Darum geht es: Niedersachsen will zum Beispiel Tablets und Notebooks bei Prüfungen zulassen. Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt hat einen entsprechenden Erlass angekündigt. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Sätze, über die man streiten kann, lassen sich auch auf dem Tablet schreiben – Foto: MB.

Benutzen Sie eigentlich noch einen Taschenrechner? Wer heute eine knifflige Rechenaufgabe vor sich hat, die er mit dem Kopf nicht lösen kann, der greift meistens zum Handy oder öffnet den Rechner auf dem Computer, der auf dem Schreibtisch steht. Während Eltern für ihre Kinder in den Schulen immer noch Taschenrechner zu horrenden Preisen kaufen müssen, haben sich in der Praxis außerhalb der Schule schon längst praktischere Lösungen durchgesetzt. Die Taschenrechner der Schüler sind halb so teuer wie ein Tablet, können allerdings nur eines: rechnen.

Insofern ist es vernünftig, den „digitalen Endgeräten“, wie es im Kultusministerium heißt, mehr Einsatzmöglichkeiten zu  verschaffen. Wer Atlas, Duden, Periodensystem oder Formelsammlung auf dem Tablet hat, der muss nicht mehr die einzelnen Bücher in die Schule mitschleppen. Dadurch wird das Erlernen des Periodensystems zwar nicht leichter, aber wenigstens die Schultasche. Hier hat die Digitalisierung also einen ganz praktischen, rückenschonenden Nutzen. Auch Menschen, die der fortschreitenden Digitalisierung eher skeptisch gegenüberstehen, werden sich damit abfinden müssen, dass das Tablet bald genauso in den Schulranzen gehören wird wie die Federtasche.

Von einer Vorreiterrolle Niedersachsens bei der Digitalisierung zu sprechen, wie es die Kultusministerin macht, ist allerdings etwas dick aufgetragen. Nur aufgrund des Erlasses werden in den Schulen morgen nicht gleich landauf, landab Tablets zum Einsatz kommen. Vielmehr schafft der Erlass eine rechtliche Grundlage für die Schüler an den rund 1000 Schulen des Landes, die bereits mit digitalen Geräten arbeiten. Sie können diese bald auch für ihre Prüfungen nutzen. Die Möglichkeit zu schummeln dürfte sich übrigens nicht vergrößern. Ist der Prüfungsmodus des Gerätes aktiviert, kann der Schüler nur die erlaubten Programme nutzen. Der Lehrer bekommt ein optisches Signal.

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Zu klären ist allerdings noch die Frage der Sozialverträglichkeit. Die Geräte müssten „hinsichtlich zentraler Leistungsmerkmale wie Geschwindigkeit und Bedienkomfort einen vergleichbaren Standard aufweisen“, heißt es in der Erklärung des Ministeriums. Es droht dieselbe Problematik wie beim Taschenrechner, bei dem am Ende nur bestimmte Geräte in Frage kommen und die Hersteller mit Mondpreisen die Eltern abzocken. Ein Tablet ist noch einmal teurer als ein Taschenrechner, und wer drei Kinder in der Schule hat muss schnell deutlich mehr als 600 Euro ausgeben. Es darf aber nicht nur eine Digitalisierung in den Klassen geben, deren Eltern sich die Anschaffung leisten können. Die Landesregierung setzt auf gleiche Bildungs- und Teilhabechancen für alle Kinder und Jugendlichen. Deshalb sollte es einen klaren Plan dafür geben, wie eine Digitalisierung in allen Schulklassen stattfinden kann, ohne dass Eltern mit geringerem Einkommen finanziell überfordert werden.

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