Holger Hennies, Landwirt aus Uetze (Region Hannover), ist Vorsitzender des Umweltausschusses im Landvolk Niedersachsen. Im Gespräch mit Isabel Christian erklärt er, dass die Landwirte keineswegs gegen mehr Klimaschutz seien, das geplante Gesetz aus ihrer Sicht aber lückenhaft bleibe.

Rundblick: Herr Hennies, in der Begründung des geplanten Klimaschutzgesetzes heißt es, das Landvolk lehne ein Klimaschutzgesetz ab. Wieso?

Hennies: Nein, grundsätzlich lehnen wir ein Klimaschutzgesetz natürlich nicht ab. Aber ein solches Gesetz ist Bundessache und deshalb auf Landesebene eigentlich nicht notwendig.

Rundblick: Aber Sie üben auch Kritik an den Klimaschutzzielen…

Hennies: Ja, weil einiges nicht ganz durchdacht ist. Die Errechnung der Klimabilanz zum Beispiel. Will man den CO₂-Ausstoß um 80 bis 95 Prozent zurückfahren, bedeutet das für die Landwirtschaft, dass sie quasi gar nichts mehr produzieren darf, oder so wenig, dass es nicht mehr für die Versorgung reicht. In der Klimabilanz muss die Landwirtschaft also einen Sonderstatus bekommen.

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Rundblick: Wie könnte so ein Sonderstatus aussehen?

Hennies: Es müsste die CO₂-Bilanz der Landwirtschaft insgesamt berücksichtigt werden. Denn momentan wird nur gezählt, was die Landwirtschaft an CO₂ produziert, aber nicht, was sie bindet. Denn nicht nur Bäume binden CO₂, auch die landwirtschaftlichen Produkte wie Gemüse oder Getreide speichern das Kohlenstoffdioxid. Und das Speichervolumen ist sogar größer als der Ausstoß. Weltweit macht die Landwirtschaft sieben Prozent der Gesamtemission aus, das sind etwa 2,7 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr. Aber durch die Bindung in Biomasse werden rund 16,6 Millionen Tonnen CO₂ gespeichert. Das wird in der Bilanz aber nicht angerechnet. Denn dann müsste ja auch jeder Mensch, der das Gemüse isst und damit das Kohlenstoffdioxid wieder freigibt, als CO₂-Quelle gelten.

Rundblick: Das heißt, eigentlich muss die Landwirtschaft gar nichts reduzieren…

Hennies: Nein, ein paar Stellschrauben, an denen wir drehen können und sollen, um besseres Klima zu erreichen, gibt es schon. Das wären der Methanausstoß, die Stickstoffbelastung und die Moore.

Rundblick: Welche Veränderungen sind da möglich?

Hennies: In der Stickstoffbelastung wird sich mit der neuen Düngeverordnung viel tun, wir merken schon jetzt, dass die Betriebe massiv umrüsten müssen. Denn jetzt kann ja auch kontrolliert werden, ob sie sich wirklich an die Höchstmengen halten. Was das Methan angeht, da kann die Lösung nur auf globaler Ebene gefunden werden. Denn die Begrenzung der Tiere pro Quadratmeter bringt gar nichts. Der Richtwert sollte die Äquivalenz des CO₂-Ausstoßes zu einem Liter Milch sein. Der Wert sinkt, je mehr produziert wird. Das heißt, man sollte statt der Begrenzung der Anzahl der Tiere lieber dafür sorgen, dass die Kühe mehr Milch produzieren.

Rundblick: Wie kann es sein, dass der CO₂-Ausstoß sinkt, wenn mehr produziert wird?

Hennies: Weil die Kuh in der Lage ist, ein Vielfaches mehr an Milch zu geben als CO₂ auszustoßen. Wenn sie statt ein paar Hundert Liter 10.000 Liter im Jahr gibt, dann kann es natürlich sein, dass sie auch doppelt so viel CO₂ abgibt, doch das ist immer noch weitaus geringer als der Ertrag. In Deutschland etwa, wo Kühe sehr viel Milch geben, liegt die Äquivalenz bei 1,2 Kilogramm CO₂ pro Liter, in Südeuropa bei 2,5 Kilogramm. Und in Afrika, wo die Kühe sehr wenig Milch geben, bei 7 Kilogramm. Deshalb ist es für den Klimaschutz kontraproduktiv, die Zahl der Kühe zu begrenzen und den Bedarf lieber aus anderen Ländern zu decken, in denen die Produktion mehr CO₂ verursacht.

Rundblick: Das Gleiche gilt auch für die Umwandlung von Ackerflächen in Wald…

Hennies: Genau. Wir sprechen uns dafür aus, dass der Wald in sich so gut es geht zur Speicherung von CO₂ genutzt wird und brachliegende Flächen und Seitenränder bewaldet werden. Aber die Ausdehnung der Forstwirtschaft zulasten der Landwirtschaft verschlimmert das Problem nur. Denn der Nahrungsbedarf muss ja gedeckt werden. Um das durch Import zu erreichen, müssten für einen Hektar Wald in Deutschland etwa in Indonesien oder Südamerika drei Hektar Wald abgeholzt werden. Denn dort wird weniger effektiv produziert. In Deutschland wirft ein Hektar Ackerland etwa sieben bis acht Tonnen Getreide ab. In vielen anderen Ländern sind es nur zwei bis drei.

Rundblick: Sie haben auch die Moore als Stellschraube erwähnt.

Hennies: Ja, aber das ist sehr kompliziert. Denn wir halten nichts davon, neue Moore anzulegen. Wir haben einfach nicht mehr die klimatischen Bedingungen, wie sie waren, als die Moore entstanden sind. Heute ist es um einiges wärmer. Werden frühere Moorflächen wieder stark und dauerhaft vernässt, so entstehen Sümpfe und es steigt erst mal viel mehr Methan auf, als CO₂ gespeichert wird. Wir wollen aber keine Sümpfe.

Rundblick: Was schlagen Sie stattdessen vor?

Hennies: Eine schonende Nutzung der bestehenden Moore. Über einen bestimmten Zeitraum im Jahr sollten die Flächen komplett durchgenässt werden. Danach sollte die Nässe abgesenkt und die Moore sollten beweidet oder gemäht werden. Dazu braucht man aber ein intelligentes Wassermanagement, das sich an den Bedürfnissen der einzelnen Moore orientiert. Pauschale Regelungen per Gesetz helfen da nicht. Im Prinzip muss für jedes einzelne Gebiet ein Nutzungsplan erstellt werden, der sich an den individuellen Voraussetzungen orientiert. Dabei könnte ähnlich wie bei der Wasserschutzkooperation eine Moorkooperation sinnvoll sein.