22. Okt. 2020 · 
Wirtschaft

Die Geschäfte laufen wieder an – aber nicht überall

In der niedersächsischen Wirtschaft tut sich eine Schere auf zwischen Unternehmen, die auch in der Corona-Zeit gut über die Runden kommen und Firmen, deren Existenz auf dem Spiel steht. Das geht aus aktuellen Daten der niedersächsischen Industrie- und Handelskammer (IHKN) hervor. Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt beschrieb die Situation als paradox. Laut IHK-Konjunkturklimaindikator sind knapp drei Viertel der Unternehmen mit ihrer Geschäftslage zufrieden, zugleich haben viele Firmen Sorge vor einer Insolvenz. Gerade Branchen, in denen es um Reisen, Messen oder Veranstaltungen geht, sehen sich in ihrer Existenz gefährdet, meinte Bielfeldt. Gut läuft es derzeit dagegen in der Versicherungswirtschaft und im Wohnungsbau. Die größte Sorge sei derzeit ein zweiter Lockdown. Dieser muss nach Meinung der IHKN unbedingt verhindert werden, am besten durch „differenzierte, passgenaue Maßnahmen“. Auf keinen Fall dürfe es pauschale Schließungen geben. Laut Bielfeldt muss auf jeden Fall weiterhin die Kinderbetreuung sichergestellt werden. Zudem plädierte sie dafür, den Bereich des Handels und der Gastronomie mit Augenmaß zu behandeln.
Es fehlen uns die Optimisten, und die müssen wir bestärken. Das Tragen einer Maske hindert uns nicht, eine Arbeit auszuführen.
Die Wirtschaft setzt vor allem darauf, den Motor nun wieder am Laufen zu halten. Zahlreiche Unternehmen sind nicht sicher, ob das auch gelingen kann. In der Umfrage, an der sich nach Angaben der IHKN 2000 Unternehmen beteiligt haben, geht ein Drittel der Befragten von einer negativen Entwicklung aus. Für Bielfeldt ein Grund mehr, die wirtschaftliche Erholung jetzt zu unterstützen: „Es fehlen uns die Optimisten, und die müssen wir bestärken. Das Tragen einer Maske hindert uns nicht, eine Arbeit auszuführen.“ Vor allem die Inlandsnachfrage bereitet den Unternehmen derzeit Kopfzerbrechen, fast zwei Drittel sehen sie gerade als größtes Risiko. 51 Prozent sehen die Nachfrage aus dem Ausland als Problem, jedes zehnte Unternehmen sorgt sich um die Finanzierung. „Viele Unternehmen brauchen noch Maßnahmen für die Liquiditätssicherung. Jedes an sich gesunde Unternehmen, das wir jetzt stützen, hilft uns im Aufschwung“, meint die IHKN-Chefin. https://soundcloud.com/user-59368422/jetzt-geht-vieles-bei-dem-man-dachte-das-wird-nie-was In der aktuellen Phase hat vor allem die Industrie zu einer Aufholjagd angesetzt. Hier haben sich der Umfrage zufolge bei zwei Dritteln der Unternehmen die Geschäfte weitgehen normalisiert, die Auftragseingänge hätten fast wieder das Niveau vor der Krise erreicht. Auch auf einen harten Brexit hätten sich viele Unternehmen inzwischen eingestellt und sich mit Material bevorratet, um die Phase der Umstellung zu überbrücken. Auch in vielen Teilen des Einzelhandels laufen die Geschäfte wieder einigermaßen normal, allerdings fehle den Bekleidungsgeschäften rund ein Drittel des Jahresumsatzes. Dagegen neigt sich der Boom in der Bauwirtschaft langsam den Ende zu, konstatiert die Kammer. Es seien weniger Auftragseingänge zu verzeichnen, vor allem im gewerblichen Bereich. Auch wenn die Zahlen im Durchschnitt fast überall steigen, so sind sie doch weiter deutlich unter dem Vorkrisen-Niveau. Das hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Zwar gibt es so langsam weniger Kurzarbeit, dennoch gibt es in Niedersachsen 50.000 Arbeitslose mehr als im Vorjahr. Der Beschäftigungsindex der IHKN kletterte von minus 25 auf minus 18 und liegt damit weit unter den Werten der Vorjahre, zuletzt lag er im Jahr 2009 in diesem Bereich.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #189.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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