
Die Bettensteuer steht möglicherweise vor einer Renaissance in Niedersachsen. Nachdem mehr als zehn Jahre um die Verfassungsmäßigkeit der Tourismusabgabe gestritten wurde, hat das Bundesverfassungsgericht im Mai bestätigt: Eine kommunale Steuer auf Übernachtungen ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Verfassungsrichter kippten außerdem eine zehn Jahre alte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die eine Bettensteuer für Geschäftsreisende bislang verboten hatte. Die Hoteliers und Tourismusverbände äußerten bereits direkt nach dem Gerichtsurteil die Sorge, dass nun alle Dämme brechen könnten. „Wir befürchten, dass mehr Kommunen eine Bettensteuer einführen und die Hotelpreise deshalb weiter steigen“, kommentierte der niedersächsische Dehoga-Hauptgeschäftsführer Rainer Balke damals den Richterspruch. Zunächst schien sich diese Befürchtung nicht zu bestätigen, doch jetzt prescht ausgerechnet die Landeshauptstadt vor und könnte den Stein ins Rollen bringen. Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) hat in sein kürzlich vorgestelltes Sparpaket für das hochverschuldete Hannover auch eine Bettensteuer gepackt. Zuvor hatten schon Regionspräsident Steffen Krach (SPD) und Hans Nolte, Chef der Hannover Marketing & Tourismus GmbH (HMTG), den politischen Boden für die Abgabe bereitet. Um im städtetouristischen Wettbewerb mit Köln, Dresden oder Düsseldorf nicht weiter abgehängt zu werden, benötige auch Hannover eine „City-Tax“, sagten beide.
„Die Hotelbetriebe in der Stadt brauchen in ihrer angespannten Situation derzeit jede Unterstützung, die sie bekommen können, aber auf keinen Fall einen politisch verordneten zusätzlichen Preisaufschlag“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt. Aus ihrer Sicht wird die hannoversche Hotelszene durch die Bettensteuer gleich doppelt getroffen: Zum einen erleide sie einen spürbaren Wettbewerbsnachteil im Vergleich zum Umland sowie zu anderen Messestandorten. Zum anderen entstehe für die Betriebe ein bürokratischer Mehraufwand, weil sie die Abgabe einsammeln müssen. „Wir Fachleute haben als Handlanger die Bettensteuer einzutreiben und an die Landeshauptstadt weiterzuleiten“, empört sich Hoteldirektor Cord Kelle vom Congress-Hotel Hannover.

Am meisten ärgert sich der Dehoga-Vorsitzende der Fachgruppe Hotels aber darüber, dass die Hoteliers weder bei der Einführung der Bettensteuer noch bei der Verwendung der Mittel mitreden dürfen. „Einen ohnehin zu geringen Anteil der eingenommenen Steuer, nämlich 25 Prozent, einfach nur in die HMTG abzuführen ohne konkrete Forderung für die Verwendung der Mittel abzuleiten, ist eine befremdliche Vorgehensweise“, sagt Kelle. Er äußert auch Zweifel daran, dass die Bettensteuer von 5 Prozent für jede private und berufliche Übernachtung in Hannover die erhofften 10 Millionen Euro pro Jahr in die Stadtkasse spülen wird. Diese Schätzung sei „realitätsfremd“, weil sie auf den Übernachtungszahlen im Rekordjahr 2019 basiere, als 2,3 Millionen Übernachtungen in Hannover gezählt wurden. Später waren es weit weniger.
Als erste Stadt in Niedersachsen hatte Osnabrück Anfang 2011 eine Bettensteuer eingeführt. Dann zogen Göttingen, Oldenburg, Schulenburg im Oberharz sowie Lüneburg und Goslar nach. Überall wurde die Abgabe allerdings gerichtlich gekippt. Nur die beiden letztgenannten Städte führten sie wieder ein. Lüneburg erhebt eine „Beherbergungssteuer“ in Höhe von 4 Prozent auf den Bruttopreis für bis zu 14 private Übernachtungen infolge – sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Frühstück oder sonstige Leistungen fließen nicht in die Berechnung ein. 2019 nahm die Hansestadt dadurch 480.000 Euro ein, für 2022 werde 550.000 Euro erwartet.
In Goslar gibt es den sogenannten Gästebeitrag, der bei 2,30 Euro pro Übernachtung liegt. Die Abgabe wird jedoch nur für volljährige Touristen fällig, Minderjährige und Berufsreisende sind davon befreit. Seminarteilnehmer oder Messebesucher zahlen die Hälfte. Als Gegenleistung für den Gästebeitrag erhält jeder Tourist eine Gästekarte mitsamt einem Gutscheinheft. Goslar hat außerdem festgelegt, dass die Abgabe zweckgebunden ist und nur zur Finanzierung von touristischen Einrichtungen herangezogen werden darf. Für 2022 verspricht sich die Kaiserstadt dadurch Einnahmen von rund 1,7 Millionen Euro, für 2023 werden 1,5 Millionen Euro prognostiziert.
Cuxhaven hat im vergangenen Jahr sogar knapp 2,5 Millionen Euro mit einer Übernachtungssteuer eingenommen, womit sie dort fast das Zehnfache der Hundesteuer einspielt. Die Seestadt hatte die Abgabe, die 2,75 Prozent jeder privaten Übernachtung ausmacht, im Jahr 2018 zur Entschuldung eingeführt. Das Cuxhavener Modell ist außergewöhnlich, weil es in der als Nordseeheilbad anerkannten Stadt außerdem auch eine Kurtaxe beziehungsweise einen Gästebeitrag gibt, der zwischen 1,50 bis 3,20 Euro pro Übernachtung und Person beträgt. Im bundesweiten Vergleich sind die niedersächsischen Kommunen bei der Bettensteuer moderat unterwegs.
In vielen niedersächsischen Kommunen ist eine Bettensteuer bereits in den vergangenen Jahren diskutiert und verworfen worden. Neben den bereits genannten Städten Göttingen und Oldenburg sprachen sich etwa Oldenburg, Osnabrück und Celle sowie die Gemeinden Worpswede (Landkreis Osterholz) und Ottersberg (Landkreis Verden) gegen die Abgabe aus. Doch unter den nun geänderten rechtlichen Vorzeichen und der schlechteren Finanzlage könnte die eine oder andere Kommune noch umschwenken oder das Thema ganz neu für sich entdecken. Ernsthafte Überlegungen zur Einführung der Übernachtungssteuer gibt es offenbar in Hildesheim, wo die Stadtverwaltung eine Bettensteuer ab Januar 2024 prüft. Der entsprechende Vorstoß kam von SPD und Grünen.
In Braunschweig war eine Bettensteuer zur Haushaltsoptimierung bereits 2020 geprüft worden. Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) hatte damals bei einem Steuersatz von 4 Prozent mit zusätzlichen jährlichen Einnahmen von 470.000 Euro gerechnet. Die Rückmeldung der Stadt war jedoch negativ, weil die Mehrbelastung der Hotels sowie der bürokratische Aufwand den Nutzen überwogen hätten. In die KGSt-Rechnung waren damals allerdings nur private Übernachtungen eingeflossen. Das Nein aus Emden zur Bettensteuer ist dagegen relativ frisch. Erst im Juni bezeichnete Oberbürgermeister Tim Kruithoff (parteilos) die Abgabe als „nicht zielführend“. Die Seehafenstadt könne zwar je nach Modell zwischen 590.000 Euro (Pauschalabgabe) bis 700.000 Euro (bei fünfprozentiger Steuer) zusätzlich einnehmen. Aber aus Emder Sicht stehe das nicht im Verhältnis mit dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand und der Gefahr, dass bei einer Bettensteuer viele Touristen abwandern könnten.
