28. Juni 2023 · Wirtschaft

Experten raten zu Freiflächen-PV, aber Landwirte sind verunsichert

Der Hunger der Deutschen nach Ökostrom ist gewaltig, die Strompreise sind so hoch wie nie. Trotzdem herrscht bei der Freiflächen-Photovoltaik in Niedersachsen keine Goldgräberstimmung. Um Landwirte und Landbesitzer von der Rentabilität eines Solarparks zu überzeugen, ist immer noch harte Überzeugungsarbeit nötig. Das wurde kürzlich beim Businessforum „Solarenergie“ der Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft deutlich, als Flächeneigentümer mit Experten ins Gespräch kamen.

Foto: GettyImages/egon69

„Auf dem Land ist es nicht immer so, dass man den Strom auch los wird“, berichtete Land- und Energiewirt Jürgen Hacke, der seit 2007 eine Solaranlage betreibt. Er sieht dringenden Bedarf sowohl für Speichermöglichkeiten, als auch für Nachbesserungen bei den Regeln zur Eigenvermarktung von Strom. Zudem sorgt sich Hacke wie viele Landwirte um die Netzkapazität. Ähnliche Gründe halten Landwirt Carsten Poppe aus dem Heidekreis davon ab, seine 30-kW-Hausanlage zu erweitern. „Freiflächen sind in unserer Gemeinde ein großes Thema, aber was mich bewegt: Diese Anlagen werden ja laufend abgeschaltet und neue Stromtrassen kommen auch nicht dazu“, sagte Poppe, der in der Heide-Region nicht nur durch seine Freilandeier, sondern auch durch seine Lohnfertigung für Eiernudeln bekannt ist. 

Rentiert sich eine PV-Anlage? Berechnung ist kompliziert

„Die Märkte sind generell nicht transparent genug“, bemängelte Lorenz von Schintling-Horny vom Rittergut Liebenburg (Kreis Goslar). Und auch Christian Bödecker, der als Inhaber der Firma Agriwert als Gutachter unter anderem PV-Anlagen bewertet, fordert mehr Klarheit von der Politik. „Lohnt sich PV oder nicht? Früher reichte ein Bierdeckel aus, um das zu berechnen. Heute weiß man nicht mehr, was die Zukunft bringt“, sagte der Ingenieur aus Lehrte (Region Hannover). Er habe nicht den Eindruck, dass die Politik zu hundert Prozent hinter der Erneuerbaren Energie steht und erlebt bei der Genehmigung von Windkrafträdern immer wieder eines: „Schwierigkeiten über Schwierigkeiten“.

Wollen den niedersächsischen Landwirten die Angst vor einem Investment in Flächenphotovoltaik nehmen (von links): Christian Schmidt (Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft), Bruce Dünker (Greenvest Solar), Stefan Bordihn (ISFH) und Falk Lautenschläger (DKB). | Foto: Link

„Was abschreckt, sind die lange Genehmigungsdauer und die Verfügbarkeit von Transformatoren“, bestätigte Landwirt Jan Hendrik Michaelis aus Woltem (Heidekreis). Derzeit müsse man mit Lieferzeiten von zwölf bis 82 Monaten rechnen. Stefan Bordihn vom Institut für Solarenergieforschung in Hameln (ISFH) kann die Bedenken der Landwirte zur Netzkapazität nachvollziehen. Was die Stabilität der Netze angeht, macht er sich jedoch wenig Sorgen.



Auch Agrar-Banker Falk Lautenschläger von der DKB animiert die Landwirte zu mehr Unternehmertum. „Das ist die deutsche Mentalität: Wir wollen genau wissen, wie es mit der Stromproduktion weitergeht. Wir müssen aber irgendwie mal anfangen“, forderte der studierte Landwirt. Investitionskapital für den Bau der Solaranlagen sei ausreichend vorhanden und es gebe auch verschiedene Finanzierungsmodelle. „Auf staatliche Euphorie sollte man aber nicht bauen. Wenn der Staat die Förderung einsackt, dann stehste da“, warnte der DKB-Experte.

Unternehmer: Voraussetzungen für Investition sind günstig

Für Solarpark-Veteran Bruce Dünker gibt es gar keinen Zweifel. „Die richtige Zeit, um in Photovoltaik zu investieren, ist jetzt. Nichts zu machen, ist ein großer Fehler“, sagte der Geschäftsführer von Greenvest Solar mit Sitz im bayerischen Starnberg. Das Unternehmen hat sich auf die Planung und Entwicklung von schlüsselfertigen Photovoltaik-Anlagen im Freiland spezialisiert und sieht erstmals seit seiner Gründung die Chance, auch in Niedersachsen tätig zu werden. Jetzt sieht er ähnlich günstige Voraussetzungen wie in der Phase von 2008 bis 2010. „Damals war der Markt vor allem im Süden, jetzt gibt es für ganz Deutschland nochmal eine Chance“, sagte Dünker.

„Die richtige Zeit, um in Photovoltaik zu investieren, ist jetzt. Nichts zu machen, ist ein großer Fehler.“

Bruce Dünker

Landbesitzer haben laut Dünker die Qual der Wahl, auf welche Weise sie vom Solarstrom-Boom profitieren wollen. Dazu müssen sie weder ein finanzielles Risiko eingehen, noch Eigenkapital mitbringen. Besonders beliebt seien Pacht- und Mietverträge mit Gewinnbeteiligung, bei denen die Flächeneigentümer eigentlich nur die Hand aufhalten müssen, während der Projektentwickler für alles Weitere sorgt. Wer sich sicher ist, dass er seinen Solarstrom zu guten Preisen los wird, könne freilich auch eine Eigenbeteiligung erwägen. „Das Risiko liegt im Wesentlichen in der Zeitschiene. Man kann nicht ausschließen, dass das Projekt ganz kippt“, weiß Dünker aus Erfahrung.

Dieser Artikel erschien am 29.6.2023 in Ausgabe #119.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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