Freie Schulen in Niedersachsen fürchten um ihre Autonomie
Die freien Schulen in Niedersachsen fürchten um ihre Autonomie. Auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Freie Schulen soll heute in Hildesheim ein Rechtsgutachten vorgestellt werden, das die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorf- und Rudolf-Steiner-Schulen in Auftrag gegeben hatte. Dabei geht es um die Neuausrichtung der Schulaufsicht. Streitpunkt ist ein Projektbericht der Landesschulbehörde aus dem Februar 2015. Die Behörde setzt darin unter anderem auf standardisierte, regelmäßige Überprüfungen der freien Schulen, wie sie bei öffentlichen Schulen üblich sind.
Die freien Schulen sehen darin eine mögliche Gefährdung der verfassungsrechtlich geschützten Privatschulautonomie. Die Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf von der Universität Hannover sieht in dem Ausüben der Fachaufsicht bei freien Schulen einen Verfassungsverstoß. Auch eine anlasslose, turnusgemäße Rechtsaufsicht sei verfassungswidrig. Ein weiterer Konfliktpunkt ist das Schulgeld. Nach Auffassung der Landesschulbehörde darf es nicht über 200 Euro im Monat liegen. In dem Rechtsgutachten heißt es dazu: „Stellen Ersatzschulen den Besuch von Kindern einkommensschwacher Eltern durch eine soziale Staffelung des Schulgeldes oder auf andere Weise sicher, ist ein Schulgeld von über 200 Euro pro Monat für Kinder einkommensstarker Eltern mit dem Gesetz vereinbar.“
Die Schulaufsicht könne freie Schulen nicht genauso behandeln wie öffentliche, sagt Heike Thies, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Niedersachsen, im Gespräch mit dem Rundblick. „Wir müssen zwar in unseren Lern- und Erziehungszielen öffentlichen Schulen entsprechen, dürfen aber in den Lehr- und Erziehungsmethoden sowie in den Lehrstoffen abweichen.“ Als Beispiel nennt Thies eine Montessorischule, die jahrgangsübergreifend arbeitet und in der Kinder sehr selbstbestimmt Entscheidungen treffen können. „Wenn die Schulaufsicht dort einen Klassenraum prüfen will, dann gibt es den gar nicht, weil die Kinder dort arbeiten können, wo sie für sich die beste Lernumgebung sehen. Auch die Lerngruppen unterscheiden sich von öffentlichen Schulen. Das sind unsere pädagogischen Freiheiten, und die müssen berücksichtigt werden“, fordert Thies. Die freien Schulen könnten nicht nach den Stundentafeln der öffentlichen Schulen geprüft werden. Die Freiräume seien schließlich auch grundgesetzlich gesichert.
Die Arbeitsgemeinschaft sei jetzt mit dem Kultusministerium in einem konstruktiven Gespräch. „Wir machen deutlich, dass unsere Freiräume nicht eingeschränkt werden können“, so Thies. Es müsse klar sein, was die Privatschulautonomie bedeute. Im schlimmsten Fall würde eine Schule gegen die Prüfung klagen.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #195.