18. Apr. 2020 · 
Bildung

Die Debatte der Woche...

…betrifft die Schulen, die seit Mitte März zwangsweise schließen mussten – und danach nahtlos in die Osterferien übergegangen sind. Das gilt auch für die Kindertagesstätten. In den vergangenen Tagen wurde eifrig darüber gerungen, in welcher Schrittfolge der Unterricht wieder beginnen soll. [caption id="attachment_49452" align="alignnone" width="780"] Foto: fotografixx[/caption] Soll man zuerst die Grundschüler wieder zur Schule schicken – und auch die Kindergartenkinder? Oder ist es sinnvoller, zunächst die größeren Schüler wieder aus ihrer Zwangspause zu befreien? Nicht nur die Politiker streiten darüber, auch die Experten sind sich nicht einig. Die Leopoldina als Wissenschaftlergremium, das die Kanzlerin berät, wollten die Kindergärten geschlossen halten, aber die Grundschulen wieder öffnen, und zwar zuerst. Mehrere andere Wissenschaftler halten genau das für den falschen Weg.
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Am Ende verständigten sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten, die älteren Kinder zuerst wieder in die Schule zu schicken – aber auch nur vorsichtig und schrittweise und in der Absicht, dass möglichst nicht gleich wieder Massen unterwegs sind. Das Grundproblem bleibt: Welche Gruppe sollte in diesen Zeiten zuerst wieder in die Schulen – die kleineren oder die größeren?

Die Positionen in dieser Debatte lassen sich so einordnen:

Die Befürworter der Linie „Grundschüler first“ verweisen zum einen darauf, dass Kinder zwar das Virus mit sich tragen und es auch schnell übertragen können, aber nur selten daran ernsthaft erkranken. Daher sei das Risiko, die Kinder beim Start des Unterrichts anzustecken, hinnehmbar. Wie die Lehrer nun geschützt werden können, wird nicht näher erörtert. Ein weiteres Argument ist, dass gerade kleinen Schülern die Abwesenheit des Schulalltags schadet, da ihre Fähigkeiten zur Selbstorganisation und zum Lernen zuhause noch nicht so stark entwickelt sind – und ein Dauer-Zwangsaufenthalt zuhause auch zu unerwünschten gruppendynamischen Prozessen dort führen kann. Nicht zuletzt ein wirtschaftliches Argument spielt eine Rolle: Kleinere Kinder brauchen stärker als ältere eine Betreuung zuhause – und die Abwesenheit der Eltern vom Wirtschaftsprozess kann eine gewünschte oder geplante Rückkehr des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens in die Normalität erschweren. https://www.youtube.com/watch?v=P6XAIVLlbPs&feature=emb_title Die Gegner der Linie „Grundschüler first“ verweisen darauf, dass Kindergarten- und Grundschulkinder am wenigsten in der Lage seien, die jetzt nötigen Abstandsregeln einzuhalten und zu beherzigen. Das heißt, die Gefahr einer rascheren Ausbreitung des Virus könne so erheblich erhöht werden – die bisherigen Erfolge des „Einfrierens“ der gesellschaftlichen Aktivität in den vergangenen vier Wochen könnten so schnell zunichte gemacht werden. Außerdem gehe es bei Grundschülern weniger als bei den älteren Schülern darum, über schulische Leistungen und eingehaltene Prüfungstermine den Bildungsfortschritt unbedingt sicherstellen zu müssen. Modelle eines reformierten Unterrichts, die weniger Schüler je Klasse vorschreiben, strenge Hygieneregeln und dringendes Abstandsgebot etwa in den Pausen, ließen sich eben nur mit disziplinierten Schülern organisieren – und dazu könnten zwangsläufig Grundschüler nicht gerechnet werden. https://www.youtube.com/watch?v=a4C5QcYyzuU Die Befürworter der Linie „ältere Kinder zuerst“ greifen die Argumente in der Debatte um die Grundschulkinder auf: Die Prüfungen und Abschlüsse müssten erworben und förmlich festgestellt werden – das gilt im Übrigen auch für die Grundschulkinder der Klasse vier. Wer die Wiederaufnahme des Schulbetriebs vorsichtig und langsam gestalten wolle, müsse zwingend mit einer Gruppe beginnen, die ernste Verhaltensregeln nicht nur akzeptiert, sondern auch einhalten kann. So könnten ältere Schüler ein Vorbild liefern für die kleineren, die dann zeitversetzt nach einer Übergangsphase auch wieder an den Start gehen können. Die Gegner der Linie „ältere Kinder zuerst“ sprechen gerade größeren Schülern die Fähigkeit zu, über digitale Lernprogramme und die Anwendung von Computertechnik viel besser als die Jüngeren den Unterricht digital von zuhause aus zu erledigen. Das gelte umso mehr, umso rascher das Kultusministerium mit dem Aufbau einer leistungsfähigen Bildungscloud vorankommt und damit eine virtuelle Interaktion von Lehrern und Schülern auch passgenau für die Bedürfnisse jedes Schülers ermöglicht. Zwar sind die Wünsche an ein solches System viel größer als die bisherigen Möglichkeiten, aber in der praktischen Anwendung in der Corona-Zeit liege auch die Chance, den Nutzen eines solchen Modells zu beweisen und Pflöcke für die Zukunft einzurammen.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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