20. Dez. 2022 · 
Wirtschaft

Die Kosten steigen: Neue Friesenbrücke dürfte bis zu 210 Millionen Euro verschlingen

Die Friesenbrücke vor dem Beginn der Bauarbeiten im Mai 2019. | Foto: DB Netz AG/Alexander Heinemann

Im unendlichen Streit um den Neubau der Friesenbrücke über die Ems bei Weener (Kreis Leer) gibt e jetzt neue Zahlen. Auf eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Victor Perli aus Wolfenbüttel teilte das Bundesverkehrsministerium mit, dass sich die Kosten nach dem Ergebnis der Ausschreibungen, die von der DB Netz AG in Gang gebracht worden waren, auf 210 Millionen Euro ausweiten. Ende August hatte die Bahn mitgeteilt, dass die 200-Millionen-Grenze überschritten werde – gegenüber bis dahin geplanten 125 Millionen Euro. Perli kommentierte die neuen Zahlen so: „Es ist gut und richtig, dass der Bund Geld für die Friesenbrücke gibt. Wir haben es jetzt aber schwarz auf weiß, dass die Kritiker des Ersatzbaus als Drehbrücke Recht behalten haben. Eine schnellere und kostengünstigere Lösung wäre möglich gewesen. Die Pendler müssen jahrelang zeitintensive Umwege in Kauf nehmen und die Baukosten für die öffentliche Hand laufen aus dem Ruder. Die Brücke muss so schnell wie möglich fertiggestellt werden. Die Menschen in der Region haben ein Recht darauf, dass die Bahn zwischen Leer und Groningen endlich wieder fährt.“

Victor Perli | Foto: Linke

Auf Anfragen von Perli hat das Bundesverkehrsministerium die Zusammenhänge erläutert – vor allem zu der Frage, warum sich die Gesamtkosten gegenüber 2021 um 85 Millionen Euro erhöht haben. Dabei zitiert das Ministerium die DB Netz AG und verweist auf die überdurchschnittliche Preisentwicklung. Diese beziehe Risikoaufschläge wegen des Ukraine-Krieges mit ein. Zu Buche würden auch die gestörten Lieferketten bei sehr hohem Materialaufwand für den Stahl schlagen. Erschwerend komme hinzu, dass es für dieses komplexe Bauwerk und die Einzelteile nur einen begrenzten Wettbewerb gebe – man also gezwungen sei, auf Angebote auch zu hohen Preisen einzugehen.

Ein Zug überquert eine neue gebaute Friesenbrücke. | Quelle: ARGE Friesenbrücke

Bundesverkehrsminister Volker Wissing erklärt sodann, die Finanzierung der erwarteten Gesamtkosten von rund 210 Millionen Euro sei gesichert und werde aus Bundesmitteln „der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III“ gewährleistet. Hinzu kämen Mittel des Landes Niedersachsen von 12,6 Millionen Euro und Mitteln aus Versicherungsleistungen für den Schadensausgleich (2 Millionen Euro). Beim Anteil des Landes gibt es nun eine Veränderung, denn noch im Januar 2022 hatte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Michael Theurer, von einem Landesanteil von 10,5 Millionen Euro berichtet. Jetzt erklärt das Bundesministerium, das Land habe seinen Part um 2,1 Millionen Euro erhöht, dieser beziehe sich auf den Fuß- und Radweg auf der Brücke. Kurzfristig folge der Abschluss einer entsprechenden Finanzierungsvereinbarung.

Was den Anteil des Bundes angeht, teilt sich die Summe der Mehrkosten so auf: 81 Millionen Euro stehen als Baukostenzuschüsse im Bundeshaushalt 2023 – davon 48,5 Millionen für 2023 und Verpflichtungsermächtigungen von 32,6 Millionen für die Jahre 2024 und 2025. Auf die Frage nach der Fertigstellung antwortet das Bundesverkehrsministerium mit einem Verweis: „Die DB Netz AG geht weiterhin von einer Inbetriebnahme der Friesenbrücke zum Jahresende 2024 aus.“ Der Hinweis von Perli auf „eine schnellere und kostengünstigere Lösung“ bezieht sich auf den Beginn der Debatte. Im Dezember 2015 war die Brücke von einem Frachter gerammt und zerstört worden.

Zunächst war von einer Reparatur die Rede – diese hätte nach damaligen Schätzungen 30 Millionen Euro kosten und spätestens 2021 fertiggestellt sein sollen. Dagegen jedoch intervenierte die Meyer-Werft, denn die breiteste Stelle der Brücke zählte 47 Meter, für den Transport dicker Kreuzfahrtriesen sei dies ein „Nadelöhr“, die Durchfahrtsbreiten in Leer (Jan-Berghaus-Brücke) und am Emssperrwerk sind breiter. Außerdem erforderte bisher jeder größere Transport der Werft über den Fluss, dass der Mittelteil der Brücke mit Kränen herausgelöst werden musste – ein Aufwand von angeblich 250.000 Euro für jede dieser Einzelaktionen. Daher wurde der Einbau der neuen Hub-Dreh-Brücke vereinbart, sie soll die größte Brücke dieser Art in Europa werden. Den Bedenken der Werft kam man also entgegen.

Perlis Argumentation bleibt indes nicht unwidersprochen. Aus der Region heißt es, zwei wesentliche Argumente hätten schon bald nach Beginn der Debatte für den jetzt eingeschlagenen Neubau gesprochen: Erstens wurde festgestellt, dass die alte Brücke eben gerade nicht mit einfachen Mitteln zu reparieren gewesen sei. Vielmehr seien die Bau- und Denkmalvorgaben so kompliziert gewesen, dass dieser Weg aufwendiger geworden wäre als zunächst geschätzt. Zweitens sei bei Beginn der Arbeiten festgestellt worden, dass der Schaden dort viel größer war als angenommen. Eine viel teurere Generalsanierung wäre also nötig gewesen – und das sei im Vergleich zu dem jetzt begonnenen Verfahren nicht zwingend die günstigere Variante gewesen.

Dieser Artikel erschien am 21.12.2022 in Ausgabe #228.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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