„Diese Preise hält niemand durch“: Busunternehmer warnen vor Kollaps
Die aktuelle Kostenexplosion bei Benzin und Diesel als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine bringt nicht nur Autofahrer zur Verzweiflung. Den privaten Verkehrsunternehmen in Niedersachsen steht das Wasser schon jetzt bis zum Hals. „Was da gerade läuft, ist der ganz dicke Hammer. Wenn nichts passiert, gehen private Unternehmen reihenweise pleite“, warnt Busunternehmer Rainer Levelink aus Meppen im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.
Die Omnibusbetriebe hätten für 2022 mit Kraftstoffpreisen von 1,20 bis 1,30 Euro (ohne Mehrwertsteuer) kalkuliert. Gestern kostete ein Liter Diesel jedoch 1,748 Euro (ohne Mehrwertsteuer). Um das niedrigere Preisniveau wieder zu
erreichen, gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: Die Energiesteuer muss weg. „Und das am besten ganz, ganz schnell“, sagt Levelink, dessen Unternehmen mit 40 Bussen den Schul- und Linienverkehr in Meppen und im Emsland im Einsatz ist. „Wir fahren schon jetzt nicht mehr kostendeckend.“
Das Busunternehmen in Meppen ist kein Einzelfall. Vielmehr hat Levelink im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben in Niedersachsen die Kraftstoffpreise für 2022 noch relativ vorsichtig kalkuliert. „Man weiß ja: Das Benzin wird nicht mehr billiger“, sagt er. Laut Levelink machen Kraftstoffe bisher etwa 40 bis 50 Prozent aller Ausgaben eines Omnibusunternehmens aus. Weil sein Betrieb einen vergleichsweise großen Fuhrpark hat, könne er noch „das eine oder andere hin- und herschieben, um ein paar Kraftstoffkosten einzusparen“. Kleinere Subunternehmen, die praktisch in jedem Tarifgebiet unverzichtbar sind, hätten diese Möglichkeit nicht. Ein anderer Busunternehmer berichtet sogar: „Ich habe einen kleinen Subunternehmer, der kommt nicht mehr klar mit dem Geld. Wenn die Preise so bleiben, ist der Mitte April insolvent.“
GVN: Busgewerbe muss entlastet werden
„Die Unternehmen wissen nicht, wie es in Zukunft weitergehen soll. Nach zwei Jahren Corona – und auch hier ist noch kein Ende in Sicht – nun diese Kostenexplosion bei der Dieselbeschaffung. Diese Kosten kann auch der vorsichtigste Kaufmann nicht in seiner Kalkulation berücksichtigt haben“, sagt Michael Kaiser, Landesgeschäftsführer der Fachvereinigung Omnibus und Touristik beim Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN). Der plötzliche Preisanstieg sei umso dramatischer, da der jüngste Tarifabschluss im Januar auch die Personalkosten für private Betriebe um fast 7 Prozent erhöht hat. „Eine Mehrwertsteuersenkung wäre der falsche Weg“, sagt Kaiser, „das Busgewerbe braucht eine Entlastung bei der Energiesteuer, und zwar in der Höhe der gestiegenen Kosten der letzten drei Monate“. Bei Benzin liegt die Energiesteuer bei 65,45 Cent pro Liter, auf Diesel bei 47,04 Cent.
Als Reaktion auf den Energiepreis-Anstieg hat die Bundesregierung am Donnerstag nur die Abschaffung der EEG-Umlage beschlossen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte zwar: „Wir müssen aber angesichts der jetzt exorbitant gestiegenen Preise über weitere Entlastungen reden.“ Die nächsten Schritte nannte er aber nicht. In der Bundespolitik und in Niedersachsen mehren sich die Stimmen derer, die eine Absenkung der Energiesteuer fordern. Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) gehört zu den Befürwortern dieser Maßnahme.
„Ich glaube, dass die Bundesregierung hier kurzfristig ein größeres Entlastungspaket schnüren muss. Eine temporäre Senkung der Energiesteuer könnte insofern ein wichtiger Baustein sein.“
Bernd Althusmann, Wirtschaftsminister
„Die aktuelle Energiepreisentwicklung aufgrund des Ukrainekriegs ist besorgniserregend für das gesamte Transportgewerbe. In Einzelfällen könnte das für Busunternehmen sogar existenzbedrohend werden“, sagte Althusmann gestern gegenüber dem Rundblick und meinte hinsichtlich des Kostendrucks auf die Unternehmen: „Ich glaube, dass die Bundesregierung hier kurzfristig ein größeres Entlastungspaket schnüren muss. Eine temporäre Senkung der Energiesteuer könnte insofern ein wichtiger Baustein sein.“
Logistikbranche ruft um Hilfe
Der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) fordert sogar beides: Eine temporäre Absenkung der Mehrwert- sowie der Energiesteuer. „Die jüngsten Preisexplosionen bedeuten eine immense Kostenwelle für Unternehmen und Verbraucher, erhöhen die Inflation und wirken lähmend auf sämtliche Branchen“, sagt BWVL-Präsident Jochen Quick. Und auch die anderen Branchenverbände schlagen Alarm. In einem Hilferuf an die Politik forderten sie eine unverzügliche staatliche Intervention. „Andernfalls kann die Logistikwirtschaft die Versorgungssicherheit nicht aufrechterhalten und die Busbrache insbesondere nicht den Reisebusverkehr“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung.
„Die weitere Wirtschaftlichkeit speditioneller und logistischer Dienstleitungen hängt jetzt wesentlich davon ab, in welchem Umfang es Transportunternehmen gelingt, die konstant steigenden Kosten am Güterverkehrsmarkt zu platzieren“, sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV).
Taxi-Unternehmen in Gefahr
„Taxiunternehmen sind nicht Herr ihrer Entgelte. Die Taxitarife werden von den Kommunen, Städten und Landkreisen vorgegeben. Eine Anpassung würde nur regional und nur für Taxis wirken. Eine Umsetzung dauert zu lang. Benötigt wird eine Entlastung bei der Energiesteuer“, sagt auch Christian Brüggmann, Landesgeschäftsführer der GVN-Fachvereinigung Taxi und Mietwagen. Er wies in diesem Zusammenhang auf die Systemrelevanz der Branche hin: „Das Taxigewerbe befördert viele Menschen zu Strahlen-, Chemotherapien und zur Dialyse. Gerade in ländlichen Gebieten, wo häufig keine Buslinien regelmäßig verkehren, sind sie Garant für eine 24/7 Mobilität der Bürger.“ Ohne eine massive Entlastung bei der Energiesteuer seien sämtliche Unternehmen insolvenzgefährdet, zumal die Personalkosten durch Mindestlohnanhebungen würden in diesem Jahr bereits um 22 Prozent steigen.
Dieselpreise so hoch wie noch nie
Laut einer Sonderauswertung des ADAC hat sich der Dieselpreis innerhalb einer Woche um fast 40 Cent verteuert. Im bundesweiten Tagesdurchschnitt lag der Diesel am Dienstag mit 2,150 Euro pro Liter sogar noch vor Super E10 mit 2,103 Euro. „Der Grund, warum Diesel derzeit teurer ist als Benzin, liegt vor allem in der gestiegenen Heizölnachfrage“, erläutert der Verkehrsclub. Normalerweise setze diese erst in der zweiten Jahreshälfte ein. L
aut ADAC führen die Versorgungsängste und Bedenken der Verbraucher wegen noch höherer Ölpreise im Herbst schon jetzt zu einem Run auf Heizöl. „Dies sorgt für eine besonders starke Verteuerung beim Heizöl und damit auch beim verwandten Diesel-Kraftstoff.“ Eine 50-Liter-Tankfüllung hat sich laut ADAC um rund 20 Euro verteuert. Für Busunternehmen sind die Zusatzkosten deutlich höher. Ein ganz normaler Stadtbus hat in etwa einen Dieselverbrauch von rund 30 Liter pro 100 Kilometer. Ein Gelenkbus kommt durchaus auf 40 Liter.
ÖPNV-Preise werden 2023 enorm steigen
Schon zum Fahrplanwechsel 2021/2022 sind die Ticketpreise in vielen Tarifgebieten in Niedersachsen auf Rekordniveau gestiegen. Im Tarifgebiet von Rainer Levelink seien die Preise im Schnitt um über 6 Prozent gestiegen. „Das haben wir bislang noch nicht gehabt“, sagt der Unternehmer und erwartet für das kommenden Jahr einen neuen Rekordanstieg. „Die gestiegenen Lohn- und Kraftstoffkosten hatten wir bei der letzten Fahrpreisanpassung noch gar nicht einberechnet.“ Auch ein anderer Busunternehmer bestätigt gegenüber dem Rundblick diese Einschätzung. „2023 wird der bislang höchste Preisanstieg kommen“, sagt der Geschäftsführer eines kleinen niedersächsischen Omnibusbetriebs.
Levelink macht sich deswegen große Sorgen um die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs in der Fläche. „Auch die Fahrgäste sind angefasst, wenn man mit solchen Preissteigerungen um die Ecke kommt“, meint er. Die Busunternehmer haben nach seiner Einschätzung keinen Handlungsspielraum. „Wenn ich meine Aufträge zurückgebe, weil sie nicht mehr kostendeckend sind, verbaue ich mir die Zukunft.“ Große Hoffnung, dass die Dieselpreise von selbst wieder sinken, hat er nicht. Er hofft jedoch, dass der öffentliche Druck die Politik zum Handeln zwingt. „Ich habe auch den Eindruck, dass die Politik etwas an Entscheidungsfreudigkeit gewonnen hat.“
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