Fünf Fragen nach München
Darum geht es: In München hat ein Amokläufer neun Menschen und sich selbst getötet. Zu den Folgen ein Kommentar von Klaus Wallbaum:
Ein 18-Jähriger zieht mordend durch ein Münchener Einkaufszentrum. Neun Menschen werden vom Täter erschossen, die meisten junge Leute. Deutschland wirkt geschockt und ratlos. Wie konnte das geschehen? Amokläufe hat es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben, aber etwas ist heute anders als nach Erfurt 2002 und Winnenden 2009: Am Freitag, als die erschütternden Fernsehbilder weltweit ausgestrahlt wurden, schwang die Terrorangst mit. Ist hier eine islamistische Gruppe am Werk, die sich in der Stadt verteilt hat und in kürzester Zeit Folgeanschläge verüben will – so wie in Paris im vergangenen November? Es war nicht so, aber klar ist auch: In diesen Zeiten, da bald jeden Tag von neuen Terrorakten, Umsturzversuchen, Amokläufen und Bombenattentaten berichtet wird, scheint die Hemmschwelle für Gewalttäter international extrem gesunken zu sein. Die Bereitschaft zu Anschlägen, ob von einzelnen oder von Gruppen, ob mit islamistischem Hintergrund, aus Fremdenfeindlichkeit oder nur persönlicher Verzweiflung, scheint so groß zu sein wie selten zuvor. Auch wenn die Statistiken das für Deutschland nicht belegen: Es brodelt überall.
Jetzt ist eine nüchterne Analyse angesagt, und mehrere Fragen sollten einmal gründlich erörtert werden.
Ist die Polizei, die in München vorbildlich Präsenz gezeigt hat, für die gegenwärtige Bedrohungslage ausreichend ausgestattet? Was ist, wenn die derzeit weltweit spürbare Unsicherheit noch viel länger anhält? Brauchen wir mehr Polizisten und deren Unterstützung durch Soldaten im Inland, brauchen wir auch bessere Waffen für die Polizei?
Ist es wirklich richtig, den Kampf gegen gewaltverherrlichende Computerspiele mit Verweis auf das Internet verloren zu geben? Oder brauchen wir hier verstärkte internationale Anstrengungen? Unbestreitbar scheint doch mittlerweile, dass diese Spiele die Gewaltbereitschaft absenken.
Ist der öffentliche Raum in Deutschland schon ausreichend geschützt – oder brauchen wir vor Großereignissen, bei Großveranstaltungen oder auch nur in großen Gebäuden mehr Kontrollen und mehr Videoüberwachung? Sicher hätte das den Münchener Amokläufer auch nicht abgehalten, aber vielleicht wäre der Mann, der gefährliche Waffen bei sich trägt, früher irgendwo aufgefallen und hätte aufgehalten werden können.
Ist eine frühzeitige Hilfe für junge Menschen, die persönliche Niederlagen erleben, depressiv werden und sich irgendwann nur noch rächen wollen (oder in radikale Gruppen abdriften), angemessen organisiert? Haben wir hier schon eine Kultur des Hinsehens und Helfens?
Ist der Staat fit genug bei der Überwachung von Gruppen, in denen spätere Selbstmordattentäter rekrutiert werden? Der 18-Jährige in München hätte so nicht aufgehalten werden können, aber es gibt viele andere Jugendliche, die sich von islamistischen oder rechtsextremen Gruppen längst verführen lassen. Safia S., die im Februar in Hannover einen Polizisten angegriffen hatte, ist ein Beispiel dafür.
Es wäre zu wünschen, dass diese Fragen sachlich erörtert werden – frei von Wahlkampfgeklingel oder ideologischen Schaukämpfen.