In der Landespolitik herrscht sichtlich Anspannung in einer heiklen Personalfrage: Die monatelangen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu der Frage, ob Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) von der Unzulässigkeit der Gehaltszulage wusste, die er über Jahre seinem Büroleiter Frank Herbert gewährte, neigen sich dem Ende zu. Die Unterlagen der Justiz zu dem Untreue-Vorwurf sind umfangreich, Schostoks Anwalt hatte um Fristverlängerung für die abschließende Stellungnahme gebeten. Thomas Klinge, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, erklärte gegenüber dem Politikjournal Rundblick: „Ich rechne für Ende Februar mit einer abschließenden Entscheidung.“

Umfeld: Schostok ist sich keiner Schuld bewusst

Es dürfte also erst in rund sechs Wochen klar sein, ob Schostok angeklagt wird oder das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt wird. In politischen Kreisen gehen viele davon aus, dass Schostok die Angelegenheit nicht ohne Blessuren überstehen kann. In Betracht käme eine Anklageerhebung, aber auch eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraph 153a der Staatsprozessordnung – das wäre dann ein Verzicht auf Strafverfolgung mit Geldauflage, falls dem „die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“. Eine Schuld wäre in diesem Fall gleichwohl verbrieft, das wäre für die Amtsausübung des Stadtoberhauptes der größten Stadt Niedersachsens eine schwere Bürde. Dass die Ermittlungen aber ohne Auflage wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, wird unter Landespolitikern für höchst unwahrscheinlich gehalten.

Schostok selbst hat wiederholt erklärt, von der Rechtswidrigkeit der Zulagen an Herbert (monatlich 1050 Euro drei Jahre lang von April 2015 bis Mai 2018) erst im August 2017 erfahren und dann eine Prüfung veranlasst zu haben. Aus seinem Umfeld heißt es, er sei sich keiner Schuld bewusst, habe ein reines Gewissen und wolle das Verfahren durchstehen. Unterdessen zeigen sich im Ampel-Bündnis, das Schostok eine Mehrheit im Rat garantiert, erste Risse. Die Grünen werden erkennbar unruhig, die FDP schweigt noch.

Der Fall beschäftigt auch die Landespolitik

Eine Abwahl ist an hohe Hürden geknüpft und gilt als unwahrscheinlich. Es gibt aber offenbar Versuche, auf Schostok einzureden und ihn zu bewegen, mit der eigenen Bereitschaft zum Rückzug ein vorzeitiges Amtszeitende zu erleichtern. Wenn dies noch vor Abschluss der Ermittlungen geschähe, also vor Ende Februar, würde Schostok gar nicht als Getriebener gelten – falls nämlich eine andere neue Position für ihn winken würde. Tatsächlich ist erst vor wenigen Tagen ein wichtiges Amt frei geworden, für das er in Frage kommen könnte – das des Verbandsdirektors des Verbandes der Wohnungswirtschaft (vdw). Würde Schostok seinen OB-Posten im Februar abgeben, so könnte es für den Versuch einer Neuwahl des Stadtoberhauptes durch das Volk am Tag der Europawahl, am 26. Mai, zeitlich eng werden. Wahrscheinlicher wäre dann eher eine OB-Neuwahl im Sommer. Formal dauert die Amtszeit noch bis 2021.

Dass die Ermittlungen ohne Auflage wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, wird unter Landespolitikern für höchst unwahrscheinlich gehalten.

In seiner eigenen Partei, der SPD, wächst derweil die Nervosität. Schostok ist nicht zur Oberbürgermeister, sondern zudem noch Vorsitzender des SPD-Bezirks Hannover, des größten in Niedersachsen. Hier stehen im Sommer Neuwahlen für die nächste zweijährige Amtszeit an, bisher ist von Gegenkandidaturen noch keine Rede, ausgeschlossen sind sie aber nicht. Seine parteiinternen Kritiker könnten den Neuwahltermin nutzen, Schostok Zugeständnisse abzuringen.

Wie sehr das Thema Schostok die Landespolitik reizt, zeigte sich gestern in der Sitzung des Landtags-Innenausschusses. Als Maja Kummer von der Kommunalaufsicht des Innenministeriums über die Zulagenpraxis der Stadt Hannover und die umfangreiche Kommunikation zwischen Land und Stadt darüber berichtete, unterbrach sie Ulrich Watermann (SPD) und meinte, sie hole zu weit aus und verlasse den eng gesteckten Rahmen der üblichen Unterrichtungen. Prompt protestierten die Vertreter der Opposition. Belit Onay (Grüne) warf Watermann einen „Einschüchterungsversuch“ gegenüber Kummer vor, Stefan Henze (AfD) sprach von einer „Drohkulisse“.