22. März 2018 · 
Kommentar

Gehört der Islam zu Deutschland? Gehört der Kommentar zum Rundblick? 

Darum geht es: Zum Start der Großen Koalition in Berlin beherrscht wieder mal ein Thema die internen Debatten: Wie halten wir es mit dem Islam? Ein Kommentar von Klaus Wallbaum. Ach, wie einfach funktioniert doch das Kräftemessen in der Bundespolitik. Herr Seehofer sagt vor wenigen Tagen in einem Interview mit der „Bild“, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Daraufhin betont seine Chefin, Kanzlerin Angela Merkel, gestern in ihrer Regierungserklärung: „Der Islam ist inzwischen ein Teil Deutschlands geworden.“ Wenige Minuten später springt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Seehofer bei und wiederholt im hohen Haus dessen Satz: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sieht in diesem Dissens mehr als nur Wortklauberei, er erwartet nun, dass Merkel ihren neuen Innenminister Seehofer gleich entlässt. Anzeichen einer aufkeimenden Regierungskrise also wegen der schlichten Frage, ob der Islam zu Deutschland (und damit auch zu Niedersachsen) gehört oder nicht. Dabei ist die Frage ungefähr so gut zu beantworten wie eine andere, die bisher nur wenige wirklich bewegt hat: Gehört der Kommentar zum Rundblick? Das klingt, wenn man es näher untersucht, zunächst recht simpel – ist es aber dann doch nicht. So wie das mit dem Islam. Sicher, werden viele sagen, zum richtigen Hintergrund-Politikjournal gehört auch der Kommentar, die regelmäßige Meinungsäußerung aus der Redaktion. Aber dann gibt es in der Leserschaft höchst unterschiedliche Erwartungshaltungen. Die einen wollen Nachrichten lesen, harte Fakten und Berichte. Bewertungen halten sie für lästiges Beiwerk. Die nächsten schätzen die Hintergrundinformationen, die beschreiben, was hinter den Kulissen so vor sich geht. Die dritten fokussieren sich auf die Personalien – wer geht wo hin, wer wird zu was befördert, wer gerät wegen welcher Dinge unter Druck? Und dann gibt es diejenigen, die in der Vielfalt des Angebotes den Reiz sehen – sie sind vergleichbar mit den Philanthropen in der Gesellschaft, die in der Mischung der Kulturen, Religionen und Nationalitäten die Chance für mehr Austausch und Verständigung sehen.

So wie ein Kommentar nicht den Charakter dieses Politikjournals verändert, gefährden auch die Erscheinungsformen des Islam in Deutschland nicht die christlich-jüdische Tradition des Abendlandes.


Gehört nun der Islam zu Deutschland? Ja, wenn man das Bild einer toleranten Gesellschaft pflegt, die keine Angst hat, weltoffener und vielfältiger zu werden. Nein, wenn man damit die Sorge verbindet, das überlieferte Regelwerk könne außer Kraft gesetzt werden und an Wert verlieren. Andere Frage: Gehört der Kommentar zum Rundblick? Ja, wenn er im Kontext mit Nachrichten und Hintergrundberichten steht, als eine Ergänzung und willkommene Anregung. Nein, wenn es am Ende nur noch Kommentare gibt und die anderen Elemente wie Nachricht oder Hintergrundstück nicht mehr vorkommen. Der Islam gehört zu Deutschland, solange es keine Gefahr gibt, dass islamische Radikalität die hiesigen Regeln verdrängen oder ersetzen. Das Tragen von Kopftüchern, das Verachten der Gleichberechtigung, der von Hass getragene Blick auf andere Religionen – solche Ausformungen des Islam gibt es, und sie gehören nicht zu Deutschland. So wie all jene sanktioniert werden müssen, die unser Recht brechen und unsere Regeln missachten, gleich, ob sie Ausländer sind oder Deutsche. Das führt eben auch zu der eigentlich viel berechtigteren Frage: Welche Formen des Islam gehören zu Deutschland und welche eben nicht? Oder übertragen: Gehört dieser Kommentar zum Rundblick? Nicht jeder Kommentar hat die Chance, im Rundblick veröffentlicht zu werden. Wenn gegen bestimmte Gruppen gehetzt wird, Menschen beleidigt oder herabgewürdigt werden, wenn Gewalt verherrlicht oder antidemokratische Positionen beschönigt werden, wenn das Parlament als Volksvertretung lächerlich gemacht wird – dann können solche Kommentare (wie man sie nicht selten auf Facebook lesen kann) nicht im Rundblick erscheinen. So wie der Salafismus nicht zu Deutschland gehören kann, kann ein antidemokratischer, antiparlamentarischer Kommentar nicht zum Rundblick gehören. Zum Abschluss noch ein Blick in die Vergangenheit. Manche, die sagen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, kommen auf die christlich-jüdische Tradition des Abendlandes zu sprechen und reden von den Ursprüngen. Dieser historische Blick ist durchaus sinnvoll. Also der Vergleich: Der Rundblick erscheint seit mehr als 50 Jahren, und es hat tatsächlich Phasen gegeben, auch anfänglich, in denen dort kein Kommentar erschien, allenfalls mal eine Glosse. Ist der Kommentar deshalb wesensfremd? Nein, denn auch jetzt, mit viel mehr Kommentaren in den Rundblick-Ausgaben als in früheren Zeiten, bleiben die Kernelemente doch die Nachricht und der Hintergrund. So wie ein Kommentar nicht den Charakter dieses Politikjournals verändert, gefährden auch die Erscheinungsformen des Islam in Deutschland nicht die christlich-jüdische Tradition des Abendlandes. Wer es anders darstellt, würde die Wahrheit verzerren. Mail an den Autor dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #57.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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