11. Nov. 2025 · 
Blick in die WirtschaftWirtschaft

Förderwettbewerb verloren: Warum MAN seine Batteriefabrik wohl nicht in Salzgitter baut

Niedrige Kosten und hohe EU-Förderquoten geben den Ausschlag: MAN dürfte seine neue Batteriefabrik in Osteuropa bauen. Für Salzgitter bleibt immerhin die Rolle als Logistikzentrum.

Im vergangenen Sommer galt Salzgitter noch als aussichtsreicher Kandidat für die nächste Batteriefabrik von MAN Truck & Bus. Die Volkswagen-Tochter hatte mit dem neuen Elektro-Lastwagen gerade einen erfolgreichen Marktstart hingelegt und der damalige Wirtschaftsminister Olaf Lies rührte bei einem Werksbesuch kräftig die Werbetrommel. „Salzgitter ist der richtige Standort für eine solche Batteriefabrik“, sagte er zuversichtlich. Doch die Stimmung hat sich gedreht: Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass der Traton-Konzern den Bau der Batteriefabrik ins Ausland verlagern könnte. Ausschlaggebend sind dabei offenbar nicht die Standortqualität, sondern die ungleichen europäischen Förderbedingungen.

Der chinesische Hersteller "Yutong" ist mit seinen Elektrobussen unter anderem in den skandinavischen Ländern auf dem Vormarsch. | Foto: Yutong

Bei MAN und der Konzernmutter Traton hat sich die Lage seitdem deutlich eingetrübt. „Geopolitische Konflikte und Zölle sowie anhaltend schwache Konjunktur – insbesondere in Deutschland – führen derzeit zu einer immer weiter sinkenden Investitionsbereitschaft bei vielen unserer Kunden“, teilte Unternehmenssprecher Jörn Roggenbuck auf Rundblick-Anfrage mit. „Wir sehen eine seit langem andauernde Nachfrageschwäche in unseren Truck-Kernmärkten, besonders in Deutschland. Gleichzeitig verschärft sich der Druck durch neue Wettbewerber." Der chinesische Elektrobushersteller "Yutong" geriet zwar kürzlich in die Schlagzeilen, weil die Fahrzeuge offenbar vom Hersteller ferngesteuert werden können. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Yutong-Bus mit einem Anteil von 14 Prozent den europäischen Elektrobus-Markt inzwischen dominiert. Der bisherige Marktführer MAN ist auf Platz 6 zurückgefallen und wurde 2024 bei den Zulassungszahlen auch von Mercedes, Wrightbus (Vereinigtes Königreich), Iveco (Italien) und Solaris (Polen) überholt.

"MAN hat aufgrund seiner starken Präsenz in Deutschland deutliche Nachteile durch hohe Energie- und Lohnkosten gegenüber etablierten und neuen Wettbewerbern aus dem Ausland", erklärt Roggenbuck. Hinzu komme, dass „durch die weitere Verschärfung der EU-Gesetzgebung bei den CO2-Zielen zusätzliche, erhebliche Belastungen“ drohten. Die notwendigen Antworten auf diesen Wandel wolle das Unternehmen mit Sitz in München „frühzeitig und konstruktiv gestalten“ – und dabei gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern Lösungen finden. „Sehr hohe Investitionen in Elektromobilität, Digitalisierung und Automatisierung sind notwendig“, so Roggenbuck. Dazu gehöre auch „der Bau einer dritten Fabrik für Batteriepacks der Traton Group“, für die „neben einem Standort in Deutschland auch weitere in Polen und der Slowakei geprüft“ würden.

Nach Einschätzung des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums stehen die Chancen für Salzgitter schlecht. „Auch wenn hinsichtlich der Ansiedlung der Batteriefabrik oder anderer notwendiger Neuinvestitionen noch keine finale Entscheidung gefallen ist, besteht dem Unternehmen zufolge aufgrund der wirtschaftlichen Analyse eine klare Tendenz zulasten des niedersächsischen Standorts“, sagt Ministeriumssprecher Florian Mosig. Nach Angaben von MAN seien die sogenannten Faktorkosten – also Energie- und Lohnkosten – in osteuropäischen Ländern derzeit rund 20 Millionen Euro pro Jahr günstiger.

MAN-Standortleiter Gerd Kubin (links) zeigt Olaf Lies den Prototyp einer Lastwagen-Batterie, wie er auch in Salzgitter gefertigt werden könnte. | Foto: Link

Das Wirtschaftsministerium steht nach eigenen Angaben bereits seit Mitte 2023 in engem Austausch mit MAN. In mehreren Gesprächen wurden die Standortbedingungen, mögliche Förderwege und die wirtschaftliche Perspektive des Werks in Salzgitter erörtert. Zuletzt kam das Thema auch im August erneut auf den Tisch – bei einem Treffen zwischen Ministerpräsident Olaf Lies und Konzernvertretern, bei dem es um künftige Neuinvestitionen und die Folgen der wirtschaftlichen Lage für die Beschäftigung ging. „Die Landesregierung hat zudem die Möglichkeiten des EU-Förderrahmens ausgeschöpft und einen Eigenanteil des Landes Niedersachsen im Falle einer Förderung in Aussicht gestellt“, heißt es aus dem Ministerium.

Die Unterschiede in der europäischen Förderlogik lassen sich dennoch kaum ausgleichen. Die Europäische Union erlaubt strukturschwächeren Gebieten deutlich höhere Zuschüsse bei den sogenannten Capex-Investitionen (Capital expenditures) in Maschinen und Anlagen als etablierten Industriestandorten. In Ländern wie Polen oder der Slowakei können dadurch bis zu 35 Prozent der Investitionssumme gefördert werden, in Deutschland höchstens 15 Prozent. Wie unterschiedlich die Spielräume ausfallen, zeigt das Beispiel Bayern: Für den Bau des ersten MAN-Batteriewerks in Nürnberg stellte der Freistaat rund 30 Millionen Euro Landesmittel bereit. Das war möglich, weil die Förderung als Erweiterung eines bestehenden Standorts und nicht als Neuansiedlung galt. In Salzgitter hingegen würde eine neue Produktionsstätte entstehen, für die die strengeren EU-Beihilferegeln greifen. Eine vergleichbare Förderung wäre hier nach geltendem Recht gar nicht zulässig.

Eröffnen die neue Logistikhalle (von links): Salzgitters OB Frank Klingebiel, MAN-Ersatzteillogistikchef Uwe Jens Unger, der Betriebsratsvorsitzende Hüseyin Uc und Logistikvorstand Michael Kobriger. | Foto: MAN Truck & Bus SE

Was bedeutet die Absage für den MAN-Standort in Salzgitter? Zunächst einmal keinen Einbruch. Das Werk bleibt ein fester Bestandteil des Konzerns. Rund 2300 Beschäftigte arbeiten hier auf mehr als einer Million Quadratmetern Fläche, darunter rund 800 in der Logistik. Die Kurbelwelle, einst das Kernprodukt des Standorts, verliert zwar an Bedeutung – Elektro-Lastwagen brauchen sie nicht mehr. Doch MAN nutzt die bestehenden Anlagen weiter für den neuen markenübergreifenden Motor CBE, bevor die Fertigung langfristig ausläuft. Gleichzeitig gewinnt der Standort als internationales Logistikzentrum innerhalb des Traton-Konzerns weiter an Gewicht. Das Herz der weltweiten Ersatzteilversorgung von MAN und Scania beliefert mehr als 120 Länder und ist vor Kurzem erst um eine sieben Fußballfelder große Halle erweitert worden. „Mit der Erweiterung schaffen wir die Grundlage, unsere Ersatzteillogistik für alle Antriebsarten weiter zu optimieren und die Zukunftsfähigkeit des Standorts Salzgitter zu sichern“, sagte MAN-Vorstand Michael Kobriger bei der Eröffnung im Mai. Hier werden insgesamt mehr als 220.000 Teile lagern, die innerhalb kürzester Zeit an Werkstätten und Servicepartner der Traton-Gruppe auf der ganzen Welt geliefert werden.

In nur einem Jahr wurde die neue Superhalle für das Logistikzentrum in Salzgitter gebaut. | Foto: MAN Truck & Bus SE

Für Niedersachsen ist das eine bittere, aber keine überraschende Entwicklung. Die industrielle Basis bleibt im Kern erhalten, doch die ganz großen Zukunftsinvestitionen finden woanders statt. Auch der von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) angekündigte Industriestrompreis dürfte daran wenig ändern. Selbst wenn die Energiekosten sinken, bleiben die Förderquoten in Osteuropa höher und die Produktionskosten niedriger. Für das Wirtschaftsministerium ändert sich dadurch nichts an der Bedeutung des Standorts. „Salzgitter bleibt eine tragende Säule im industriellen Gefüge Niedersachsens“, sagt Ministeriumssprecher Florian Mosig. Mit der Batteriezellfabrik der VW-Tochter PowerCo auf dem Gelände des ehemaligen Motorenwerks und den Aktivitäten von MAN im Bereich der Komponentenfertigung habe sich die Region zu einem wichtigen Standort für nachhaltige Mobilität und Energieinnovation entwickelt. „Die enge Verzahnung traditioneller Industriekompetenzen mit neuen Technologien trägt wesentlich zu Wertschöpfung, Beschäftigung und technologischer Souveränität bei. Deshalb ist die Landesregierung sehr bestrebt, diese Kompetenzen langfristig zu sichern."

Dieser Artikel erschien am 12.11.2025 in Ausgabe #200.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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