Die Grünen sind am Ziel – zumindest, was dieses Thema betrifft: Seit dem 1. April kann Cannabis legal konsumiert und für den Eigenbedarf angebaut werden. „Ich bin sehr zufrieden und erleichtert“, sagte der Landtags-Fraktionsvorsitzende Detlev Schulz-Hendel staatsmännisch bei einem Informationsabend. Pascal Leddin, der agrarpolitische Sprecher, wurde persönlicher: „Für mich ist das ein sehr emotionales Thema.“ Der Kampf für die Cannabis-Legalisierung war für ihn ein wichtiger Grund, den Grünen beizutreten, berichtete er.

Diskutieren über die Cannabis-Legalisierung (von links): Pascal Leddin, Evrim Camuz und Kirsten Kappert-Gonther. | Foto: Beelte-Altwig

Nachdem das ersehnte Gesetz so prompt nach der Abstimmung im Bundesrat in Kraft getreten ist, bleiben allerdings zahlreiche Probleme ungelöst. Obenauf liegt derzeit die Frage nach der Fahrtüchtigkeit unter Cannabis-Einfluss. Eine „hochkarätig besetzte“ Expertenkommission, wie Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte urteilt, empfiehlt der Bundesregierung einen großzügigeren Grenzwert des Wirkstoffs THC von 3,5 Nanogramm. Doch Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) wirbt derzeit bei ihren Kollegen in den Ländern dafür, den bisher geltenden Grenzwert von 1,0 Nanogramm nicht anzutasten.

Das war Anlass für eine Spitze von Schulz-Hendel gegen den Koalitionspartner: Wenn es Behrens ernst sei damit, dass der Grenzwert keine politische Entscheidung sein dürfe, dann solle sie die Empfehlung der Experten nicht in Zweifel ziehen, meint er. Auch die Bremer Bundestagsabgeordnete und Psychiaterin Kirsten Kappert-Gonther kritisierte den Versuch scharf, „über das Verkehrsrecht wieder eine Kriminalisierung“ von Cannabis zu erreichen. Staudte fand noch ein sehr niedersächsisches Argument: Der niedrige Grenzwert sei eine „Benachteiligung des ländlichen Raums“. Denn hier können die Menschen ihr Auto nicht einfach tagelang stehen lassen, bis der THC-Gehalt im Blut wieder „im grünen Bereich“ ist. 

Miriam Staudte | Foto: Sven Brauers

Das Publikum interessierte aber viel mehr, welche Rahmenbedingungen für den Anbau in nicht-kommerziellen Clubs gelten, der ab 1. Juli starten darf. An den via Online-Tool gestellten Fragen wurde deutlich, dass viele Gäste schon tief in den Detailfragen stecken. Die Landwirtschaftsministerin hatte dann auch sehr konkrete Tipps für sie: Sie empfiehlt, jetzt schon Genossenschaften und Vereine zu gründen und die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge sicherzustellen. Der Vorstand, darauf wies Staudte eigens hin, sollte nicht vorbestraft sein. Es sei möglich, geringfügig Beschäftigte anzustellen. Wenn sie im engeren Sinn – da wurde vom Publikum genau nachgefragt – mit der Pflege der Pflanzen befasst sind, müssen sie zuvor Mitglied werden.

Jeder Ernte muss ein neutraler „Beipackzettel“ mitgegeben werden, in dem der THC-Gehalt genau ausgewiesen ist. Für die Anerkennung und Kontrolle der Clubs werden die Landwirtschaftskammern zuständig sein, kündigte Staudte an. Ihnen gegenüber müssen die Verantwortlichen dokumentieren, dass sie überschüssige Ernteerträge vernichten. Denn jedes Mitglied darf nur 50 Gramm Cannabis erhalten. Wer weniger als diese Maximalmenge konsumiert, darf den Rest trotzdem nicht an Dritte weitergeben. Auch hier wurde genau nachgefragt. Staudte stellt sich das so vor, dass Fotos von der Vernichtungsaktion an die Kontrollstellen gesendet werden. Ihre Empfehlung: Vorher abklären, wer welche Mengen abnehmen will, damit nicht zu viel Überschuss produziert wird.

Von einem Teilnehmer, der im T-Shirt eines Cannabis-Clubs gekommen war, gab es fundamentale Kritik: „Das Gesetz ist nicht geeignet, einen produktiven Club-Betrieb zu installieren.“ Er kritisiert, dass die ehrenamtlichen Vorstände privat alle Risiken tragen müssen, um am Ende vielleicht keine amtliche Freigabe zu bekommen und die Investitionen wieder vernichten zu müssen. Staudte warb daraufhin um Verständnis dafür, dass in den Behörden noch Vorwissen fehle. Sie zeigte sich aber offen für einen Austausch. Am Ende wurden dafür Kontaktdaten gesammelt.

Präventions-Experte Dennis Sögding | Foto: Beelte-Altwig

Ein wichtiger Bestandteil des neuen Cannabis-Gesetzes sind Maßnahmen für Prävention und Jugendschutz. Wie das aussehen könnte, war ebenfalls Thema an dem Abend, wurde aber deutlich knapper behandelt. Dennis Sögding, Vorstand der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, ist überzeugt, dass erst mit der Legalisierung eine sinnvolle Prävention beginnen könne. Bei Alkohol und Nikotin gebe es bereits sichtbare Erfolge. Für Cannabis beschrieb er allerdings einen gegenteiligen aktuellen Trend: „Der Markt ist gerade gepusht.“ Die – meist minderjährigen – Teilnehmer in seinen Gewaltpräventionskursen hätten gejubelt über die Freigabe. Offenbar war gar nicht zu ihnen durchgedrungen, dass die Legalisierung erst ab 18 Jahren gilt.

„Wir müssen an die Schulen“, sagte Sögding. Drogenberatungsstellen seien zu abschreckend und Sportvereine weniger Orte der Prävention als solche, in denen Jugendliche an Alkohol herangeführt würden. Die Grünen hoffen, in einem nächsten Schritt Modellregionen schaffen zu können, in denen Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften abgegeben werde. Im EU-Recht gebe es den Spielraum dafür. Wenn sich das Modell bewähre, erklärte die Bundestagsabgeordnete Kappert-Gonther, werde der effektivste Jugendschutz erreicht: Denn dadurch werde der Schwarzmarkt verdrängt und sichergestellt, dass Minderjährige kein Cannabis kaufen können.