4. Mai 2020 · 
Soziales

Die Kirche hat weiter große Probleme mit Beerdigungsfeiern

Gottesdienste werden wieder möglich, das ist ein Bestandteil der neuen Verordnung, die heute vom Sozialministerium vorgestellt wird. Allerdings sind Abstandsregeln einzuhalten und auf bestimmte gewohnte Rituale werden die Gläubigen weiter verzichten müssen, erläutert Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track von der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen. Probleme sieht sie bei den Beerdigungen, vor allem in ländlichen Gegenden: „Dort ist es vielerorts üblich, dass die Dorfgemeinschaft erscheint – und mehr als 100 Menschen zusammenkommen, um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen. Das kann aber wegen der fortdauernden Corona-Beschränkungen kaum eingehalten werden“, erläutert Gäfgen-Track. Direkt auf dem Friedhof können sich künftig mehrere Menschen aufhalten – aber auch nicht unbegrenzt viele. Schon die Akustik werde dann schwierig. Und wenn eine Kirche etwa für 350 Menschen Platz biete, hätten die Abstandsregeln, also 1,50 Meter zwischen zwei Personen, oft zur Konsequenz, dass man dort nur 50 Leute unterbringen könne. „Dann ist die Frage, was ich dem 51. Besucher sagen muss, der vor der Tür steht und reingelassen werden möchte“, berichtet die Oberlandeskirchenrätin. Sie rate in solchen Fällen den Kirchengemeinden, sich flexibel zu zeigen. So sei es durchaus möglich, einen Trauergottesdienst später am Tag noch einmal zu wiederholen, also die Trauergemeinde in zwei Gruppen einzuteilen. Eine andere Möglichkeit bestehe darin, dass der Pastor später die Personen, die nicht mehr in der Kirche Platz gefunden haben, zuhause aufsucht und mit ihnen spricht. Denkbar wäre es auch, auf eine größere Kirche in einer benachbarten Gemeinde auszuweichen. „Wir müssen hier sehr flexibel sein“, betont Gäfgen-Track.
Lesen Sie auch:  Wie die Kritiker der Corona-Politik sich in Rage reden #AllesAusserCorona: Darüber spricht gerade niemand…
Was keine Lösung wäre, fügt die Vertreterin der evangelischen Kirche hinzu: „Es wird nicht funktionieren, dass wir in einem Kirchenraum, der für 48 Menschen Platz bietet, dann auf irgendeine Weise 60 Leute unterbringen.“ Im Vordergrund stehe nämlich die Vermeidung von zu engen Kontakten, damit das Risiko einer Ansteckung mit dem Corona-Virus möglichst gering gehalten wird. Diese Haltung der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen, grundsätzlich dem Kurs der Bundes- und Landesregierung in der Bekämpfung der Pandemie zu folgen, drücke sich auch noch in einem anderen Punkt aus. Gegen die bisherigen Gottesdienstverbote hatten nicht die evangelischen und katholischen Kirchen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, sondern eine muslimische Gemeinde, die den Ramadan begehen wollte und dies nach der Verfügung nicht durfte. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche der Klage stattgegeben. Gäfgen-Track sagt, dass auch die christlichen Kirchen schon lange gewusst hätten, auf welch wackeligem Boden das bisherige Verbot der Gottesdienste in Niedersachsen stehe: „Wir haben aber bewusst auf eine Klage verzichtet, weil wir uns als Teil der Zivilgesellschaft sehen und die Einschränkungen der Kontakte aus Gründen des Infektionsschutzes für wichtig ansehen.“ In einem anderen Punkt würden sich die Kirchen stark engagieren, nämlich in der Seelsorge für die Krankenhäuser und die Altenheime – da es enorm wichtig sei, dass die alten Menschen nicht ihrer Einsamkeit überlassen bleiben.

Gottesdienste werden auch in Zukunft einen anderen Charakter haben

Die Gottesdienste selbst werden aus Sicht der Konföderation der evangelischen Kirchen vermutlich künftig öfter auch im Internet übertragen werden, knapper und gestraffter ausfallen und wegen der Schutzvorkehrungen (Mundschutz und Abstand) einen anderen Charakter bekommen. Das übliche Verhalten, zu Beginn mit Leuten zu plaudern, sich mit Handschlag zu begrüßen, dann gemeinsam zu singen und sich vielleicht auch zu umarmen, werde für lange Zeit nicht möglich sein. „Auf Gesang verzichten wir weitgehend“, sagt Gäfgen-Track. Die Kirchen hätten beim Robert-Koch-Institut eine Untersuchung darüber in Auftrag gegeben, wie stark ein kräftiger Gesang tatsächlich eine starke Verbreitung von Viren fördert. Trotz der Beschränkungen gebe der Gottesdienst den Menschen die Gelegenheit, an einem Ort gemeinsam zuzuhören und zu beten. Auch das könne Trost spenden und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugen.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #084.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail