FDP resümiert: „Die Moschee in Hildesheim wurde lange vom Innenminister unterschätzt“
Im Zusammenhang mit den neuen Enthüllungen über islamistische Terrorkommandos, die Anschläge in Deutschland planten, hat der niedersächsische FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner scharfe Kritik an Innenminister Boris Pistorius (SPD) geübt. „Mindestens bis zum Frühjahr 2017 haben die damalige Landesregierung und besonders das Innenministerium die Gefahren, die von der Moschee des ,Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim‘ ausgingen, massiv unterschätzt. Es zeigt sich jetzt immer deutlicher, dass diese Moschee ein Dreh- und Angelpunkt für terroristische Aktivitäten war“, erklärte Birkner gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Dem Landeskriminalamt könne man diesen Vorwurf nicht machen, da diese Behörde schon vor drei Jahren versucht habe, nähere Erkenntnisse über den DIK Hildesheim zu bekommen. Das sei seinerzeit jedoch von der Spitze der Landespolizei abgeblockt worden, fügt Birkner hinzu.
Der Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hatte am gestrigen Donnerstag über eine bisher nicht bekannte Terrorzelle berichtet. Im Mittelpunkt steht der derzeit in einem syrischen Gefängnis einsitzende Oguz G. und seine Frau Marcia M.. Oguz G. ist in Hildesheim aufgewachsen, engagierte sich im DIK Hildesheim, lernte den – im November 2016 verhafteten – Hassprediger Abu Walaa kennen und wurde später Schriftführer des DIK. Seine Frau Marcia M. kommt aus Salzgitter, heiratete G. und zog mit ihm zusammen nach Hildesheim. Die beiden sind dann im Herbst verschwunden, sie reisten offenbar nach Syrien aus. Das Pärchen soll, wie bisher geheim gehaltene Ermittlungen nach Angaben des Rechercheverbunds zeigen sollen, Aufträge direkt von der IS-Abteilung für Anschläge erhalten haben. Es soll um die Vorbereitung von Attentaten, beispielsweise auf Musikfestivals, gegangen sein. Dabei soll Marcia M. von Syrien aus Kontakt zu alten Bekannten in Deutschland geknüpft haben mit dem Ziel, IS-Kämpfer einzuschleusen – beispielsweise als Ehepartner von hier lebenden Frauen. Über Kontaktleute waren die deutschen Behörden von diesen Plänen aber offenbar seit Oktober 2016 informiert gewesen. Auch Anis Amri, der dann in der Vorweihnachtszeit in Berlin den Mordanschlag auf den Weihnachtsmarkt verübte, hatte sich vor seiner Tat mehrfach im DIK Hildesheim aufgehalten.
„Das alles zeigt, wie bedeutsam der DIK Hildesheim offensichtlich war“, meint nun Birkner. Von wachsender Brisanz sei daher auch ein interner Vermerk des Innenministeriums, der schon vor anderthalb Jahren im Islamismus-Untersuchungsausschuss eine Rolle spielte. Das LKA hatte im Oktober 2015 beantragt, vor dem DIK Hildesheim sogenannte „Moscheekontrollen“ zu veranlassen – also regelmäßig die Personalien der Personen, die hierher gelangen wollen, aufzuschreiben. Das Innenministerium lehnte dieses Begehren seinerzeit aber als „nicht genehmigungsfähig“ ab. Spekuliert wurde, dass dies mit dem seinerzeit gültigen rot-grünen Koalitionsvertrag zusammengehangen haben könnte – denn dieser schloss Moscheekontrollen strikt aus. Im Untersuchungsausschuss wurde 2017 festgestellt, dass zwischen 2014 und 2016 insgesamt 14 Personen aus Niedersachsen, die sich vorher im DIK Hildesheim aufgehalten hatten, nach Syrien ausgereist waren. Ob darunter auch Oguz G. und Marcia M. waren, die jetzt im Zusammenhang mit der neuen Recherche ins Visier der Ermittler geraten sind, steht bisher nicht fest. FDP-Fraktionschef Birkner forderte eine umfassende Unterrichtung über die neuen Erkenntnisse im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes.