„Die USA stehen sich mit Sanktionen nur selbst im Weg“
Er droht mit Handelsbeschränkungen und hohen Zöllen, doch aus Sicht der europäischen Wirtschaft ist US-Präsident Donald Trump im Vergleich mit dem bevorstehenden Brexit eindeutig das kleinere Problem. Zu dieser Einschätzung kommen der Europaabgeordnete Bernd Lange und Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall. „Die USA sind vor allem im Bereich Industrie viel stärker auf uns angewiesen als wir auf sie“, sagte Schmidt in einer Diskussionsrunde in der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin. „Trump will zwar amerikanische Unternehmen bevorzugen, doch gerade im Maschinen- und Fahrzeugbau gibt es so gut wie keine US-Firmen, die diese Lücke füllen können.“ Daher stehe die USA sich mit ihren Handelsrestriktionen in erster Linie selbst im Weg. Die bevorstehenden wirtschaftlichen Hemmnisse durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union bewertet Schmidt dagegen dramatischer. „Hier müssen Handelsabkommen getroffen werden, damit sowohl die britischen Unternehmen wie auch die niedersächsischen Firmen, die in Großbritannien produzieren, keinen massiven Schaden erleiden.“ Dass es für beide Seiten verträgliche Handelskonditionen geben muss, steht auch für Lange, Vorsitzender des EU-Ausschusses für internationalen Handel, außer Frage. Doch aus politischer Sicht sieht er mit dem Brexit eine Chance, die der EU schon lange fehlte.
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„Erst das Votum für den Brexit und danach die Wahl Trumps zum Präsidenten wirken wie ein Weckruf“, glaubt Lange. Es sei ein Signal, das die Kraft habe, die tiefen Gräben, die im Laufe der Jahre zwischen den Mitgliedsstaaten entstanden sind, zu kitten. „Wir müssen jetzt wieder stärker zusammenstehen und über unsere gemeinsame Zukunft nachdenken.“ Auf politischer Ebene sei der Brexit fast eine Art Befreiung, denn Großbritannien habe sich immer wieder als Bremse im Gesetzgebungsprozess erwiesen, die stets Sonderkonditionen aushandeln wollte und konnte. „Das alles fällt nun weg. Wenn wir diese Chance nutzen, wird das der Gemeinschaft guttun.“
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Bei den Verhandlungen zum Brexit geht es für ihn vor allem darum, den Status Quo für den europäischen Handel zu erhalten. „Großbritannien wird definitiv der Verlierer dieses Austritts sein, doch wir wollen vernünftige Handelsbeziehungen pflegen“, sagt Lange. Immerhin sei Großbritannien weiterhin Partner der EU in anderen Gremien wie der Nato. Zudem wolle man nicht, dass die Bürger die Verbraucher und die Unternehmen auf beiden Seiten die Zeche zahlten, etwa durch höhere Preise und schlechtere Konditionen. Die Prinzipien der Verhandlungen mit Drittstaaten gelten auch für den Inselstaat. „Zum Beispiel das Aushandeln von Lizenzen für den Euro-Raum oder den Zugang zum Binnenmarkt“, sagt Lange. Geklärt werden müsse etwa auch, wie künftig mit Fahrzeugen „Made in Great Britain“ umgegangen werde. „Die britischen Autos werden ja nur zu einem kleinen Teil dort gebaut, die Teile kommen aus Europa.“ Eine Sonderbehandlung für Großbritannien werde es aber dennoch nicht geben.
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Allerdings sind der Brexit und Trump auch ein Weckruf für die Handelspolitik der EU. Denn die Populisten sind überall dort stark, wo sich die Menschen als vom Fortschritt und Wohlstand abgehängt fühlen. „Wir müssen die Globalisierung der Handelswelt besser verwalten, damit sie weniger Verlierer hervorbringt“, sagt Lange. In Europa bedeute das unter anderem, die Strukturförderung zu verfeinern und auszubauen. „Wir müssen stärker hinschauen, wo liegen die Stärken eines Landes und wie kann man die fördern“, sagt Lange. Eine Möglichkeit dazu biete die geplante Neuauflage des Europäischen Strukturfonds EIF, der kleine und mittelständische Unternehmen in der EU fördert. „Es ist wichtig, das wirtschaftliche Gefälle zwischen den Ländern zu verkleinern, denn Absatzriesen wie Deutschland sind auch von einem Markt abhängig, auf dem die die Nachfrager den Handel leisten können.“
Niedersachsenmetall-Chef Schmidt dagegen glaubt nicht daran, dass die EU sich nur durch Förderung seiner Mitglieder erhalten und entwickeln wird. „Es muss eine Gruppe von Ländern geben, die sich bei politischen Harmonisierungsfragen einig ist und die Integration vorantreibt“, sagt Schmidt. Man könne nicht immer auf die Langsamsten warten, andernfalls werde die Entwicklung der EU stagnieren oder das Bündnis noch mehr Mitglieder verlieren. „Wir müssen ein Europa der zwei Geschwindigkeiten werden.“
Zudem dürfe sich die EU nicht nur um ihre inneren Märkte kümmern. „Wir sind nicht allein auf der Welt und es gibt rasant wachsende Volkswirtschaften, die uns die Spitze streitig machen.“ Da wäre etwa China, das besonders im Bereich E-Mobilität auftrumpft. Aber auch der Nahe Osten werde in einigen Jahrzehnten ein ernsthafter Konkurrent sein. „Wir sind in Europa eine gereifte Gesellschaft, das macht uns aber weniger aufgeschlossen gegenüber Innovationen“, sagt Schmidt. Die EU müsse daher die wirtschaftlichen Bereiche fördern, in denen Europa jetzt an der Spitze steht. „Das ist der technische Bereich und weniger die Digitalisierung.“