15. Sept. 2020 · 
Bildung

Fraktionen halten den Medienstaatsvertrag für einen „Meilenstein“

In dem Jahr, als der letzte Rundfunkstaatsvertrag unterzeichnet wurde, entstanden in Ostdeutschland der Mitteldeutsche- und der Ostdeutsche Rundfunk, der später im Rundfunk Berlin Brandenburg aufging, RTL hieß noch RTL plus und das NDR-Programm „N-Joy“ sollte erst drei Jahre später auf Sendung gehen. Die ersten Flachbildfernseher kamen gerade erst in den Handel und kosteten fünfstellige Summen, und Radio wurde generell über UKW gehört. Es war das Jahr 1991 und die Medienwelt war noch relativ unkompliziert. In dieser Woche hat der Landtag mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und FDP den Medienstaatsvertrag beschlossen, der sich eben nicht mehr nur auf den Begriff „Rundfunk“, der bereits Anfang der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts entstand, bezieht, sondern versucht, den digitalen Wandel in den Regelungen aufzunehmen. Von einem „Meilenstein“ war in der Landtagsdebatte gleich mehrmals die Rede. Allein die AfD stimmte gegen den Vertrag, weil dieser das „Ausufern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ zementiere.
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Ziel des neuen Staatsvertrags ist es nicht nur, die Angebote auf Youtube und anderen Internet-Kanälen ebenfalls zu regeln, sondern auch, den Fokus nicht nur auf große Medienhäuser zu legen. Denn „Rundfunk“ kann heute jeder machen, diesen auch vom heimischen Wohnzimmer aus verbreiten und dabei breite Zielgruppen erreichen. Christian Krebs, Direktor der Landesmedienanstalt in Niedersachsen, sagte kürzlich im Rundblick-Podcast, dass gerade die Jüngeren mit dem klassischen linearen Fernsehen häufig nicht mehr viel anfangen könnten und stattdessen Youtube-Videos anschauten. Dadurch gebe es aber neue Player im Markt, die auch nach gewissen Grundregeln spielen müssten.

Antwort auf veränderte Zeiten

Bisher gab es hier eine Schieflage bei den Kontrollbehörden, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sprach in der Landtagsdebatte von einer „Art Anarchie für die neuen Anbieter“. „Die Aufsicht für die alten Anbieter ist bis ins Detail geregelt. Bei den anderen, deren Bedeutung immer weiter wächst, gibt es aber kein richtiges Feld für die Aufsicht.“ Meinungsvielfalt und Transparenz müssten aber gewahrt bleiben. Insofern sei der neue Staatsvertrag ein „deutlicher Schritt vorwärts für eine kohärente Netzpolitik“. https://www.youtube.com/watch?v=pKS2cXAgLm8&feature=emb_title Mit dem neuen Staatsvertrag gebe man die Antwort auf veränderte Zeiten, sagte der SPD-Medienpolitiker Alexander Saipa. Lasse Weritz von der CDU meinte, man schaffe mit dem Wechsel ein veraltetes System ab, das nicht mehr geeignet sei, Medien heutzutage zu regeln. FDP-Fraktionschef Stefan Birkner sprach von „Leitplanken für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt im digitalen Zeitalter“. Alle Anbieter müssten in die Pflicht genommen werden, gerade in Zeiten von Fake-News müsse dort, wo journalistischer Anspruch suggeriert werde, auch der Sorgfaltsanspruch erfüllt werden. Durch den neuen Vertrag müssen möglicherweise auch kleinere Anbieter von Live-Streams, die zum Beispiel auf Youtube senden, Zulassungen beantragen. Keine Zulassungsregeln gibt es für diejenigen, die durchschnittlich weniger als 20.000 Nutzer gleichzeitig erreichen. Geregelt wird auch, dass Medieninhalten mit einem gesellschaftlichen Mehrwert, also zum Beispiel lokale Informationen, auf Internetplattformen in der Masse der Angebote untergehen dürfen. Das führte aber bereits zu Kritik aus der Digital-Branche, die befürchtet, dass damit einige Anbieter bevorzugt werden könnten. Gerade kleinere Medien könnten dadurch benachteiligt werden. Auch an anderer Stelle ist der neue Vertrag noch nicht perfekt, so wurde eine Richtlinie in Bezug auf die Barrierefreiheit noch nicht umgesetzt, was von mehreren Rednern im Landtag bemängelt wurde, unter anderem vom Grünen-Fraktionsvize Christian Meyer, der auch noch Lücken bei der Parteienfinanzierung sieht. So sei es nach wie vor möglich, jemandem zu verbieten, in der Stadt ein Plakat aufzustellen. Gleichzeitig könne derjenige dann aber bei Facebook Klicks kaufen oder Werbung schalten und diese aus dem Ausland bezahlen lassen. Man könne also das deutsche Parteiengesetz umgehen, und das sei vor allem ein wichtiger Punkt, weil soziale Medien in Wahlkämpfen eine immer größere Rolle spielten, so Meyer.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #162.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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