22. Sept. 2016 · Kommentar

Eine Steuer für das politische Schaufenster

Bund und Länder haben sich auf eine Reform der Erbschaftssteuer geeinigt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil meint, das Ergebnis sei gut für Steuergerechtigkeit und Rechtssicherheit. Ein Kommentar von Martin Brüning: Hat die Politik mit der Einigung zur Erbschaftssteuer in allerletzter Minute eine Blamage abgewendet? Fakt ist: In der zweijährigen Hängepartie haben weder Bundes- noch Landespolitik besonders gut ausgesehen. Die Wirtschaft übrigens auch nicht. Zwei Jahre lang haben alle Seiten einander vor allem erklärt, was nicht geht und sich gegenseitig blockiert, ohne konkrete Lösungen zu suchen. Eine lange Zeit der Rechtsunsicherheit für betroffene Unternehmen geht nun möglicherweise endlich zu Ende. Das Regelungschaos seitens der Politik überdeckt die eigentlich nötige Debatte über die Relevanz und Sinnhaftigkeit der Erbschaftssteuer. Abgesehen von der Frage, warum nicht eigentlich die Länder selbst eine Steuer erheben können, deren Einnahmen vollständig an sie gehen und die ein weiteres Wettbewerbselement im Föderalismus sein könnte, ist die Erbschaftssteuer keinesfalls das Sinnbild für Gerechtigkeit, als das sie immer dargestellt wird. https://soundcloud.com/user-385595761/erbschaftssteuer-landersache Nun muss man nicht gleich den Begriff der „death tax“ - die Todessteuer, gegen die sich der Verstorbene nicht mehr wehren kann – bemühen, wie Kritiker in den USA. Dennoch gibt es nach wie vor drei gewichtige Argumente gegen die Erbschaftssteuer. Erstens: Nach wie vor wird bei der Erbschaftssteuer bereits versteuertes Einkommen ein weiteres Mals versteuert. Dass es die Bürger gewohnt seien, dass zum Beispiel für Produkte gleich mehrere Steuern anfielen, ist eher ein schwaches Gegenargument. Zweitens: Der Erbe hat sich das Vermögen nicht selbst erarbeitet. Der Lottogewinner aber auch nicht. Warum also das Erbe besteuert wird, der Lottogewinn aber nicht, kann nur einen Grund haben: Neid. Was dem Unternehmersohn geneidet wird, wird dem Lottogewinner gegönnt. Drittens: Wenn der Staat, warum auch immer, mehr Geld einnehmen möchte und dies auch noch unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit, so wäre eine leichte Erhöhung der Einkommenssteuer ein wesentlich sinnvollerer und effizienterer Weg als die bürokratiebelastete Erbschaftssteuer. Sie ist lediglich ein politisch aufgepumptes Symbol, eine unnütze Steuer für das politische Schaufenster. Ob der nun erzielte Kompromiss eine Blamage letztendlich abwendet, ist noch nicht ausgemacht. Die Freude könnte kurz währen. Der Vermittlungsausschuss hat nur leicht an einigen Kompromiss-Schrauben gedreht. Es ist bei Weitem nicht ausgeschlossen, dass auch dieser Kompromiss wieder von den Richtern kassiert wird. Denn auch die jetzigen Ausnahmen könnten den Vorwurf einer Überprivilegierung nach sich ziehen. Dann geht der politische Streit um die symbolhafte Erbschaftssteuer in eine neue Runde. Mail an den Autor dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #171.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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