15. Sept. 2022 · 
Inneres

FDP und GEW protestieren, doch umstrittene Beamtenreform soll eilig durch den Landtag

Ein ehrgeiziger Plan dient dazu, die offensichtlich verfassungswidrige Beamtenbesoldung in Niedersachsen etwas rechtskonformer zu machen – doch nun häufen sich gegen diesen Plan andere rechtliche Bedenken. Kommende Woche soll der Landtag ein „Gesetz zur amtsangemessenen Alimentation“ verabschieden. Vor wenigen Tagen, als der Haushaltsausschuss über das Konzept beraten hatte, machten die Landtagsjuristen Einwände geltend. Die Große Koalition möchte es allerdings durchziehen. Unterdessen regen sich Vorbehalte von den Gewerkschaften und von der FDP. Der GEW-Vorsitzende Stefan Störmer sagte dem Politikjournal Rundblick: „Die Landesregierung muss sich fragen lassen, warum sie ein Gesetz auf den Weg bringen will, das offenkundig nicht geeignet ist, die Problemlagen anzugehen.“ Der FDP-Haushaltspolitiker Christian Grascha legte für seine Fraktion ein Alternativmodell vor – und dieses sieht die Anhebung der Bezüge aller Landesbeamten um jeweils 100 Euro monatlich vor. Dies würde nach ersten Schätzungen den Landeshaushalt um rund 150 Millionen Euro jährlich zusätzlich belasten.

Warum ringen die Parteien jetzt um eine Anpassung der Besoldung? Die Frage der Beamtenbesoldung beschäftigt seit Jahren die Gerichte, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den niedersächsischen Zuständen steht noch aus. Aber im Finanzministerium in Hannover wird seit Wochen offen eingestanden, dass das niedersächsische Regelwerk vermutlich nicht rechtmäßig ist. Die Karlsruher Richter hatten in früheren Urteilen auf ein „Abstandsgebot“ Bezug genommen: Die Besoldung der Beamten muss um mindestens 15 Prozent über der Höhe der Grundsicherung für Arbeitslose liegen. Dieses trifft nach Analysen des Finanzministeriums aber in Niedersachsen derzeit wohl nicht zu – und zwar bei Beziehern der Einkommensgruppen A5 bis A9 in der Laufbahngruppe II, sofern es um Alleinverdiener mit zwei Kindern geht. Mit einem schon in einigen Nachbarländern angewandten Modell soll Abhilfe geschaffen werden: Beamte, die Alleinverdiener sind, sollen einen „Familienergänzungszuschlag“ erhalten, der je nach Besoldungsgruppe variiert, also in den niedrigeren höher ausfällt als in den höheren. Wenn der Lebenspartner des Beamten ein eigenes Einkommen hat, soll dieser Zuschlag nicht gezahlt werden. Allerdings haben die Landtagsjuristen erhebliche Zweifel, ob dieser Weg gangbar ist – denn mit diesem Zuschlag würden Beamte der Besoldungsgruppen A5, A6, A7 und A9, die als Alleinverdiener zwei Kinder haben, exakt das gleiche Gehalt bekommen. Das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen, ein anderer Grundsatz des Berufsbeamtentums, werde dann nicht mehr eingehalten.

Die Koalition von SPD und CDU will auf ihren letzten Metern den Vorschlag des Finanzministeriums trotzdem beschließen, die Grünen prüfen noch, wie sie sich verhalten wollen. Die FDP hat jetzt erklärt, nicht zustimmen zu wollen – und schlägt damit die lineare Erhöhung aller Bezüge vor, was allerdings wohl jährliche Mehrkosten für den Landesetat von rund 150 Millionen Euro nach sich ziehen würde – zuzüglich 50 Millionen für die Pensionäre, die nach der Idee der FDP einmalig 500 Euro erhalten sollen. In der parlamentarischen Beratung zu den verschiedenen Initiativen wies das Finanzministerium darauf hin, dass es anstelle des „Familienergänzungszuschlags“ noch einen anderen Weg gäbe, nämlich die drastische Erhöhung der Zuschläge je Kind. Dieser Weg sei etwa in Thüringen angewandt worden, habe aber einen anderen Nachteil, nämlich den, dass ein Bezieher einer niedrigen Besoldungsgruppe dann erheblich über den Einkommen höherer Besoldungsgruppen liegen kann, wenn er drei oder vier Kinder hat. Auch dagegen wiederum könne es rechtliche Bedenken geben.

De GEW-Vorsitzende Stefan Störmer sagte, der „Familienergänzungszuschlag“ könne als „mittelbare Geschlechterdiskriminierung“ angesehen werden – da damit ein Anreiz verbunden sein könne, als Partner eines gering verdienenden Beamten keiner bezahlten Beschäftigung nachzugehen. Der GEW-Berater Torsten Schwan widerspricht zudem der Erwartung des Finanzministeriums, es werde sich bei den betroffenen Beamten nur um eine überschaubare Zahl handeln. Schwan schätzt, dass die Zahl von 1000 wohl überschritten werden dürfte.

Dieser Artikel erschien am 16.9.2022 in Ausgabe #162.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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