Das Pietzmoor bei Schneverdingen in der Lüneburger Heide. I Symbolbild: GettyImages/HPS-Digitalstudio

Selten bricht eine Empörung so kräftig heraus wie in der jüngsten Sitzung des Landtags-Umweltausschusses. Landtagsvizepräsidentin Meta Janssen-Kucz (Grüne) und die scheidenden CDU-Abgeordneten Heiner Schönecke, Martin Bäumer und Frank Oesterhelweg beklagten sich über „jahrelangen Stillstand“ und „Hinhaltetaktik“. Es geht um einen fast schon historischen Streit zwischen der Hansestadt Hamburg und den südlich angrenzenden niedersächsischen Kreisen Heidekreis, Lüneburg und Harburg. Vor allem im Harburger Land regt sich der Protest. Der Kernvorwurf lautet: Die Hamburger würden seit vielen Jahren mehr Wasser aus der Heide abschöpfen als sie selbst brauchen.

„Und das, obwohl es schon vor fast zehn Jahren einen eindeutigen Landtagsbeschluss zu dieser Frage gegeben hat.“

Sie würden dafür keinen angemessenen Preis zahlen – und ein Hamburger Konzept für die Frage, wie man sich gegen eine Überbelastung der beanspruchten Gebiete schützt und eine Regeneration der Grundwasservorkommen fördert, liege auch immer noch nicht vor. „Und das, obwohl es schon vor fast zehn Jahren einen eindeutigen Landtagsbeschluss zu dieser Frage gegeben hat“, sagt Schönecke. Er fordert das Umweltministerium in Hannover dazu auf, die Angelegenheit zur „Chefsache“ zu erklären – und meint damit eine Aufforderung an Minister Olaf Lies (SPD). Dass der Fall jetzt zur Sprache kommt, ist sicher auch dem aktuellen Landtagswahlkampf in Niedersachsen geschuldet.

Treibt Hamburg mit dem Wasser fragwürdige Geschäfte?

Allerdings liegen die Probleme tiefer und sind tatsächlich sehr ärgerlich. Mehrere Vertreter des Umweltministeriums mussten in der jüngsten Sitzung des Umweltausschusses zunächst über den Sachstand berichten. Dieser sieht so aus: Schon seit Jahrzehnten herrscht ein Zustand, den man als Grundübel bezeichnen kann – die große Hansestadt Hamburg fördert mit seinem eigenen Wasserversorgungsunternehmen im niedersächsischen Kreis Harburg das Trinkwasser. Über die Frage, welche Menge die Hamburger zu welchem Preis bekommen können, herrscht seit vielen Jahren ein erbitterter Streit. Einiges von dem Wasser, das im Umland gefördert wird, verkaufen die Hamburger weiter – etwa an die Stadt Lübeck. Treiben sie mit dem kostenbaren Gut fragwürdige Geschäfte?



Seit 2010 schon, also seit zwölf Jahren, begann das Umweltministerium in Hannover, mit den Hamburgern über eine „Verwaltungsvereinbarung“ zu verhandeln. Wie der zuständige Referatsleiter jetzt mitteilte, ist dieses Papier immer noch nicht unterschrieben – obwohl bereits seit 2015, also seit sieben Jahren, „Konsens über die Inhalte“ bestehe. Zur Begründung heißt es zunächst, die Rahmenbedingungen – etwa EU-Vorschriften zum Wasserschutz – hätten sich geändert. Dann hänge aber der Fortschritt auch davon ab, dass die untere Wasserbehörde beim Landkreis Harburg eine Genehmigung für die künftige Wasserentnahme erteile. Das aber zieht sich offenbar hin, und nach Schöneckes Vermutung liegen die Verzögerungen auch daran, dass sich hier keine Partner auf Augenhöhe begegnen: Es herrsche die Vermutung, die Hamburger würden die Harburger nicht richtig ernst nehmen – und die Sache verzögern.

OVG prüft Fall: Entscheidung fällt Ende des Jahres

Dabei hatte der Landtag in Hannover schon vor Jahren eine Forderungsliste aufgestellt, bei der die Begrenzung der Fördermenge ebenso eine Rolle spielte wie die Verpflichtung der Hamburger, auf die Umweltfolgen und die Nachhaltigkeit zu achten. Sie sollten einen „Heidewasser-Fonds“ speisen, aus dem vor allem Maßnahmen zum Grundwasserschutz finanziert werden sollen. Außerdem sollten sie die Beweislast übernehmen – für den Fall, dass Folgen der übermäßigen Grundwasserförderung im Hamburger Umland bekannt werden, beispielsweise ausgetrocknete Flüsse. Doch von der Beweislast wollten die Hamburger nichts wissen, den Fonds gibt es auch noch nicht. Das liegt daran, dass die wasserrechtliche Erlaubnis des Landkreises Harburg vor Gericht beklagt wird, nicht allein von den Hamburgern, sondern auch von einem Grundeigentümer und einem Umweltverband. Im Oktober 2021 schloss das Verwaltungsgericht Lüneburg das erste Verfahren ab, nun muss das OVG den Fall prüfen, das Umweltministerium in Hannover rechnet mit einer Entscheidung für das Ende dieses Jahres – frühestens.

„Wir brauchen eine klare Ansage an die Hamburger – Wasser ist ein begrenztes Allgemeingut.“

Nun hätten die Hamburger aber viel Entgegenkommen gezeigt, sagt der Referatsleiter des Umweltministeriums. Die Menge des geförderten Wassers sei verringert worden, wenn auch nicht so stark wie zunächst vom Landkreis angestrebt worden war. Die Verwaltungsvereinbarung sei auch eigentlich „unterschriftsreif“, es hänge jetzt nur noch an dem Ausgang des Gerichtsverfahrens. Mehrere Landtagsabgeordnete stellt das nicht zufrieden. „Wir brauchen eine klare Ansage an die Hamburger – Wasser ist ein begrenztes Allgemeingut, sie können nicht unbegrenzt zugreifen“, sagt Meta Janssen-Kucz (Grüne). Hamburg habe die Verständigung „zehn Jahre lang verzögert“. Martin Bäumer (CDU) fordert Klarheit: „Ich möchte endlich mal wissen, was die Hamburger tun, um den Wasserverbrauch einzuschränken.“