Die neuen Zahlen des Volkswagenkonzerns, die heute im Detail präsentiert werden sollen, sind für das Land Niedersachsen schon beunruhigend. Im ersten Halbjahr sank der Gewinn vor Zinsen und Steuern um 22 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro – das ist heftig, und einmal mehr wird deutlich, wie stark das Unternehmen unter den Folgen des Diesel-Skandals zu leiden hat. Das bringt auch die Finanzpolitiker ins Grübeln, denn der alte Spruch ist immer noch wahr: Wenn VW eine Erkältung hat, droht Niedersachsen eine Grippe.

Gesundheit! Wenn VW eine Erkältung hat, droht Niedersachsen eine Grippe  -  Foto: Jakob Brüning

Gesundheit! Wenn VW eine Erkältung hat, droht Niedersachsen eine Grippe – Foto: Jakob Brüning

Gute Medikamente gegen Schnupfen und Husten hat das Land allerdings schon verordnet bekommen: Die meisten Anteile des Landes bei VW werden über die landeseigene „Hannoversche Beteiligungsgesellschaft“ (HannBG) getragen, und diese vor 30 Jahren aus steuerlichen Gründen entstandene GmbH hat Krisen wie die von VW bisher immer gut abgefedert. Wenn als Folge eines Gewinneinbruchs erheblich weniger Dividende für die Aktien gezahlt wird, trifft das auch die HannBG hart. Aber: Es kommen Ausschüttungen aus anderen Unternehmensbeteiligungen hinzu, so von der Salzgitter AG, der Nord/LB, dem Flughafen Hannover und der Deutschen Messe. So können drastische Einbrüche hier mit Mehreinnahmen dort verrechnet werden. Nur: So gut es der Wirtschaft in Deutschland und auch in Niedersachsen derzeit geht, so riesig sind auch die künftigen Herausforderungen für die anderen von der HannBG getragenen Unternehmen. Die Nord/LB muss wegen der Flaute in der Schifffahrt Wertberichtigungen vornehmen. Außerdem könnte die Übernahme der Bremer Landesbank die Nord/LB belasten: Wenn bestimmte Modelle zum Zuge kommen, könnte Bremen Anspruch auf eine größere Entschädigung haben. Die Salzgitter AG sieht sich der Konkurrenz von Billig-Stahl-Importen aus Fernost ausgesetzt – zwar hat das Unternehmen diesbezüglich vor wenigen Wochen erst einmal Entwarnung gegeben, aber das grundsätzliche Problem bleibt bestehen.

Selbst wenn die HannBG nun im Zuge einer in Zukunft bevorstehenden Absenkung der VW-Dividende in eine Schieflage geraten sollte, wäre der Landeshaushalt zunächst geschützt, weil die Probleme dort nicht direkt durchschlagen. Allerdings kann die Forschungsförderung an vielen Hochschulen darunter leiden, die bisher über das VW Vorab vergeben wurde. Das Land zahlt der Volkswagenstiftung die Dividende für rund 30 Millionen Aktien – oder leitet diese weiter. Wenn die Dividende zurückgeht, schrumpft auch diese Zahlung, und die Folge wäre weniger Geld für die Forschungsarbeit in Niedersachsen. Allerdings teilt die Landesregierung mit, dass die bisher beschlossenen Projekte wegen der guten Lage in der Vergangenheit bereits ausfinanziert sind. Die gute Basis, die in den für VW so guten bisherigen Jahren geschaffen wurde, ist nun ein Puffer für mögliche Rückgänge.

Also keinerlei Probleme? Die Risiken bei Volkswagen sind eher langfristiger Natur – und sie könnten tatsächlich zur großen existentiellen Bedrohung werden, wenn sich die Wirtschaftslage des Konzerns nicht bessern, sondern mittelfristig noch verschlechtern sollte.  Wenn zwei Jahre in Folge keine Dividende gezahlt wird, bekommen laut deutschem Aktienrecht die stimmrechtslosen Vorzugsaktien Stimmrecht. Das hätte in einem möglichen Machtkampf zwischen den Eigentümern von VW – vor allem den Familien Porsche und Piech, dem Emirat Katar und dem Land Niedersachsen – verheerende Folgen. Das Land verlöre seine Sperrminorität für wichtige strategische Entscheidungen, die niedersächsischen Werkstandorte könnten gefährdet sein, viele Arbeitsplätze auch. Das System VW, das im Landtag flügelübergreifend akzeptiert wird, wäre in Gefahr. Es steht für ein festes Bündnis von Land, Unternehmensführung und Betriebsrat zur Garantie der Fahrzeugproduktion in Niedersachsen.

Je schlechter es Volkswagen geht, desto mehr steht dieses feste Bündnis auf wackligen Beinen. Ein Konzern, der zu großen Schrumpfungen gezwungen wäre, hätte für Niedersachsen katastrophale Auswirkungen. (kw)