfung beauftragt worden. Danach hätte man den Landtag damit befassen müssen.
Wenn ich so etwas gesagt hätte, dann nie ohne Rücksprache mit meinen Fachleuten. Mit denen hatte ich darüber aber nicht geredet.
Am 21. Juni 2015 nun gab es ein Telefonat zwischen dem Personaldezernenten Härke und Götz. Götz soll darin die Stadt Hannover gebeten haben, den Antrag auf Höherstufung von Lange auf B3 zurückzuziehen – vor allem deshalb, weil dann kein Gehaltsabstand zum Landesbranddirektor im Innenministerium mehr bestanden hätte. In diesem Gespräch soll Götz laut Härke erklärt haben, die Stadt könne Lange ja eine Zulage zahlen – was später dann auch von Härke so angeordnet wurde. Götz selbst sagt, er erinnere sich nicht an diese Unterhaltung, halte aber eine solche Bemerkung für „ausgeschlossen“.
„Wenn ich so etwas gesagt hätte, dann nie ohne Rücksprache mit meinen Fachleuten. Mit denen hatte ich darüber aber nicht geredet.“ Ohnehin habe er keine Notiz mehr über das Telefonat. In einer Mail von Götz an seine Mitarbeiter, die er einen Monat später im Juli 2015 verfasst hatte, verweist Götz auf ein Gespräch mit OB Schostok, in dem es um Langes Besoldung ging. Darin schreibt Götz, dass auch die Stadt Hannover bei einer Höherstufung von Lange die Gefahr einer „Lex Hannover“ sehe. Die Stadt prüfe daher „noch einmal eine interne Möglichkeit“.
Jetzt, in der Gerichtsverhandlung, will der Richter vom Zeugen Götz wissen, ob damals mit „interne Möglichkeit“ auch die Zulage gemeint gewesen sein könnte. Götz antwortet, dass dies unwahrscheinlich sei, vielmehr sei es wohl um den Plan der Stadt Hannover gegangen, ein neues Dezernat einzurichten und Lange dann aufzuwerten – was ihr, sagt Götz, jederzeit freigestanden hätte. Ein solcher Plan hingegen taucht in den bisher bekannten Unterlagen nicht auf.
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Nun stellt sich die Frage, wie überzeugend diese Darstellung ist. Härke, einstiger Personalratsvorsitzender, und der Verwaltungswissenschaftler Götz sind beides keine Juristen. Götz sitzt auf einer Position im Ministerium, in der er laufend im Kontakt mit Kommunen steht und pragmatische Lösungen vermitteln muss. Er hat Konzepte zu entwerfen und Schwierigkeiten zu beseitigen. Ihm ist zu unterstellen, dass er die Feinheiten des Beamtenrechts in dieser Frage nicht ständig parat hatte – Härke im Übrigen auch nicht. Ob er es nun im Telefonat gesagt hat oder nicht, es ist wohl in beiden Fällen davon auszugehen, dass Götz zumindest den Gedanken an eine Zulagen-Zahlung für Lange erwogen hat. Härke entlastet das indes nur teilweise: Er hat die Zulage für Lange später in der Stadtverwaltung durchgesetzt trotz der Bedenken, die von seinem Fachbereich Recht verlauteten, und er hat in der Analogie zu Lange auch die Zulage für Herbert angewiesen, obwohl offenbar zwischen Land und Landeshauptstadt über die Besoldung von Herbert nie konkret gesprochen worden war.
Auch nach dem vierten Prozesstag bleiben noch Fragen offen
Manche Ungereimtheiten bleiben an diesem vierten Prozesstag der Rathausaffäre: Der Zeuge Götz betonte mehrfach und wiederholte es auch, sich „nicht aktiv erinnern“ zu können – vor allem mit Bezug auf die Gespräche 2015, zu jener Zeit, als entscheidende Weichen im Fall Lange (und später auch Herbert) gestellt wurden. Auffällig ist zudem, dass zwischen diesen Kontakten und der Entscheidung der Stadt, den Antrag auf Langes Aufstufung zurückzuziehen, fast ein Jahr vergeht. Im Mai 2016 erhält Götz eine SMS vom damaligen Finanzdezernenten der Stadt, Marc Hansmann, dass er „wegen Lange nicht mehr aktiv“ zu werden brauche – in einer Sache also, die doch schon elf Monate zuvor erledigt zu sein schien. Der Antrag auf Langes Höherstufung wurde dann von der Stadt Hannover auch erst im Juli 2016 zurückgezogen, ein Jahr nach Götz‘ Bitte an die Stadtverwaltung, dies zu tun. Die Frage, was in diesem einen Jahr zwischen Verabredung und Entscheidung alles besprochen wurde, womöglich auch zwischen Landeshauptstadt und Innenministerium, bleibt ungeklärt. In der Gerichtsverhandlung ist hier auch nicht weiter nachgehakt worden.
Claus Lange hat im Übrigen recht bald, nachdem 2018 die Rechtswidrigkeit der Zulage öffentlich bekannt wurde, das Geld an die Stadt zurückgezahlt – anders als Herbert, der gerichtlich gegen einen entsprechenden Bescheid angegangen war und damit unterlegen ist. (kw)