24. März 2022 · Justiz

Gericht versteht Klage gegen Ernst August nicht: Erbprinz handelte ohne Fehl und Tadel

Vorm Landgericht Hannover wird um die Zukunft von Schloss Marienburg gestritten. | Foto: Link, Stefan Knaak Photography

Die juristische Adelsfehde des Jahres ist am Ende ohne Beteiligung der Blaublüter vor dem Landgericht Hannover verhandelt worden. Der eigentliche Kläger, Prinz Ernst August von Hannover, blieb ebenso wie sein beklagter Sohn, Ernst August Erbprinz von Hannover, der Verhandlung fern. Dabei ging es um nichts weniger als das Familienvermögen der Welfen: Der Chef des Hauses Hannover hatte die Rückgabe von Schloss Marienburg sowie sämtlicher anderer Liegenschaften und Kunstschätze gefordert. Doch schon vor der mündlichen Verhandlung hatte der Prinz seine Klage zurückgezogen und an die Salzburger EAH BetreibungsgmbH verkauft. Auf Klägerseite waren gleich vier Rechtsexperten beteiligt, die einem Beklagten-Trio gegenübersaßen. Das Fehlen des Hochadels dämpfte auch das öffentliche Interesse: Der große Schwurgerichtssaal war nur mäßig gefüllt. Den Anwesenden offenbarte der Vorsitzende Richter Stefan Heuer aber trotzdem viele spannende Einblicke in den Familienzwist der Welfen.

45 Minuten lang schilderte Heuer die vielen Vorwürfe des Prinzen, der seinem Sohn „schweren Undank“ vorwarf und die Rückabwicklung der „vorweggenommenen Erbfolge“ einforderte. Weitere 20 Minuten dauerte die Erwiderung, warum der Erbprinz überhaupt kein „tadelswertes Verhalten“ gezeigt habe und auch formal kein Anspruch auf Rückgabe der Besitztümer besteht. „Der Vorwurf der Vernachlässigung ist viel zu pauschal und nicht hinreichend konkret“, monierte Heuer. Die Rechtsanwälte der Kläger versuchten noch nachzusteuern, konnten den Vorsitzenden Richter aber nicht von seiner Meinung abbringen. „Stand heute würde ich die Klage ablehnen“, sagte er. Hier die Vorwürfe und die dazugehörigen Bewertungen des Gerichts in Kurzfassung:

Richter Stefan Heuer (Mitte) nimmt sich
viel Zeit, um die Vorwürfe aufzudröseln. | Foto: Link

Rauswurf aus Welfenstiftung: Ein Teil des Familienvermögens des Hauses von Hannover wird von der Herzog-von-Cumberland-Stiftung mit Sitz in Vaduz verwaltet. Bis 2012 saß Prinz Ernst August dem Stiftungsvorstand vor, dann wurde er allerdings wegen Nichttätigkeit abgesetzt. Angeblich soll der Sohn hinter der Absetzung gesteckt haben, indem er den Ruf und das Ansehen des Vaters geschädigt habe. Beweise legte die Kläger-Seite aber nicht vor. Und dass der Sohn fünf Jahre später zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, fand das Landgericht auch überhaupt nicht anrüchig. Schließlich hatte selbst das Staatsgericht Vaduz keine Verfehlungen erkannt, obwohl der Senior alle Instanzen des Fürstentums bemühte.

Gericht ist sicher: Schloss Marienburg zu Recht veräußert

Schloss Marienburg: Dass der Sohn das Schloss Marienburg, den Stammsitz der Welfen, in eine gemeinnützige Stiftung überführte, brachte den Vater besonders auf die Palme. Richter Heuer stellte jedoch fest: „Der Umstand, dass der Geschenkte ein Geschenk veräußert, stellt im Grundsatz keinen Undank dar.“ Zudem habe der Sohn mit der Veräußerung nicht das Familienvermögen geschädigt, da er zuvor ein Gutachten eingeholt habe. Nach Einschätzung des Richters schützte der Erbprinz sogar die Welfen-Kasse, weil die Sanierungslast laut Gutachten bei 24 Millionen Euro liegt. „Er hat das Grundstück auch nicht an einen beliebigen Dritten verkauft“, stellte Heuer fest. Die Stiftung Schloss Marienburg habe schließlich das Ziel, den Welfen-Stammsitz als Kulturgut zu erhalten. Zudem könne der Erbprinz als Stiftungsvorsitzender darauf Einfluss nehmen.

Dronenaufnahme Schloss Marienburg © Stefan Knaak

Kein Besuch am Krankenbett: Im Frühjahr 2018 wurde Prinz Ernst August schwer krank und musste wegen einer lebensgefährlichen Entzündung der Bauchspeicheldrüse ins Krankenhaus. „Der Beklagte habe ihn in schwierigen Zeiten im Stich gelassen“, monierte die Kläger-Seite und verwies darauf, dass der Erbprinz den 68-Jährigen nicht besucht habe. Der Sohn wiederum verwies auf eine vorausgegangene E-Mail des Vaters, die Richter Heuer aufgrund des Tonfalls als „nicht zitierfähig“ bezeichnete. „Nach dieser E-Mail hätte der Vater kaum auf eine gesteigerte Zuneigung hoffen dürfen“, stellte der Vorsitzende fest und teilte damit die Einschätzung des Erbprinzen, dass ein Krankenbesuch der Genesung des Vaters wohl kaum förderlich gewesen wäre. Außerdem habe der Sohn – ohne dazu gesetzlich verpflichtet gewesen zu sein – sämtliche Behandlungskosten der privaten Krankenversicherung getragen.

Sensible Patientendaten beschafft? Während der schlimmen Krankheit des Vaters soll der Sohn sich unerlaubterweise sensible Patientendaten beschafft haben. Dieser Vorwurf löste bei den Richtern allerdings Irritationen aus. „Der Kläger hatte doch selbst verlangt, dass sich der Beklagte um seine ärztliche Versorgung kümmert“, wunderte sich Heuer.

Hinterlistige Handlanger? Vertraute des Erbprinzen sollen den Vater angeblich ausgetrickst haben, sodass dieser die Schenkung nicht fristgemäß zurücknehmen konnte. Das Gericht konnte allerdings weder nachvollziehen, wie der Bevollmächtigte des Sohnes den Welfen-Chef hinters Licht führte. Noch sah es einen Beweis dafür, dass der Notar dabei auf Veranlassung des Erbprinzen gehandelt habe.

Alkohol und Zigaretten: Besonders kurios mutete der Vorwurf an, der Erbprinz habe über die Cumberland-Stiftung den Vater mit Alkohol und Zigaretten versorgt – und damit der Gesundheit des Prinzen mutwillig geschadet. Das Gericht stellte dazu fest: „Ob der Kläger sein Geld für Alkohol und Zigaretten ausgibt, ist wohl kaum seinem Sohn anzulasten.“

Prinz Ernst August empört: Sohn zahlte mein Bußgeld nicht

Sohn zahlt Bußgeld nicht: Die Anklage führte an, dass der Erbprinz sich geweigert haben soll, ein Bußgeld in Höhe von 40.000 Euro für den Vater zu zahlen. Angeblich soll der Sohn eine Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Tagen als erzieherische Maßnahme für den Vater begrüßt haben. Aber auch diese Behauptung blieb ohne Beweise. Zudem hatte der Prinz nach Ansicht des Gerichts selbst die nötigen finanziellen Mittel, um seine Strafe zu begleichen. Rechtsanwalt Volker Römermann von der Salzburger EAH BetreibungsgmbH sagte jedoch: „Er hatte das Geld in dem Moment nicht, um das Bußgeld zu bezahlen, weil er jahrelang ständig über seine Verhältnisse gelebt hat.“ Dass der Sohn die aus Sicht des Familienvermögens „läppischen 40.000 Euro“ nicht bereitgestellt habe, bewertete er als verwerflich: „Ich kann mir kaum einen stärkeren Verstoß gegen ein eigenes Familienmitglied vorstellen.“

Vater hat keinen Rechtsanspruch: Aus Sicht des Gerichts hat der Vater schon aus formellen Gründen kein Recht, die Schenkung anzufechten. Denn nicht der Erblasser, sondern nur der Erbnachfolger des 38-Jährigen könne sich überhaupt nur darüber beschweren, dass sein künftiges Erbe gemindert wird. Das sei aber auch nachweislich nicht der Fall, wie etwa ein Zukauf von Ländereien in Sachsen-Anhalt zeigt, durch den der Erbprinz das Familienvermögen steigerte. Weiterhin ist es laut Gericht ja der Sinn und Zweck einer vorgezogenen Erbfolge, dass der Begünstigte bereits zu Lebzeiten die Stellung eines Vorerben einnimmt. „Der Beklagte war zur Veräußerung berechtigt“, steht für die Richter fest. Ihrer Einschätzung nach habe der Erbprinz „das Familienvermögen treu und im Sinne des Hauses verwaltet und sich auch gegenüber dem Vater tadellos verhalten“.

Fall ist noch nicht erledigt: BetreibungsgmbH-Anwalt Römermann will trotz der für ihn äußerst ungünstigen Einschätzung des Gerichts nicht aufgeben. Er hält an der Klage fest, will noch weitere Belege einreichen und auch Ernst August Prinz von Hannover selbst als Zeugen benennen, was bislang nicht möglich gewesen sei. Ob die Klage vorm Landgericht aber wirklich anerkannt wird, bleibt fraglich. Die Entscheidung soll am 3. Juni bekanntgegeben werden.

Volker Römermann (Mitte) und seine Kollegen wollen die Klage nicht auf sich beruhen lassen.
Dieser Artikel erschien am 25.3.2022 in Ausgabe #057.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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