Als die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers vor ein paar Wochen in einer Hotellounge im Herzen der Landeshauptstadt ihren neuen Zukunftsprozess offiziell eingeläutet hatte, lag Euphorie in der Luft. Man war elektrisiert vom Neuen, das da kommt, und blickte voller Zuversicht in die Zukunft. Mit einem breit angelegten Beteiligungsverfahren will die mitgliederstärkste Gliedkirche der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) sich neu erfinden und zukunftsfest aufstellen.

Nach der freudigen Feier folgt nun aber das verkaterte Erwachen. Im großen Saal des Henriettenstifts, nur ein paar hundert Meter von jenem Hotel entfernt, von wo aus man den Startschuss damals gestreamt hatte, gab es gestern die nüchterne Kehrseite dieses Prozesses zu beobachten. Denn der Weg zum Neuen wird, wenn man ihn konsequent geht, gepflastert sein von vielen Abbrüchen und auch schmerzlichen Verlusten.


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Die Botschaft des landeskirchlichen Finanzdezernenten, Oberlandeskirchenrat Fabian Spier, war eindeutig: Das Geld wird knapp, die Kirche muss sparen, und künftig wird nicht mehr jede Gemeinde jedes Angebot vorhalten können. Diese Entwicklung ist nicht neu und längst bekannt – doch auf der Herbst-Tagung der Landessynode, bei der die rund 80 ehrenamtlichen Delegierten derzeit über den kommenden Doppelhaushalt für die Jahre 2023 und 2024 beraten, wird der Sparzwang allmählich auch spürbar.

Es muss gespart werden: Oberlandeskirchenrat Fabian Spier stellt den Haushaltsentwurf für 2023/24 vor. Foto: Kleinwächter

Als Spier am Mittwoch den Etatentwurf des Kirchenamtes vorstellte, sprach er erneut von einem Sparhaushalt und kündigte an, dass der finanzielle Handlungsspielraum schrumpfen werde. Künftig sollen jährlich zwei Prozent der Ausgaben eingespart werden – auch bei den tarifbedingt steigenden Personalkosten. Die erhoffte Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse sei nach den Corona-Jahren aufgrund der weltpolitischen Lage nicht eingetreten. Bei den Einnahmen steuere man zunächst auf eine „stabile Seitwärtsbewegung“ zu, die verfügbaren Mittel bleiben also vorerst noch gleich. Weil die Ausgaben wegen wachsender Personal- und Energiekosten und der Inflation aber steigen, bleibt am Ende real weniger übrig.

Kirche setzt im Haushalt Schwerpunkte

Die Kirche muss also sparen. Doch wo fängt man da an? Zunächst einmal setzt dieser Haushalt klare Schwerpunkte auf bestimmte Vorhaben. So werden pro Jahr 2 Millionen Euro für die Förderung attraktiver Gemeindebüros bereitgestellt, doppelt so viel wie in den Vorjahren. Der bereits beschriebene Zukunftsprozess wird mit 595.000 Euro im Jahr finanziert. Für den Kirchentag, der 2025 in Hannover ausgerichtet wird, gibt es 1,5 Millionen Euro in 2023 und 3,2 Millionen Euro in 2024. Für Gebäudesanierungen werden 5,7 Millionen Euro in den Haushalt gestellt und für die ersten Kirchenvorstandswahlen 2025, die komplett als Brief- oder Online-Wahl stattfinden sollen, gibt die Landeskirche 2,1 Millionen Euro pro Jahr aus. 650.000 Euro steckt man in den Fonds für missionarische Aufbrüche.



Wenn es aber um Schwerpunktsetzungen geht, wird es nicht ohne Konflikte gehen. Der Etatentwurf des Landeskirchenamtes sieht schon ein paar Sperrvermerke vor. Der Weg zu einer Kirche, die nicht mehr das gesamte Spektrum anbieten kann, beginnt offenbar jetzt. Konkret sichtbar wurde das gestern bei den Bereichen Klöster und Kirchenmusik. Mehrere Synodale beklagten etwa, dass dem ehemaligen Zisterzienserkloster Amelungsborn im Landkreis Holzminden 1,5 Millionen Euro für Baumaßnahmen nur dann ausgezahlt werden sollen, wenn ein Konzept zur inhaltlichen Ausrichtung des Hauses vorgelegt wird.

Bereits am Vortag sollen die Synodalen hitzig über diese Angelegenheit diskutiert haben. Im Plenum sagten dann die einen, sie sehen in dem am Pilgerweg gelegenen Kloster einen „wichtigen Ort für spirituelle Einkehr“, das Konzept sei seit je her „ora et labora“ und deshalb sei es richtig, dass das Gebäude so abgelegen und still dasteht.

Hat dieser Ort Zukunft? Das Landeskirchenamt drängt auf ein Konzept für das Kloster Amelungsborn. | Foto: Wallbaum

Andere bekannten jedoch, gar keine emotionale Bindung zu diesem Kloster zu haben – anders als etwa zum Kloster Loccum, das ebenso wie das Kloster Amelungsborn in der neuen landeskirchlichen Verfassung verankert worden ist. Neben Loccum, das durch seine zentrale Lage und das angeschlossene Predigerseminar eine herausgehobene Stellung in der Landeskirche Hannovers einnimmt, ist Amelungsborn eher der arme Verwandte, bei dem es nicht so luxuriös zugeht und der auch weniger Zuwendungen erhält.

Wie wichtig und wie identitätsstiftend ist Amelungsborn nun für diese Kirche? Ginge es nach Regionalbischof Stephan Schaede, der dem Konvent des Klosters angehört, muss genau diese Debatte nun geführt werden – und zwar nicht nur in Bezug auf Amelungsborn. Es gehe um eine mittelfristige Ausrichtung aller Klöster der Landeskirche, sagte er.

Auch bei der Kirchenmusik soll gespart werden

Kritik an bevorstehenden Sparmaßnahmen gab es zudem auch aus dem Ausschuss für Kirchenmusik. Dass im Hildesheimer Michaeliskloster, dem Zentrum für Kirchenmusik, zweieinhalb Stellen eingespart werden sollen, will man nicht hinnehmen. Dass die Einsparungen nun ausgerechnet überproportional den Bereich der Posaunen-Musik treffen sollen, hält man für einen Angriff auf die Kirchenmusik vor Ort und fordert ein Moratorium bis zum Abschluss des Zukunftsprozesses. Bereits jetzt zu kürzen sei ein „fatales Signal“ für das Beteiligungsverfahren, sagte ein Synodaler. Bei den „rigiden Sparmaßnahmen“ solle man doch erstmal auf Pause drücken.

Marie-Luise Brümmer betont: „Schwerpunktsetzungen, die zu Einsparungen führen, sind notwendig.“ | Foto: Jens Schulze

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit Kürzungen zu beginnen? Die Vorsitzende des synodalen Finanzausschusses, Marie-Luise Brümmer (Hannover), betonte, dass es zwar noch einmal gelungen sei, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, doch sie sagte auch: „Schwerpunktsetzungen, die zu Einsparungen führen, sind notwendig. Ich hätte mir diese bereits für diesen Doppelhaushalt gewünscht.“

Und auch der stellvertretende Vorsitzende des Landessynodalausschusses, Martin Steinke (Osnabrück), warnte bereits eindringlich: „Wir verlieren als Landeskirche Handlungsfähigkeit, wenn wir nicht jetzt beginnen, aktiv gegenzusteuern.“ Noch sei ein Plus bei den Kirchensteuereinnahmen von 29 Millionen zu erwarten – doch die habe man schon komplett verplant.

„Wir verlieren als Landeskirche Handlungsfähigkeit, wenn wir nicht jetzt beginnen, aktiv gegenzusteuern“, mahnt Martin Steinke. | Foto: Jens Schulze

Der Finanz- und der Landessynodalausschuss haben deshalb nun gemeinsam vorgeschlagen, einen Unterausschuss Finanzplanung zu gründen, der bereits im Vorfeld der Haushaltsberatungen in zwei Jahren die Leitplanken für die mittelfristige Finanzplanung erarbeiten soll. Weil Steinke meint, dass konkrete Einsparpotenziale nur bedingt durch den Zukunftsprozess zu erwarten seien, soll der neue Unterausschuss quasi in Symbiose mit dem Zukunftsprozess arbeiten. „Das muss ganz eng verzahnt werden“, sagte er dem Politikjournal Rundblick auf Nachfrage.

Ein Moratorium bei den Ausgabenkürzungen sehen die Sprecher der beiden Ausschüsse jedenfalls als unmöglich an. Brümmer erklärte, man könne nicht mehr warten, und: „Beginnen heißt Euphorie, einen Prozess zu beenden heißt Disziplin – und das brauchen wir jetzt alle.“