13. Nov. 2025 · 
TagesKolumne

Gehöre ich noch zu den Guten?

Es wird immer komplizierter auszumachen, wer auf der Seite der Guten steht. Die Tageskolumne wird ein bisschen kleinlaut.

Es wird immer komplizierter auszumachen, wer auf der Seite der Guten steht. Wer bisher dachte, er wäre ganz gut aufgestellt, findet sich ratz-fatz auf der Seite der Dauerempörten, der Besserwisser und Moralpolizei einsortiert. Bisher dachte ich auch, ich wäre ganz gut aufgestellt: Ich fahre Fahrrad, halte Tofu-Geschnetzeltes für besser als seinen Ruf und trenne meinen Müll. Seit ich beim Rundblick für Gesundheit und Soziales zuständig bin, habe ich noch eine Schippe draufgelegt: Ich gehe regelmäßig zum Yoga und ermahne Leute, nett zu sich selbst zu sein und auch mal zu Hause zu bleiben, wenn sie von Husten geschüttelt werden.

Aber es gibt Momente, da merke ich, dass die Latte höher hängt: Zum Beispiel, wenn eine Pressemitteilung vom Sozialministerium kommt. „Schon häufig habe ich auf die Gesundheitsrisiken des Trinkens hingewiesen“, schrieb Andreas Philippi neulich. Ja, das stimmt. Nachdrücklich setzt sich der Gesundheitsminister für ein Verbot des „Begleiteten Trinkens“ ein, was in der Tat ein fürchterlicher Begriff ist. Dann denke ich jedes Mal kleinlaut an meine ersten zwei Gläser Wein. Es war ein schöner Sommerabend mit Onkel und Tanten, der Wein war süß und erst, als ich aufstand, bemerkte ich, dass etwas anders war als sonst. Ehrlich gesagt bin ich heute noch dankbar, dass ich diese Erfahrung mit Menschen gemacht habe, die es gut mit mir meinten. Die meine Situation niemals ausgenutzt hätten und mich sicher nach Hause brachten.

Young group of friends relaxing in a bar, cheering with their alcoholic drinks (cocktails and beer). Close-up.
Es ist kompliziert mit dem Alkohol. | Foto: urbazon via GettyImages

Natürlich verstehe ich, was Andreas Philippi meint: Dass Kinder nicht lernen sollen, Alkoholkonsum sei ein Gradmesser fürs Erwachsensein oder für den Erfolg eines Abends. Aber es fühlt sich nicht gut an, plötzlich auf der Seite der schlechten Vorbilder zu stehen - wie wahrscheinlich die meisten Menschen in Niedersachsen und im größeren Teil der Welt. Bei den schönsten Ereignissen meines Lebens gab es Alkohol. Alkohol ist unfassbar eng mit fast allem verbunden, was mir lieb ist. Und er führt unfassbar oft dazu, dass Menschen verlieren, was ihnen lieb ist: die Kontrolle über sich selbst, die Freiheit zu entscheiden, die Achtung ihrer Liebsten. Jeder Zehnte hat ein Suchtproblem, sagen Fachleute. Warum ich Ihnen das erzähle? Am heutigen Donnerstag ist der „Aktionstag Suchtberatung“. An dieser Stelle: Respekt für die 75 Suchtberatungsstellen in Niedersachsen, die Überlebenshilfe leisten in diesem seltsamen Minenfeld aus widersprüchlichen Erwartungen!

Minenfelder (zumindest im übertragenen Sinn) gibt es noch mehr in Niedersachsen:

  • Bisher sitzt die AfD im Kontrollgremium des Landtags für den Verfassungsschutz. Nun wollen SPD, CDU und Grüne, dass sich das ändert. Doch der Plan erntet Kritik von Juristen.


  • Wie kann das Land vermeiden, dass Extremisten von staatlichen Zuwendungen profitieren? Die CDU legt dazu jetzt einen Vorschlag für zwei Gesetzesänderungen vor.


  • Im Wolfsland Niedersachsen warten viele auf einen neuen Kurs in Sachen Wolf. Doch die Bundesregierung tut sich schwer mit konkreten Gesetzentwürfen.


  • Außerdem: IG Metall und Volkswagen verhandeln, die NOZ kauft ein, Anfeindungen gegen Frauen nehmen zu und die SPD in Cuxhaven streitet.

Ich wünsche Ihnen einen Donnerstag auf der richtigen Seite!

Ihre Anne Beelte-Altwig

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #201.
Anne Beelte-Altwig
AutorinAnne Beelte-Altwig

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail