6. Feb. 2018 · 
Kommentar

Durcheinander im Havariefall: „Es ist weit weg, was auf offener See passiert“

Darum geht es: Politik und  Behörden arbeiten derzeit die Havarie der „Glory Amsterdam“ auf. Der Leiter des Havariekommandos in Cuxhaven hat gestern im Landtags-Unterausschuss Häfen und Schifffahrt Kritik an dem Einsatz zurückgewiesen. Ein Kommentar von Martin Brüning. „Zwei Juristen, drei Meinungen“, so lautet das Sprichwort, und wer sich mit der Havarie der „Glory Amsterdam“ befasst, könnte zu der Steigerung „mehrere Schifffahrtsexperten, unzählige Meinungen“ kommen. Die Vielzahl der involvierten Behörden und Akteure führt zu einer Bewertungs-Kakophonie, durch die es schwerfällt, die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Fest steht: Der Frachter „Glory Amsterdam“ trieb zehn Stunden lang, bis er etwa zwei Kilometer vor der Insel Langeoog strandete. In dieser Zeit schlugen mehrere Notschleppversuche fehl, ein Boarding-Team konnte den Frachter nicht erreichen, die Kommunikation mit dem Kapitän des havarierten Schiffes gestaltete sich schwierig. Dieser Einsatz des Havariekommandos war deshalb kein Erfolg. Der Leiter des Kommandos, Hans-Werner Monsees, hat gestern im Ausschuss schlüssig dargelegt, was am 29. Oktober genau passiert ist und mit welchen Unwägbarkeiten er an dem Tag zu kämpfen hatte. Dabei hat er versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen, um für seine Behörde eine bessere Personal- und Sachausstattung herauszuholen. Das ist völlig in Ordnung und mit ziemlicher Sicherheit auch gerechtfertigt. Mit einer Antwort auf die Frage nach der eigenen Verantwortung für den missglückten Einsatz tat sich Monsees aber schwer, beschwerte sich lieber über „Falschinformationen in den Medien“. Damit macht er es sich zu leicht. Die unübersichtliche Gemengelage bei solchen Einsätzen macht nicht nur die Arbeit der Beteiligten kompliziert, sie führt im Anschluss auch schnell zum Wegschieben von Verantwortung. Denn egal, in welche Richtung der Finger zeigt: Es gibt immer jemanden, der an dem Einsatz irgendwie beteiligt war. Und so wollte Monsees auch gestern wieder keinerlei Verantwortung übernehmen. Dennoch muss er sich fragen lassen, warum er zum Beispiel die Kritik am Notschlepper „Nordic“ nicht schon früher vehement geäußert hat. Das Schiff sei der „weltweit modernste und stärkste Notschlepper“, hieß es noch in der Pressemitteilung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, als das Schiff im Januar 2011 gechartert wurde. Sieben Jahre später soll das Schiff nicht geeignet sein, um bei heftigem Wind ein Boarding-Team mit dem Hubschrauber von Bord zu holen. Dabei stellt sich die Frage, ob denn für solche Einsätze windstilles und sonniges Wetter herrschen muss. Oder anders gefragt: Wenn Monsees das Problem vorher schon bekannt war, warum ist das Boarding-Team dann überhaupt auf der „Nordic“, von der es auf hoher See nicht mehr herunterkommt, und nicht gleich an Land, um dann von dort auf den havarierten Frachter gebracht zu werden? Die unklare Lage nach der Havarie ist die Folge der unübersichtlichen Zuständigkeiten während der Havarie. Ein Beispiel, wie schwierig die Entflechtung ist, macht die jahrzehntelange Diskussion um eine nationale Küstenwache deutlich. Erst im März vergangenen Jahres hatten sich die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, die Insel-und Halligkonferenz und sechs Nautische Vereine erneut darauf aufmerksam gemacht und sich mit einem „Positionspapier an die Politik gewandt. Die Vielzahl der Behörden und Organisationen mit zum Teil sich  überschneidenden Zuständigkeiten machen im Fall einer Gefahr koordiniertes Handeln schwierig und kostspielig, so der Hinweis. Schon in den 50er Jahren wurde über eine nationale Küstenwache diskutiert, heraus kam 40 Jahre später eine typisch deutsche Lösung:  der Koordinierungsverbund Küstenwache. Erst im Ernstfall, wie jetzt bei der Havarie der Glory Amsterdam, werden diese Schwächen im System wieder deutlich. Meta Janssen-Kucz, Sprecherin für Häfen und Schifffahrt der Grünen-Fraktion, sprach gestern im Ausschuss von offenen Punkten, die seit Jahren bekannt seien. Warum Politik und Behörden dennoch seit Jahren und Jahrzehnten nicht in der Lage sind, eine einfache und einheitliche Lösung zu finden, fasste sie in einem Satz zusammen: „Es ist sehr weit weg, was auf offener See passiert.“ Mail an den Autor dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #25.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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