Schweigen schafft Raum für Mutmaßungen
Eine der Empfängerinnen der Nachricht Beils war Susanne Pfleger, Direktorin der Städtischen Galerie Wolfsburg. Sie kritisiert gegenüber dem Politikjournal Rundblick die fehlende Transparenz in dieser Angelegenheit: „Über die tatsächlichen Gründe für die Entlassung lässt sich nichts sagen. Es wäre ein Stochern im Nebel.“ Auch Viehoff wünscht sich einen offensiveren Umgang: „In den letzten Jahren wurde immer wieder offensichtlich, wie die Stadt Wolfsburg und einzelne Einrichtungen von Volkswagen abhängig sind. Hier entsteht nun wieder ein Geschmäckle. Der Konzern hätte ein deutliches Zeichen für die Freiheit der Kunst setzen müssen.“ Bislang äußert sich aber nur Beil zu dem Vorgang und zeigt sich ähnlich irritiert über die ausbleibende Begründung des Kuratoriums: „Es gibt keine ersichtlichen Gründe, mich vorzeitig zu entlassen und das mit der Freistellung zu betreiben. Offenbar gab es eine Dringlichkeit, mich noch vor dem 25. Jubiläum des Museums zu entlassen.“ Die Vermutung, das Ende seiner Beschäftigung habe etwas mit zurückgehenden Besucherzahlen zu tun, weist Beil zurück. Er vermutet vielmehr, sein Rauswurf habe etwas mit den Inhalten seiner Arbeit zu tun: „Es kann sein, dass ich einigen Wolfsburgern auf die Füße getreten bin“, sagt er gegenüber dem Rundblick. Tatsächlich hat er mit seiner Ausstellung „Wolfsburg Unlimited“ in Wolfsburg für Irritationen gesorgt. Das Kuratorium der Kunststiftung Volkswagen, das über die Entlassung des Direktors entschieden hatte, äußert sich hingegen nicht. Dieses Schweigen schafft Raum für Mutmaßungen: Schnell war die Rede davon, es bestehe ein Zusammenhang zwischen der Kündigung und der geplanten Ausstellung „Oil – Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters“, die Beil gemeinsam mit dem Künstler-Kollektiv „Beauty of Oil“ kuratierte. Die Nähe des Museums zum Volkswagenkonzern bietet da Anlass zur Annahme, der Automobilkonzern wolle die vermeintlich automobilkritische Ausstellung verhindern. Tatsächlich gibt es – historisch bedingt – viele Verbindungen vom Unternehmen zum Museum. Volkswagen, die Stadt Wolfsburg und private Spenden hatten das Museum 1994 erst ermöglicht. Für Bau und Unterhalt zeichnet die in München ansässigen Holler-Stiftung verantwortlich, die von den Eigentürmern der Volkswagen-Versicherungsdienst GmbH gegründet wurde.
Hier entsteht wieder ein Geschmäckle. Volkswagen hätte ein deutliches Zeichen für die Freiheit der Kunst setzen müssen
Maßgeblich vorangetrieben hatte das Projekt der frühere VW-Aufsichtsratschef Carl Hahn. Das spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des Kuratoriums wider: Neben dem aktuellen VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch und dessen Vorgänger Hahn beraten auch Wolfsburgs Oberbürgermeister Klaus Mohrs und Kulturdezernent Dennis Weilmann über die Geschicke der Kunststiftung. Im Kuratorium sitzen außerdem noch Museums-Geschäftsführer Otmar Böhmer und Christoph-Marc Pressler von der Holler-Stiftung, sowie eine Erbin früherer Großspender oder die Vorsitzende des Freundeskreises des Museums, Maresa Wischenbart-Backhaus.
Ob sich an den Vermutungen etwas Wahres finden lässt, wird womöglich die „Oil“-Ausstellung offenbaren. Wird diese im September wie geplant realisiert, entkräftet das die Vermutung der Einflussnahme. Darüber wird in einer Woche entschieden, wenn sich die beiden verbliebenen Kuratoren der Ausstellung, Alexander Klose und Benjamin Steininger von „Beauty of Oil“, mit dem designierten Direktor treffen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Als ein „eigenartiges Gerücht“ und „reine Spekulation“ bezeichnet Steininger den genannten vermeintlichen Zusammenhang. Auch Beil selbst hält die Verbindung zu dieser Ausstellung für abwegig, das Museum geht weiterhin von der Umsetzung aller Projekte aus. Welche Gründe also tatsächlich zum Zerwürfnis im Wolfsburger Kunstmuseum geführt haben, bleibt ein streng gehütetes Geheimnis des Kuratoriums.