Digitale Geschäftsmodelle sind dem Mittelstand noch fremd
Hand in Hand mit Robotern arbeiten – oder soziale Medien aktiv zur Selbstvermarktung nutzen: Für große Unternehmen ist das längst selbstverständlich. Aber nicht für den Mittelstand. Einer neuen Umfrage des Arbeitgeberverbands Niedersachsenmetall zufolge haben sich nur 24 Prozent der befragten niedersächsischen Industrieunternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern schon ausgiebig mit digitalen Geschäftsmodellen beschäftigt, bei den kleinen Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern sind es nur elf Prozent.
„Wir müssen aufpassen, dass der Mittelstand nicht den Anschluss verliert“, sagt Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt. Eine Lösung für das Problem sieht er im Nachwuchs. Junge Fachkräfte, die mit digitaler Technik aufgewachsen sind, sollen den älteren Kollegen nicht nur die Scheu nehmen, sondern auch neue Ideen ins Unternehmen bringen. Dreh- und Angelpunkt dafür sind die Berufsschulen. Auf einer Fachtagung haben sich der Arbeitgeberverband, Kultus- und Wirtschaftsministerium darüber ausgetauscht, wie die Berufsschulen zu Zentren digitalen Lernens werden können.
Einige vielversprechende Ansätze dafür gibt es bereits. Lars Windelband, Professor an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, lobte vor allem das im vergangenen Jahr in Niedersachsen gestartete Projekt „BBS fit für 4.0“. Darin lernen die Schüler in einer originalgetreu nachempfundenen Umgebung unter realen Bedingungen, wie ein digitalisierter Betrieb arbeitet. Sieben Schulen an vier Standorten bieten diese sogenannten „Smart Factories“ bereits an, das Land hat ihren Aufbau mit einer Million Euro gefördert. Jetzt kommen noch vier weitere Schulen in Wolfsburg und Lüneburg dazu. „Das Projekt zeigt, wie sinnvoll es ist, die Bedürfnisse der Unternehmen in den Unterricht zu integrieren“, sagt Windelband. Davon profitierten vor allem die Mittelständler.
Auch Wirtschaftsminister Olaf Lies stellte die Bedeutung der Berufsschulen für den Digitalisierungsprozess der Wirtschaft heraus. „Junge, digitalaffine Leute sind die beste Wirtschaftsförderung, die ein Unternehmen bekommen kann“, sagte er. Das zeige, welche Rolle der dualen Ausbildung zukomme. Und das Interesse sei da. „Die Jugendlichen haben verstanden, dass eine duale Ausbildung ein Riesenschritt für die Karriere ist und genauso gut wie ein Bachelor“, sagt Lies. Das müsse weiter ausgebaut werden. Und dafür müsse man dort ansetzen, wo man die Nachwuchskräfte möglichst früh erreicht: in der Berufsschule.
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Allerdings ist der Weg zur digitalen Berufsschule noch steinig. „Für gewöhnlich hinken Berufsschulen in ihrer Ausstattung und ihren Unterrichtsinhalten einige Jahre hinterher“, sagte Forscher Windelband. Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Schmidt hat für die niedersächsischen Berufsschulen drei besonders gravierende Problembereiche ausgemacht: den vor allem in ländlichen Regionen noch fehlenden Anschluss an schnelles Internet, eine ungenügende Ausstattung mit modernen Geräten und Software sowie überaltertes Lehrpersonal. „In den nächsten zehn Jahren geht ein Drittel der Berufsschullehrer in Rente“, sagte Schmidt. Dadurch fehle nicht nur in vielen Schulen die digitale Kompetenz, sondern es drohe auch ein Lehrermangel. „Ein klares Plädoyer der Politik für eine leistungsfähige Berufsschulinfrastruktur ist daher ein notwendiger Schritt, um den Mittelstand vor allem im ländlichen Raum zu sichern“, sagte Schmidt.