Darum geht es: Über 65 Jahre alte Frauen in Niedersachsen haben im Vergleich zu Männern nicht nur im Durchschnitt eine niedrigere Rente, sondern auch zugleich auch ein höheres Armutsrisiko. Ein Kommentar von Martin Brüning:

Wer erwachsen ist, möchte unabhängig sein. Für den Wunsch nach Unabhängigkeit gibt es keine Altersbegrenzung. Umso bedrückender ist es, dass mehr als 16 Prozent der Seniorinnen in Niedersachsen auf die finanzielle Unterstützung durch Familienangehörige angewiesen sind. Die aktuellen Zahlen des Landesamtes für Statistik machen die schwierige Situation deutlich, von der vor allem viele Rentnerinnen betroffen sind. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Teilweise unterbrochene Erwerbsbiographien, Teilzeitarbeit oder nur ein Minijob wegen der Kindererziehung. Der Rentenbeleg wird Jahrzehnte später zur niederschmetternden Quittung für die aufopferungsvolle Mutterrolle.

Der Staat soll es nun richten. Mit einer Mütterrente soll der Staat die Erziehungsarbeit im Nachhinein honorieren. Es ist derselbe Staat, der im Jahr 2008 bei der Unterhaltsreform die sogenannte nacheheliche Eigenverantwortung einführte und damit vor allem geschiedene Frauen massiv schlechterstellte. Die Scheidungsrate lag im Jahr 2008 übrigens bei 50,9 Prozent. Die Mütterrente kostet Milliarden und ist für die betroffenen Frauen doch nichts anderes als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Dennoch geht es bei der Zukunft der Rente nicht um eine Diskussion zwischen Männern und Frauen. Es geht vielmehr um Gerechtigkeit zwischen Jung und Alt. Der Staat, der Müttern nachträglich Beträge auszahlen soll, die sie vorher als Beiträge nicht eingezahlt haben und der eine Rente mit 63 wieder möglich macht statt sich zu trauen, das Rentenalter dem steigenden Lebensalter anzupassen, ist kein fiktiver politischer Wohltäter. Diese Entscheidungen werden von den heutigen Erwerbstätigen und ihren Kindern bezahlt – über die Beiträge und zusätzlich noch über milliardenschwere Steuerzahlungen, weil das alles allein über Beiträge gar nicht mehr zu finanzieren ist.

Es gäbe durchaus Möglichkeiten, künftigen Rentnerinnen und Rentnern ein besseres Auskommen zu ermöglichen und dabei das im Grunde bewährte Umlageverfahren zu erhalten. So könnte es eine echte und einfache Förderung der privaten Vorsorge geben und nicht, wie damals mit Riester- und Rürup-Rente, eine komplizierte Förderung von Versicherungskonzernen. Und wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung ist es fragwürdig, dass sich bestimmte Gruppen aus der Finanzierung heraushalten können. Wenn Top-Manager in Dax-Konzernen keinen Cent in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und zugleich mit enorm hohen Betriebsrenten nach Hause gehen, muss man kein Populist sein, um darin eine soziale Ungleichheit zu erkennen.

Es ist erstaunlich, mit welchem Gleichmut die Deutschen die Rentenpolitik der Regierung hinnehmen. Dabei müssten die derzeit Erwerbstätigen nicht sich selbst, sondern vor allem ihre Kinder schützen. Die Deutschen gehen im Durchschnitt mit 62,6 Jahren in Rente (Erwerbsminderungsrenten sind mit eingerechnet) und werden inzwischen über 80 Jahre alt. Sie wollen künftig nicht weniger Rente bekommen, haben aber in den vergangenen Jahrzehnten weniger Kinder bekommen, die in die Kasse der Rentenversicherung einzahlen. Die Differenz zwischen zu hohen Forderungen und zu wenig Anstrengungen werden unsere Kinder unweigerlich auf dem Lohn- und Gehaltszettel zu spüren bekommen. Gerecht ist das nicht.

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