Wohin man auch hört, über Friedhelm Meier (63), den bisherigen Leiter der Abteilung für Flüchtlingsangelegenheiten im Innenministerium, reden alle Seiten gut. Ob Sozialdemokraten oder Christdemokraten, Grüne oder Liberale – Meier, ein SPD-Mann, gilt als unbestechlich und seriös, gewissenhaft und durchsetzungsstark. Vor allem ist er einer, der vermitteln und zusammenführen kann, und das auf eine ruhige, besonnene Art. Nun hat er sich, still und bescheiden in der für ihn typischen Art, in den Ruhestand verabschiedet. Fast schon unauffällig. Man ist versucht zu sagen: Wie einer, der Meier heißt.

Personalwechsel wirft Schlaglicht auf das Innenministerium

So räumt einer der wichtigsten Leute im Innenministerium, einer mit der längsten Erfahrung in dieser Behörde, seinen Platz für einen Jüngeren. Doch für wen? Der Nachfolger ist schon ausgeguckt, es ist jemand, der Meier in vielen Eigenschaften gleicht. Derzeit wirft dieser Wechsel ein Schlaglicht auf das Innenministerium. Die Behörde von Minister Boris Pistorius steht sowieso vor einer größeren Erneuerung.

Ministerbüroleiter Thorsten Kornblum, ein enger Vertrauter des Ministers, wechselt im Februar als Dezernent in die Stadt Braunschweig – womöglich als jemand, der dort später noch zum Oberbürgermeister aufsteigen könnte. Dann ist Meiers Stelle, die Kornblum eigentlich übernehmen sollte, neu zu besetzen. Es geht um die Abteilung für Migration, jene Einheit, die sich vor allem um die Flüchtlingspolitik kümmert, um Asylrecht und Ausländerrecht und um die Unterkünfte für Zugewanderte. Das ist ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt des Ministeriums, eine absolut wichtige Personalie.

Auch Prof. Jürgen Sucka, Leiter der Abteilung für Digitale Verwaltung und Informationssicherheit, verabschiedet sich Ende dieses Monats in den Ruhestand. Diese Aufgaben, nämlich die Modernisierung der Landesverwaltung mit neuen Technologien und der bessere Schutz vor Cyber-Angriffen, sind von herausragender, stetig wachsender Bedeutung. Das heißt: Hier sind Vollprofis gefordert. Eine Stabstelle will Pistorius dafür aufbauen, und Suckas Abteilung erhält gleichzeitig einen neuen Schwerpunkt, nämlich das Recht. Cybersicherheit und Digitalisierung der Verwaltung werden so zwangsläufig stärker der politischen Führung von Minister und Staatssekretär zugeordnet. Man kann auch sagen: Diese Vorhaben werden politisiert, ihre Priorität innerhalb des Ministeriums steigt. Das Kabinett hat dies gestern abgesegnet.

Meiers Mammutaufgabe: die Auflösung der Bezirksregierungen

Während die Landespolitik rätselt, wie sich Pistorius‘ behördeninterne Reformpläne entwickeln werden, verdient der Abgang von Meier eine Würdigung. Der Verwaltungsmann ist Sozialdemokrat, macht daraus auch keinen Hehl und wirkt sogar aktiv mit – in der Kommunalpolitik im Dorf Northen bei Gehrden (Region Hannover). Seine Frau hat dort lange im Kirchenvorstand gearbeitet, die beiden sind in der Ortschaft gut vernetzt und wohl gelitten. Wie es für so viele ehrenamtliche Kommunalpolitiker gilt, trifft auch für Meier die hervorstechende Eigenschaft zu, höchst pragmatisch und effektiv zu arbeiten.

Politische Debatten führt er nie ideologisch und verkrampft, jedes Problem ist für ihn ein Auftrag, möglichst schnell eine Lösung zu finden, die alle Seiten zufrieden stellen kann. Nicht seine SPD-Mitgliedschaft hat diesen Mann bekannt gemacht, sondern seine zutiefst umgängliche Art. Bis 2015 leitete Meier die Allgemeine Abteilung im Innenministerium, war vor allem für die Personalplanung zuständig. Das galt auch schon unter Pistorius‘ Vorgänger Uwe Schünemann von der CDU. Personalplaner haben die oft schwierige Aufgabe, Beamte von A nach B zu schieben – und oft spielen in solchen Fragen auch parteipolitische Gesichtspunkte eine Rolle, beispielsweise dann, wenn nach einem Regierungswechsel der neue Minister seine Getreuen um sich scharen möchte. Meier hat diese Aufgabe immer so erledigt, dass die Ergebnisse schwer angreifbar waren – denn es gelang ihm in den allermeisten Fällen, eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Und unaufgeregt lief das auch meistens ab. Das war eine Mammutaufgabe vor allem, nachdem 2005 die Bezirksregierungen aufgelöst wurden. Meier hat sie bewältigt.


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Überzeugungskraft und Verhandlungsgeschick musste er danach vor allem in der Flüchtlingsfrage einsetzen, wenn auch von 2017 an die Zeichen eher auf Entspannung standen. Meier wusste, dass Niedersachsen das nächste Mal besser vorbereitet sein muss als im 2015. Das Land hatte zwischenzeitlich größere Unterkünfte so ausgerichtet, dass dort vorübergehend auch sehr viele Menschen untergebracht werden können, mit allen Details auch bis zu den Sanitäreinrichtungen. Einige frühere Kasernen wurden mit Feldbetten und Matratzen ausgestattet. Womöglich wäre so manche pragmatische Regelung nicht möglich gewesen, wenn Meier nicht eine andere seiner Stärken hätte nutzen können – nämlich die, dass er Hinz und Kunz kennt. Meier war vertraut mit den Landräten, Bürgermeistern und anderen Entscheidungsträgern, er weiß auch viel über alle wichtigen Leute in der Landesverwaltung. Zu fast jedem kennt er den jeweiligen Vorgänger und auch dessen Vorgänger. Keiner wie er ist so gut vernetzt, kann auf die Schnelle so rasch Kontakte nutzen.

Ein Prototyp des Ministerialbeamten

Wie kam es dazu? Meier, in Hannover geboren, ist ein alter Hase der Landesverwaltung. 1983, als junger Mann, war seine Station die Bezirksregierung Braunschweig, dort lernte er den engagierten jungen Kommunalpolitiker Gerhard Glogowski kennen. 1990 kam er ins Innenministerium, wirkte dann an der ersten großen Polizeireform der ersten rot-grünen Landesregierung mit. Danach hatte er schon einmal mit Ausländerfragen zu tun, zu der Zeit, als ein großer Flüchtlingsstrom mit dem Asylkompromiss im Grundgesetz eingedämmt werden sollte. Dann war Meier im Stab für die Verwaltungsreform der 90er Jahre, fertigte – obwohl Anhänger der Bezirksregierung – für CDU-Minister Schünemann Personalkonzepte für die große Verwaltungsreform, wurde danach zuständig für das Beamtenrecht und entwickelte sich dort zum bundesweit geachteten Fachmann.

Hier geht ein Prototyp des Ministerialbeamten: geschmeidig im Auftreten, verbindlich im Ton – aber, wenn es darauf ankommt auch mit Widerworten gegenüber der Politik. Der fachliche Rat, den ein Beamter zu geben hat, erfordert eben manchmal auch ein Nein gegenüber Ideen, die aus Sicht des Ministers zwar opportun wären, aber rechtlich angreifbar sind. Meier verstand auch das, aber solche Aktionen blieben stets intern und drangen nicht nach außen. Verschwiegenheit zählt nämlich auch zu seinen Prinzipien. (kw)