Aus der Niedersachsen-CDU mehren sich die Stimmen, die eine Doppelspitze in der Nachfolge für Parteichef Armin Laschet für angemessen halten. „Ich denke, das wäre in der augenblicklichen Situation der beste Weg“, sagte Uwe Schünemann, Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Hildesheim, dem Politikjournal Rundblick. „Wir sollten uns breit aufstellen und verschiedene Strömungen zur Geltung kommen lassen“, fügte er hinzu. Für den männlichen Teil eines solchen Duos könne er sich gut den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer vorstellen.

Auch die Landesvorsitzende der CDU-Frauenunion, Mareike Wulf, plädiert für eine Doppelspitze: „Ein solches Team könnte glaubwürdig den Neuanfang vermitteln. Die beiden müssten sich gut verstehen und die Aufbauarbeit für die Partei in den Mittelpunkt stellen“, sagte Wulf dem Politikjournal Rundblick. Namen wolle sie nicht nennen. Als erste niedersächsische CDU-Politikerin hatte CDU-Bundesvize Silvia Breher (Cloppenburg) die Idee der Doppelspitze vorgetragen, den Gedanken dann aber nicht vertieft. Der Braunschweiger CDU-Kreisvorsitzende Carsten Müller hat eine Befragung der Mitglieder seines Verbandes gestartet – und will auch zur Doppelspitze ein Meinungsbild erkunden. Die Befragung läuft bis November. Als mögliche Bewerber für den CDU-Vorsitz werden neben Kretschmer die CDU-Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz und Carsten Linnemann genannt, außerdem der Außenpolitiker Norbert Röttgen und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. In der Riege der Frauen gerät die saarländische Bundestagsabgeordnete Nadine Schön ins Blickfeld, außerdem Katja Leikert aus Hessen, Wiebke Winter aus Bremen und Ellen Demuth aus Rheinland-Pfalz.
Als sich vor wenigen Tagen die niedersächsischen CDU-Kreisvorsitzenden zu einer ihrer regelmäßigen Konferenzen trafen, war die Analyse von großer Einigkeit geprägt. „Wir haben in den vergangenen 15 Jahren die inhaltliche Arbeit vernachlässigt“, sagt einer der Teilnehmer. Die CDU sei zu sehr auf die Bundeskanzlerin und ihre Positionen ausgerichtet gewesen – und habe es versäumt, daneben noch eigenes Profil zu bilden. Das soll nun anders werden. Für Ende November plant die Niedersachsen-CDU eine Programmtagung, und die Erwartung des Landesvorstandes ist dabei durchaus, dass unkonventionelle, neue und frische Positionen auf den Tisch kommen.

Dass die Union sehr wahrscheinlich bald auf absehbare Zeit im Bundestag eine Oppositionsrolle wird annehmen müssen, wird in der Landespartei eher als Chance denn als Last begriffen. In der Abgrenzung zu womöglich wenig überzeugenden Kompromissen einer Ampel-Koalition könne auch ein Beitrag zur Profilbildung bestehen.
Derweil tastet sich die CDU an den Prozess der Aufarbeitung der Wahlniederlage heran. Der scheidende Vorsitzende Armin Laschet sprach in Goslarer Hotel „Achtermann“, wo vor 71 Jahren der CDU-Gründungsparteitag stattfand. Er sagte, die CDU solle ihren Anspruch als Volkspartei halten, also für viele verschiedene Schichten und Gruppen integrierend wirken. In der Oppositionsarbeit solle die Union „nicht schnell, laut und schrill“ auftreten, sondern „konstruktiv“. Wichtig sei dafür die Geschlossenheit, an der es seit 2018 gemangelt habe. Alt-Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte in Goslar, der Erneuerungsprozess in der CDU müsse jetzt „hauptsächlich gründlich und nicht hauptsächlich schnell“ gehen, die Neupositionierung in der Sache müsse am Anfang stehen, dann erst sollten Personalfragen geklärt werden.

Niedersachsens CDU-Chef und Ministerpräsidentenkandidat Bernd Althusmann erklärte, der Bundestagswahlkampf habe aus „Worthülsen“ bestanden – und die Union habe keine Antwort auf die Forderung der Gegner nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro gefunden. Der Neuanfang der CDU müsse nun damit beginnen, ein „Wertefundament“ zu errichten. Die Rolle Deutschlands in der Welt sei dabei ebenso wichtig wie die Frage nach der richtigen Energieversorgung und der angemessenen Altersversorgung. Auch eine grundlegende Reform des Schulwesens – in Richtung einer besseren Angleichung der verschiedenen Länder-Regeln – könne ein wichtiges Thema sein.