Dass es einfach werden würde für die neue niedersächsische Agrarministerin, hatte niemand erwartet. Aber zeigen sich schon jetzt, nur knapp vier Monate nach Amtsantritt, die erste Grundsatzkonflikt in der Agrarpolitik zwischen der Ministerin mit Grünen-Parteibuch und der traditionellen Landwirtschaft? Es mehren sich derzeit die Berichte von Veranstaltungen im Agrarsektor, bei denen die Ministerin spontan doch nicht teilnehmen konnte – oder wollte.

Manche deuten das als „politischen Schnupfen“ oder gar etwas bösartig „Feigheit vor dem Feind“, wenn diese martialische Wortwahl überhaupt angemessen sein kann. Abgesagt hat die Ministerin kürzlich ihr Erscheinen bei der 75-Jahr-Feier des Kreislandvolkverbands Cloppenburg sowie bei einer Veranstaltung beim Kreislandvolkverband Oldenburg-Land in Wardenburg. Bei der erstgenannten Veranstaltung übernahm mit Cord Stoyke die Vertretung, Abteilungsleiter 1 im Agrarministerium und immerhin die Nummer drei nach der Ministerin und dem Staatssekretär. Bei der zweiten Veranstaltung, zu der die Ministerin relativ kurzfristig nicht erscheinen konnte, sprang dann auf inoffiziellem Wege Marco Mohrmann ein, der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion.
„Generell äußern wir uns nicht detailliert zum Kalender der Ministerin.“
Das Landesagrarministerium weist derweil jedwede Vorwürfe in dieser Angelegenheit weit von sich. Die Absagen hätten „selbstverständlich“ nichts mit „Geringschätzung gegenüber der Veranstaltung oder den Veranstaltern“ zu tun, lässt die Pressestelle auf Nachfrage wissen. Zudem seien beide Absagen einige Tage im Voraus und aufgrund anderweitiger kurzfristig anberaumter Gespräche beziehungsweise Termine geschehen. Welche Termine die Ministerin stattdessen wahrgenommen hat, will man auf konkrete Nachfrage allerdings nicht beantworten. Man würde sich „generell nicht detailliert zum Kalender der Ministerin äußern“, heißt es in der schriftlichen Antwort. Allerdings wird entschuldigend beziehungsweise „einordnend“ hinzugefügt, dass die Ministerin sehr wohl Termine mit Vertretern der Landwirtschaft wahrnehme. Seit Amtsantritt stünde die Ministerin regelmäßig im Austausch mit dem niedersächsischen Landvolk und sei auch bei der zentralen 75-Jahr-Feier im Dezember in Hannover dabei gewesen. In der vorvergangenen Woche habe man Gespräche mit dem Landvolk Weserbergland und mit Landwirten in der Wesermarsch geführt. Im Februar sei die Ministerin auf dem Neujahrsempfang des Landvolks in Jaderberg sowie bei der Mitgliederversammlung des Bauernverbands Nordostniedersachsen in Uelzen gewesen. Noch in der vergangenen Woche habe Ministerin Staudte außerdem am „Bauernfrühstück“ der Volksbank Jever teilgenommen.
Woher kommt nun die Mutmaßung, die Ministerin scheue den Kontakt zu den Landwirten? Womöglich ist es gar nicht das Gespräch oder der politische Austausch als solcher, der ihr derzeit Unbehagen bereitet, sondern nur gewisse Formate: die repräsentativen Termine, bei denen zwar Reden gehalten werden, aber kein echter Austausch stattfinden kann. Diese Erzählung wird zumindest genährt durch ein Ereignis, das gut einen Monat zurückliegt. Anfang Februar ist es bei den „Norddeutschen Obstbautagen“ zu einem kleinen Eklat gekommen. Die Ministerin soll Berichten von Anwesenden zufolge die Veranstaltung erzürnt verlassen haben. Vorausgegangen war die Rede eines Jungmeisters, der als Jahrgangsbester an diesem Tage ausgezeichnet worden war und daher traditionell das Recht erhalten hatte, in klaren Worten zur aktuellen Politik Stellung zu beziehen. Wie Teilnehmer gegenüber dem Politikjournal Rundblick berichtet haben, soll besagter Jungmeister Simon Kossack seine Rede angepasst haben, noch während die Ministerin sprach, weil ihm die Ausführungen Staudtes angeblich gar nicht gefallen haben. Weil die Ministerin den ökologischen Obstbau in besonderer Weise gelobt hatte und dabei gesagt haben soll, dass beim Ökolandbau „nicht gespritzt“ würde, soll der Jungmeister ihr vorgeworfen haben, „keine Ahnung“ zu haben. An dieser Stelle soll die Stimmung gekippt sein, wie Teilnehmer berichten. Die Ministerin habe daraufhin das gemeinsame Verspeisen von Schinkenbroten abgelehnt, die Veranstaltung verlassen und so habe sich der Eindruck eines „Nicht-Verhältnisses“ zwischen Gastgebern und Ministerin eingeprägt, heißt es. Bei diesem Ereignis ist es aber nicht geblieben. Wie das Agrarministerium gegenüber dem Politikjournal Rundblick auf Nachfrage mitgeteilt hat, wird derzeit ein Gesprächstermin mit der Fachgruppe Obstbau des Landvolks Stade gesucht. Der Gesprächsfaden sei also nicht gänzlich abgerissen.

In Agrar-Kreisen machte die Erzählung von dem Vorgang bei den Obstbautagen natürlich dennoch bereits die Runde. Dabei vermengte sie sich, womöglich getrieben von Kräften, die der Ministerin nicht wohlgesinnt sind, mit der Information über die Absagen anderer Landvolk-Veranstaltungen zu der Annahme, die Ministerin habe kein Interesse mehr an der Kooperation mit der traditionellen Landwirtschaft. Ob daran etwas Wahres dran ist? Womöglich nicht mehr, als dass die Ministerin derzeit die kleine Runde der großen Bühne vorzieht. Allerdings muss sie wohl aufpassen, meinen Beobachter, die das Geschehen vertraulich analysieren: Es dürfe nicht einmal der Eindruck entstehen, sie interessiere sich nicht für die traditionelle Landwirtschaft. Denn ein Kontaktabbruch wäre nicht nur für die Bauern ein Nachteil, sondern auch für Staudte. Zwar ließe sich einwenden, dass eine Agrarministerin mit Grünen-Parteibuch nicht so sehr auf die traditionell arbeitenden Landwirte angewiesen ist. Doch verantwortlich für diese Gruppe bleibt sie allemal. Niemals wird der Ökolandbau der Standard sein und wohl auch gar nicht sein können, wenn die Bevölkerung noch ernährt werden soll, heißt es. Wolle die Ministerin die Landwirtschaft dennoch ein bisschen grüner machen, brauche sie die Mitarbeit der Mehrheit der Landwirte im Land. Denn sonst tut sich nichts.
Dabei ist die Ausgangslage schwierig genug. Die Frustrationstoleranz auf den Höfen dürfte angesichts der radikalen Umbrüche in dem Sektor gering sein. Es ist nicht lange her, dass erboste Landwirte zu Tausenden mit ihren Traktoren in der Landeshauptstadt vorgefahren sind, um vor dem Landtag oder den Ministerien zu protestieren. Die frühere Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) hat sich in solchen Situationen stets auf die Landwirte zubewegt und mit ihnen den Austausch gesucht – auch dann, wenn sie als Vertreterin „der Politik“ dabei mal hart angegangen wurde. Otte-Kinast konnte mit dieser Situation umgehen. Ob Staudte das auch kann, muss sich wohl erst noch zeigen.