19. Dez. 2022 · Wirtschaft

Flughafen-Chef Hille sieht den Airport Hannover auf Dauer gut aufgestellt

Flughafen-Chef Raoul Hille verlässt nach fast 19 Jahren den Hannover Airport. Für die Ära danach ist das Unternehmen gut aufgestellt. | Foto: Link

Der Fluglotse geht von Bord: Hannovers Airport-Chef Raoul Hille (62) verabschiedet sich nach knapp 19 Jahren in den Ruhestand. Der gebürtige Bremer hat den Flughafen in Langenhagen als Alleingeschäftsführer durch die größte Krise seiner 70-jährigen Geschichte geführt und die Weichen für die Zukunft des Unternehmens gestellt. „Unsere Klima-Strategie sieht vor, dass wir 95 Prozent der CO2-Emissionen vermeiden – ohne Greenwashing, ohne Kompensationen“, sagt Hille im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick und verspricht: „Wir werden keine Bäume in Bolivien kaufen oder uns an Windparks beteiligen. Wir werden die Energie hier vor Ort einsparen.“ Durch den Umstieg der Beleuchtung auf LED sei bereits ein großer Schritt geschafft.

Bei der Energieerzeugung gibt es aber noch Handlungsbedarf. Der Flughafen versorgt sich weitgehend selbst mit Strom und Wärme, doch die beiden Blockheizkraftwerke werden mit Gas befeuert und der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen geht nicht von heute auf morgen. Auf dem Dach von Parkhaus 1 befindet sich zwar bereits eine der größten Photovoltaik-Anlagen der Region. Wenn es nach Hille geht, soll an der Nordbahn aber sogar die größte Solaranlage Niedersachsens entstehen. „Da wachsen hochwertige Gräser und Blumen, weshalb es lange hieß: Das dürft ihr nicht“, berichtet der Flughafenchef. Doch der Widerstand gegen die Freiflächen-Photovoltaik am Airport lässt nach. In einem Pilotprojekt sollen auf 1000 Quadratmetern zwei Vegetationsperioden lang die Auswirkungen auf die Umwelt untersucht werden. „Wenn das Ergebnis stimmt, wäre der Weg frei“, sagt Hille.

Aber ist der Luftverkehr überhaupt noch zeitgemäß? Ist die Umweltbelastung durch das Fliegen nicht viel zu hoch? „Das ist Quatsch. Der Luftverkehr ist bei einer ganzheitlichen bilanziellen Betrachtung jetzt schon auf Augenhöhe mit Bahn und Auto“, entgegnet Hille den Kritikern. Zudem werde sich die Flugbranche auf absehbare Zeit von fossilen Brennstoffen verabschieden. Auf der Kurzstrecke gehe der Trend zu elektrifizierten Antrieben, auf der Langstrecke zu sogenannten E-Fuels und Wasserstoff. „Synthetische Kraftstoffe haben den Vorteil, dass sie bei der bestehenden Infrastruktur eins zu eins genutzt werden können“, sagt Hille. Er verweist auch auf den relativ geringen Flächenverbrauch der Flugzeuge im Vergleich zum Straßenverkehr. „Vier Kilometer bringen Sie in die ganze Welt“, meint der Airport-Chef mit Blick auf die Start- und Landebahnen.

Vorteil des Luftverkehrs in Hannover und auf der ganzen Welt: Man braucht nur wenig Straße, um riesige Distanzen zurücklegen zu können." | Foto: GettyImages/Igmarx

Dass diese Verkehrsflächen nun ins Ziel von „Klimaradikalen“ geraten, ärgert Hille. „Man muss sich mit anderen Meinungen auseinandersetzen. Das müssen wir aushalten“, sagt er. Bei der Blockade einer Landebahn handele es sich nicht mehr um einen legitimen Protest, sondern um einen mutmaßlich gefährlichen Eingriff in den Flugverkehr. Dass Umweltaktivisten auch den Flughafen Hannover zeitweise lahmlegen könnten, kann er nicht ganz ausschließen. „Wir sind zwar geschützt, aber wir haben 20 Kilometer Außenzaun. Mit entsprechender krimineller Energie lässt sich der überwinden.“

Der Investitionsbedarf für den Flughafen ist nicht nur wegen der Energiewende, sondern auch aufgrund von Instandhaltung hoch. Nachdem die Frachtzentren, Flugzeughallen sowie die Terminals A und C bereits modernisiert wurden, kommt als nächstes Terminal B an die Reihe. Außerdem kündigt Hille für die 2030er-Jahre eine erforderliche Sanierung der Nordbahn an, die mit – Stand jetzt – rund 100 Millionen Euro zu Buche schlagen werde. Für den eigenwirtschaftlich betriebenen Flughafen ist die Finanzierung dieses Mega-Infrastrukturprojekts durch die Energiekostensteigerungen deutlich schwieriger geworden. Trotzdem will der promovierte Wirtschaftsingenieur nicht an der Struktur des Airports rütteln.

Der Flughafen Hannover ist nach dem Verkehrsaufkommen die Nummer 8 in Deutschland. | Foto: HMTG/Thomas

„Das Geschäftsmodell ist intakt“, sagt Hille und ergänzt: „Hannover ist an der Verkehrsmenge gemessen der kleinste Flughafen in Deutschland, dem es gelungen ist, positive Ergebnisse zu schreiben und gleichzeitig Dividende auszuschütten.“ Die Corona-Pandemie habe da zwar für einen Einbruch gesorgt, von dem sich das Verkehrsaufkommen am Hannover-Airport wohl erst 2025 vollständig erholt haben wird. Hille sieht aber weder Bedarf für eine Eigenkapitalerhöhung, noch für weitere Hilfsmaßnahmen von Seiten der Gesellschafter. Schon im aktuellen Geschäftsjahr werde der Flughafen wieder operativ schwarze Zahlen schreiben und die Bürgschaft der Anteilseigener über 50 Millionen Euro weiter abtragen. Zudem habe der Flughafen nur einen Teil der Bürgschaft benötigt und schon mehrere Millionen Euro wieder vorzeitig zurückführen können. „Für die Gesellschafter war das im Nachhinein gesehen eine profitable Angelegenheit“, meint der 62-Jährige mit Blick auf das Bürgschaftsentgelt.

Steigt die Region Hannover irgendwann beim Airport ein?

Gesellschafter der Flughafen Hannover-Langenhagen GmbH sind seit 2018 die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen zu jeweils 35 Prozent, sowie der englische Investmentfonds „iCON Infrastructure“ mit 30 Prozent. Dass die Briten ihre Anteile dauerhaft halten werden, wagt Hille zu bezweifeln. „Änderungen der Gesellschafterstrukturen sind nicht ausgeschlossen“, sagt der Flughafenmanager. Darüber, wer die iCON-Anteile übernehmen könnte, will er nicht spekulieren. Mögliche Szenarien wären der Verkauf an einen anderen Privatinvestor oder eine Aufstockung der Anteile durch die beiden verbliebenen Gesellschafter. Denkbar wäre aber auch, dass die Region Hannover die Anteile übernimmt. Schließlich ist der Flughafen in Langenhagen nicht nur für die Landeshauptstadt, sondern auch für das Umland ein ganz zentraler Wirtschafts- und Standortfaktor. „Hier fliegt die gesamte niedersächsische Industrie. Außerdem ist Hannover ein richtiger Maintenance-Cluster geworden“, sagt Hille.

Nicht nur die Wartungsspezialisten MTU und ACC Columbia hätten ihr Geschäft in der niedersächsischen Landeshauptstadt ausgebaut. Auch für den Flugzeughersteller Airbus Defence and Space sei Hannover ein wichtiger Standort. Und es gebe noch Luft nach oben. An der Nordbahn sieht Hille weitere Entwicklungsflächen, auf denen neue Hallen für die Flugzeugwartung und Reparatur entstehen könnten. Weiteres Wachstum sei auch bei der privaten Luftfahrt und im Frachtflugverkehr denkbar, nachdem beide Geschäftsfelder schon während der Pandemie kräftig zugelegt haben. „Amazon zum Beispiel hat inzwischen jeden Tag zwei Flugzeuge hier. Das ist noch ausbaufähig“, sagt Hille und betont dabei die Rolle des Nachtflugverkehrs. „Dieser ist essentiell für Hannover. Ohne einen 24-Stunden-Betrieb wäre der Flughafen auf Jahrzehnte auf einen Verlustausgleich durch die Gesellschafter angewiesen.“ Zudem sei der nächtliche Flugverkehr auch für die Alarmbereitschaft der Bundeswehr, die Ambulanzfliegerei oder die Polizeihubschrauberstaffel unverzichtbar.

Für Hille fällt der Abschied vom Flughafen nicht leicht. „Bei der Abschiedsfeier verspürte ich eine Mischung aus Wehmut und Vorfreude auf mehr Freiheit“, sagt der 62-Jährige. Um seine Nachfolge macht er sich aber keine Sorgen. Der Generationswechsel beim Flughafen ist von langer Hand vorbereitet gewesen. Bereits im März war Martin Roll (51) als kaufmännischer Geschäftsführer eingestiegen, um sich auf die neuen Aufgaben vorzubereiten. Roll wird ab 1. Januar eine Doppelspitze mit Maik Blötz (43) bilden, der momentan noch den Bereich „Infrastructure“ beim Airport Hannover leitet. Die neugewonnene Freizeit will Hille seiner Familie widmen und auch „viele Dinge erledigen, die liegengeblieben sind“. Auf dem Flughafen wird der Hobbypilot trotzdem weiterhin ein- und ausgehen. „Schließlich bleibt meine Piper Malibu Mirage auch künftig hier stehen“, sagt Hille und fügt hinzu: „Für mich wechselt sich aber die Farbe des Ausweises.“

Dieser Artikel erschien am 20.12.2022 in Ausgabe #227.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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