Einzelne Millî-Görüş-Organisationen werden weiterhin beobachtet
(rb) Hannover. In Niedersachsen ist die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), deren erster deutscher Ableger 1972 in Braunschweig gegründet wurde, seit diesem Jahr nicht mehr Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Das hatte Innenminister Boris Pistorius bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2014 mitgeteilt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt die IGMG dagegen als eine Organisation mit einem antidemokratischen Staatsverständnis, die westliche Werte ablehnt und eine Demokratiedistanz fördert. Die Sicherheitsbehörden der Bundesländer haben dazu unterschiedliche Einschätzungen. In mehreren Ländern wird die IGMG mit antisemitischen Tendenzen in Verbindung gebracht und ihr eine Ablehnung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung attestiert. Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Mannheim dürfen Mitglieder der IGMG wegen „Demokratiegefährdung“ nicht eingebürgert werden. In seiner Antwort auf eine Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Marco Brunotte, Michael Höntsch, Dr. Thela Wernstedt und Dr. Christos Pantazis hat Pistorius jetzt bestätigt, dass die IGMG aufgrund des nicht mehr nachweisbaren Extremismus‘ nicht länger vom Niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet wird. Das betreffe jedoch nicht die weiteren Organisationen der Millî-Görüş-Bewegung, wie Saadet Partisi, die Erbakan Stiftung, Ismail Ağa Cemaati bzw. Einrichtungen wie Millî Gazete. Diese würden weiterhin im Einklang mit den anderen Ämtern im Verfassungsschutzverbund der Länder auch in Niedersachsen beobachtet. Das geschehe unabhängig von der derzeitigen Gefährdungslage durch den sogenannten Islamischen Staat, teilte der Verfassungsschutz auf Anfrage des rundblick mit. Neben Niedersachsen hätten auch andere Länder im Verbund die Beobachtung der IGMG in ihren Ländern eingestellt bzw. auf die Millî-Görüş-Bewegung umgestellt. Nach bundesweiten Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden sind die sogenannten „Erbakan-Treuen“ zunehmend in den neuen Organisationen Erbakan-Stiftung, Saadet Partisi und Ismail Ağa Cemaati zu finden. In Niedersachsen sei diese Gesamtentwicklung besonders deutlich festzustellen; insbesondere bei der hiesigen IGMG könnten im Gegensatz zu anderen Regionalverbänden keine extremistischen Bezüge mehr festgestellt werden, heißt es.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #221.