Darum geht es: Nach dem Messerangriff eines 17 Jahre alten Flüchtlings auf eine 24 Jahre alte Hannoveranerin diskutiert die Politik nun über die Folgen. Ein Kommentar von Isabel Christian.

Es ist selten, dass die Politik so schnell auf eine Forderung der Gewerkschaften reagiert. Aber offenbar teilen Landespolizeipräsident Axel Brockmann und Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, die gleichen Befürchtungen. Am Montag noch forderte Schilff eine statistische Erfassung aller Gewalttaten, bei denen ein Messer eine Rolle spielt. Und schon gestern kündigte das Innenministerium an, die Erfassungskriterien für eine solche Statistik auszuarbeiten. Das dürfte sich aber schwierig gestalten. Denn Messerangriff ist nicht gleich Messerangriff. Und fraglich ist, ob eine solche Statistik überhaupt das zeigen kann, was man sich von ihr erhofft: Nämlich eine Antwort darauf, ob junge Männer aus Afrika und Südosteuropa tatsächlich gewalttätiger sind als Männer aus anderen Kulturkreisen – und wie der Staat auf die Gewalt reagieren soll.


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Gefühlt liegt der Schluss nahe. Liest man Polizeimeldungen über Raubüberfälle, Erpressung oder Körperverletzungen auf offener Straße, bei denen ein Messer eingesetzt wurde, wird der Täter häufig als südländischer Typ beschrieben. Es ist auch kein Geheimnis, dass in gesellschaftlich und wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern archaisch geprägte Familienkulturen dominieren. Der Mann gilt hier als Beschützer der Seinen, die Familienehre ist um jeden Preis zu verteidigen. Vor allem gegen die, die mit dieser Art von Kultur nichts anfangen können. Je nachdem, wie stark die Familie solchen Traditionen verhaftet ist, kann der Angriff auf die Ehre schon mit einem schiefen Blick beginnen und mit Blutvergießen enden. Eine statistische Erfassung müsste schon sehr detailliert sein, wenn sie eine Antwort darauf geben soll, wie ausgeprägt dieses Problem tatsächlich ist.

Messer entfalten deutliche Wirkung

Messer werden bei vielen Gewaltverbrechen eingesetzt, denn sie haben für die Nutzer mehrere Vorteile. Sie sind leicht zu bekommen, leicht zu handhaben und entfalten eine deutliche Wirkung, selbst als Droh-Mittel. In einer Statistik, wie sie das Landeskriminalamt nun entwickeln soll, werden zunächst einmal alle Messerangriffe erfasst. Da ist der Angriff des Mannes auf seine Ehefrau ebenso dabei wie der Raub in der Tankstelle und die Auseinandersetzung vor der Diskothek. Man muss also sehr viele Faktoren mitberücksichtigen, wenn man herausfiltern will, welche Messerangriffe von Flüchtlingen an bestimmten Orten gegen welche Personen verübt worden sind. Das kann eine gut geführte Datenbank vielleicht noch leisten.

Für subjektives Empfinden gibt es keine Parameter

Was aber nicht möglich sein wird, obwohl es für die Frage essenziell ist, ist das Filtern nach dem Motiv. Denn in der Regel erfassen Polizisten nur den Sachverhalt, nicht aber, aus welchen Gründen der Täter zugestochen hat. War er in seiner Eitelkeit verletzt, hat jemand einen seiner Angehörigen bedrängt, wurde er gar bedroht und hat sich nur zur Wehr gesetzt? Dafür gibt es keine Parameter, denn das ist subjektives Empfinden. Und was ist, wenn der Täter statt eines Messers mit dem abgebrochenen Hals einer Glasflasche auf seinen Kontrahenten losgeht? Oder mit einem Schraubendreher? Die Aggression ist die gleiche, das Motiv auch, nur die Tatwaffe ist eine andere – und damit fällt der Angriff aus der Statistik heraus.

Staat muss Ängste ernst nehmen

Eine Statistik über Messerangriffe, so detailliert sie auch gefasst sein mag, wird nur bedingt darüber Auskunft geben, wie es um das Gewaltpotenzial junger, männlicher Einwanderer bestellt ist. Und es ist fraglich, ob diese Daten Auswirkungen auf das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung hätten. Eine konkrete Bluttat prägt sich viel leichter ein als diffuse Zahlenwolken. Daher sollte der Staat ungeachtet der Statistik die Ängste ernst nehmen und das Gewaltpotenzial junger Männer stärker in den Blick nehmen. Es geht hier nicht darum, bestimmte ethnische Gruppen zu diskreditieren. Aber junge Männer, ob sie nun Flüchtlinge oder Einheimische sind, müssen lernen, dass man Konflikte hierzulande nicht mit Gewalt löst. Hier muss die Prävention intensiver werden – und möglicherweise auch die Strafe härter.

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