Darum geht es: In der Region Hannover starten die ersten Flüchtlinge als Teil einer Unternehmensinitiative in die Ausbildung. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Vor rund 60 Jahren kamen die ersten Gastarbeiter nach Deutschland. Integrationskonzepte gab es damals keine. Vermutlich wäre jeder schief angesehen worden, der überhaupt das Wort „Integrationskonzept“ in den Mund genommen hätte. Welcher Gastarbeiter bekam damals schon einen Deutschkurs?

60 Jahre später sind wir klüger: Wir wissen zum Beispiel, dass Sprache und Bildung der zentrale Schlüssel für die Integration sind. Aber das Wissen über die Notwendigkeiten bedeutet nicht gleichzeitig, dass auch überall das Notwendige geschieht.

Unternehmen und Verbände haben sich in den vergangenen Jahren häufig in der Öffentlichkeit beklagt, dass viele Jugendliche nicht ausbildungsreif seien. Doch während in den Unternehmen selbst gerne die so genannte „Hands on“-Mentalität – also die Fähigkeit, Dinge anzupacken und umzusetzen – propagiert wird, schoben sie in dieser Frage die Verantwortung immer gerne in Richtung Politik. Diese müsse sich mal um eine bessere Vorbildung in den Schulen kümmern.

Inzwischen hört man aus der Wirtschaft andere Töne: „Entweder wird mein Unternehmen kleiner, weil ich das nötige Personal nicht finde, oder ich muss etwas tun“, heißt es in den Kreisen der Personalverantwortlichen. Auf einem leergefegten Fachkräftemarkt führt das zu einem neuen Denken, und vor allem einer neuen Flexibilität.

https://soundcloud.com/user-385595761/fluchtlinge-starten-ihre-ausbildung-in-hannover

So kommt es, dass Behörden und Unternehmen bei der Ausbildung von Flüchtlingen jetzt eng und ungewohnt reibungslos zusammenarbeiten und gemeinsam die Ärmel hochkrempeln. Dabei müssen sich die Unternehmen mehr engagieren, weil vielen jungen Menschen die nötige Vorbildung fehlt.

Aber auch die Politik hat noch nicht alle Fragen gelöst. Wenn ein Flüchtling als Praktikant ab dem vierten Praktikumsmonat durch den Mindestlohn mehr verdient als ein Metall-Azubi im dritten Lehrjahr, dann stiftet das Unruhe im Unternehmen. Ein Drehen an der Mindestlohn-Schraube müsste ja keine Dauerlösung sein. Aber auch hier wäre eine flexiblere Lösung sinnvoll.

„Deutschland zeigt in der Flüchtlingsfrage, wozu es in der Lage ist. Dabei zeigen sich sowohl Behörden als auch Unternehmen und engagierte Bürger von ihrer besten Seite. Die Personalmanager würden vielleicht von einer „Hands on“-Mentalität sprechen. Andere würden einfach sagen: „Wir schaffen das.“

Lesen Sie auch:

Flüchtlinge in der Region Hannover starten in den Beruf