Eigentlich ist es ein Routinevorgang: Peter Götz von Olenhusen, seit bald elf Jahren Präsident des Oberlandesgerichtes Celle, geht demnächst in Pension. Er ist ein ehrwürdiger, über alle Parteigrenzen hinweg geschätzter Richter. Die Nachfolge wurde ausgeschrieben, die Bewerbungsfrist endete vor wenigen Tagen. Doch die Frage, wer die Nachfolge von Götz von Olenhusen antreten soll, kann sich zu einem Politikum entwickeln, das Stoff für den aufkeimenden Wahlkampf liefern könnte. Denn es wird über mehrere bekannte Namen spekuliert.
[caption id="attachment_15696" align="aligncenter" width="599"] Keine leichte Entscheidung für Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz - Foto: MJ Niedersachsen[/caption]
Entscheiden muss Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne). Das Ministerium hüllt sich in Schweigen, über solche Themen wird öffentlich nicht geredet, solange nichts entschieden ist. Der Flurfunk berichtet aber schon seit Wochen, dass Justiz-Staatssekretärin Stefanie Otte Interesse an der OLG-Präsidentenstelle haben könnte. Otte war früher selbst dort Richterin, ging dann ins Justizministerium, gilt als besonders fähig und auch kommunikativ. Außerdem sind Frauen in leitenden Funktionen der Justiz immer noch in der Minderheit. Aber kann eine Staatssekretärin, die ja zum engeren politischen Führungspersonal zählt, zehn Monate vor der Landtagswahl überhaupt die Regierung verlassen und ein leitendes Amt in der Justiz übernehmen? Die Opposition von CDU und FDP, heißt es, würde das vermutlich nicht stillschweigend hinnehmen. Schon Ottes Vorgänger, Staatssekretär Wolfgang Scheibel, war im Juni 2015 zum Präsidenten des OLG Braunschweig ernannt worden. Damals gab es heftige Kritik vor allem aus der FDP – denn als Staatssekretär hatte Scheibel glänzende Voraussetzungen, mit denen er etwaige Konkurrenten mühelos hätte ausstechen können: Er wurde mit B 9 besoldet, und beim Vergleich der Eignung wird auch die Besoldung herangezogen. Die Freien Demokraten rügten, das Staatssekretärsamt sei also „zum Durchlauferhitzer“ für die Karriere in der Justiz geworden – über den Umweg eines hoch besoldeten Amtes in der Regierung habe der Kandidat sich glänzende Bedingungen für den Wechsel in ein Leitungsamt der Justiz geschaffen. Verträgt sich das mit der Unabhängigkeit der Justiz? Der Vorwurf galt Scheibel – und er könnte im Fall der Fälle auch gegenüber Otte vorgetragen werden.
Aber die Spekulationen über die OLG-Präsidentenstelle gehen noch weiter. Auch zwei anderen Juristen wird nachgesagt, womöglich Interesse zu haben - Ralph Guise-Rübe, Präsident des Landgerichts Hannover, und Frank Lüttig, Generalstaatsanwalt in Celle. Beide sind im Rang niedriger als Otte, hätten also im Zweifel geringere Chancen. Gerade was Lüttig angeht, wäre mit seiner möglichen Bewerbung viel politischer Zündstoff verknüpft. Niewisch-Lennartz hatte im Februar 2015 öffentlich erklärt, gegen den Generalstaatsanwalt werde wegen Geheimnisverrats ermittelt – er solle Details aus Ermittlungen gegen Alt-Bundespräsident Christian Wulff und gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy an Journalisten ausgeplaudert haben. Im Juni 2015 stellte die Staatsanwaltschaft Göttingen das Verfahren ein – aber es dauerte noch ein halbes Jahr, bis Niewisch-Lennartz auch das Disziplinarverfahren beendete. Eine richtige Entschuldigung hat es offenbar bis heute nicht gegeben. Der Fall hat tiefe Verletzungen hinterlassen, und die Wunden sind noch nicht verheilt. Vorausgesetzt, es würden sich nun tatsächlich Otte und Lüttig für die OLG-Präsidentenstelle bewerben, so wäre die Ministerin in einer misslichen Situation: Wie würde sie Lüttig, der unter ihrem Vorgänger Bernd Busemann (CDU) sehr geschätzt war, beurteilen? Und wie würde sie ihre eigene Staatssekretärin benoten? Und wenn die Ministerin Otte wegen ihrer höheren Besoldung bei der Stellenbesetzung den Vorzug geben würde – hätte das womöglich einen von Lüttig angestrengten Rechtsstreit über die Frage zur Folge, ob ein Staatssekretär als politischer Beamter in einem solchen Verfahren nicht einen ungerechtfertigten, von der Exekutive gesteuerten Startvorteil hat?
Niewisch-Lennartz hat es nun in der Hand, sie kann sich mit der Sichtung der Unterlagen Zeit lassen. So etwas dauert ohnehin Monate, heißt es. Falls sich keine Frau bewirbt, könnte sie die Ausschreibung der Stelle auch abblasen und später wiederholen. Von Nachteil könnte das aber für Otte werden. Sollte sie nach der Landtagswahl nicht wieder Staatssekretärin werden und in eine viel tiefere Besoldungsstufe zurückfallen, hätte sie in einem Auswahlverfahren, falls sie sich daran beteiligen sollte, sofort wesentlich schlechtere Karten. Sie wäre dann wohl die Verliererin.
Das führt nun zu der nächsten Spekulation, die in Justizkreisen kursiert: Auch Scheibel, der frühere Staatssekretär und jetzige OLG-Präsident in Braunschweig, könnte für den Posten des OLG-Präsidenten in Celle in Betracht kommen. Dies wäre sinnvoll unter dem Aspekt einer größeren Justizreform, nämlich der Zusammenlegung der Oberlandesgerichte Celle und Braunschweig. Ein solcher Plan wäre sicher nicht rasch umsetzbar, würde eine aufwendige Gesetzgebung voraussetzen und heftige Debatten auslösen – aber auf der anderen Seite würde die Justiz damit immerhin beweisen, dass auch sie wandlungsfähig sein kann. Und Scheibel, der als sehr machtbewusst und durchsetzungsstark gilt, hätte mit einem solchen Schritt seine Position in der niedersächsischen Justiz noch weiter gefestigt. Klar scheint aber auch zu sein, dass eine solche Lösung nur dann diskutiert würde, wenn die jetzigen Versuche, die OLG-Stelle in Celle zu besetzen, fehlschlagen sollten. Ausgeschlossen immerhin scheint das nicht zu sein. (kw)Dieser Artikel erschien in Ausgabe #32.