Die Rolle von Erdgas und Erdöl werde in Deutschland und auch global künftig weiter abnehmen, bekannte gestern Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG). Doch ganz ohne fossile Energie werde der Energiebedarf auch mittelfristig nicht zu decken sein, erläuterte er bei der Jahrespressekonferenz seines Verbandes.

Möhring wirbt dafür, die Energieversorgung als Gesamtes zu betrachten. Dabei habe die erneuerbare Energie zwar zuletzt deutlich zugelegt. Immerhin knapp 16 Prozent des bundesdeutschen Energiebedarfs wurde 2020 durch Wind, Sonne, und Wasserkraft abgedeckt. Der Anteil aller anderen Energiequellen nahm hingegen ab. Gut ein Drittel des Primärenergieverbrauchs in Deutschland wurde im vergangenen Jahr noch aus Mineralöl bestritten, etwa ein Viertel aus Erdgas. Sechs Prozent kam aus der Kernenergie, knapp acht Prozent aus Braunkohle und etwas weniger aus Steinkohle. In allen Sektoren ist die Tendenz fallend.
Wir benötigen Erdgas und Erdöl viel länger, als das manchem lieb ist. Der Energiebedarf ist zu groß, um komplett auf Erneuerbare umzustellen.
Dennoch warnt Möhring davor, sich in Deutschland gänzlich dem „idealisierten Bild“ hinzugeben, allein erneuerbare Energie sei gut und fossile Energie grundsätzlich schlecht. Damit mache man es sich zu leicht, klagt der Verbandschef und bemängelt, Potenziale würden deshalb nicht ausreichend ausgenutzt. „Wir benötigen Erdgas und Erdöl viel länger, als das manchem lieb ist. Der Energiebedarf ist zu groß, um komplett auf Erneuerbare umzustellen.“
Anstatt die bevorstehenden Veränderungen in der Energiewirtschaft einseitig gegen die fossilen Energien zu betreiben, spricht sich Möhring dafür aus, diesen Wandel gemeinsam mit der Erdgas-Branche zu gestalten. Große industrielle Anwendungen werden künftig auf grünen Wasserstoff setzen, E-Autos sollen mit grünem Strom fahren – das sieht auch der BVEG-Hauptgeschäftsführer so. Diese Angebote müssten aber „nachhaltig, sicher und bezahlbar“ sein, sagt er. Möhring will sich damit nicht gegen die „elektrische Volkswirtschaft“ wenden, beteuert er. Aber es gehe derzeit noch nicht um ein Entweder-Oder, in den kommenden Jahren werde Gas noch eine große Rolle zukommen. „Erdgas und Erdöl werden sich auf lange Zeit die Rolle als Eckpfeiler der Energiewirtschaft sichern“, ist Möhring überzeugt.

Bezüglich der Hoffnung, künftig eine große Wasserstoffindustrie aufzubauen, führt der BVEG-Chef aus, dass die Unternehmen erst dann im großen Format auf die neue CO2-arme Technologie umsteigen, wenn sie sicher sein können, künftig auch ausreichend mit Wasserstoff versorgt zu werden. Bis diese Bedarfe allein mit grünem Wasserstoff gedeckt werden können, stellt sich Möhring für den Übergang auch die Verwendung von blauem oder türkisem Wasserstoff vor.
Der Unterschied zwischen diesen Varianten besteht in der Art der Gewinnung. Während für grünen Wasserstoff nur Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wird, kommt bei blauem Wasserstoff Erdgas zum Einsatz. Die Zwischenform des türkisen Wasserstoffs benötigt zwar auch Erdgas, hat aber geringere klimaschädliche Emissionen. Möhring spricht in diesem Zusammenhang von einer „entpolitisierten Beschaffungsstrategie“: Erst einmal muss genug Wasserstoff vorhanden sein, damit sich die Industrie auf das neue Verfahren einlässt – und dann kann nach und nach der Anteil von grünem Wasserstoff erhöht werden.
Der BVEG setzt zudem auf eine stabile heimische Produktion. Werde die Förderung von Erdgas in Deutschland heruntergefahren, weil es ideologisch gewünscht sei, führe das nicht etwa zu weniger Bedarf von Erdgas – sondern schlicht zu steigenden Importen, leitet Möhring her. Diese Importe bedeuteten dann aber immer auch einen größeren CO2-Fußabdruck. Zudem werde damit die Wertschöpfung ins Ausland verlagert, Arbeitsplätze gingen verloren und Know-how würde abwandern, das aber für die bevorstehenden Transformationsprozesse noch gebraucht würde.

Der Rückgang der Erdgas-Förderung geht derweil hierzulande schon stark voran. Während die Fördermenge beim Erdöl mit 1,9 Millionen Tonnen nahezu gleich geblieben ist im Vergleich zum Vorjahr, verzeichnet der Verband beim Erdgas eine Verringerung um 16 Prozent auf rund 5,2 Milliarden Kubikmeter. Fast 97 Prozent davon wurden in Niedersachsen gefördert. Grund für die Verringerung war aber – neben der üblichen Tendenz – auch eine mehrmonatige Wartungsmaßnahme an der größten deutschen Erdgasaufbereitungsanlage, erklärte der BVEG-Hauptgeschäftsführer.