4. Apr. 2020 · 
Soziales

Die Debatte der Woche…

…dreht sich um die Frage, ob die Deutschen dem Beispiel asiatischer Länder folgen und konsequent einen Mundschutz anlegen sollten, wenn sie das Haus verlassen und beispielsweise einkaufen gehen. Zu Beginn der Woche entschied die österreichische Regierung, dass ein solcher Schritt jetzt nötig sei. Damit wurde die Debatte auch bei uns angefacht.
Lesen Sie auch: Gesundheitsministerin Reimann gegen Maskenpflicht Scholz: Profi-Mundschutz nicht für jedermann
Mehrere Virologen, die bislang den mangelnden Nutzen eines Mundschutzes hervorgehoben hatten, zeigten sich auf einmal aufgeschlossen – und auch manche bisher immer skeptischen Politiker fanden auf einmal Gefallen am obligatorischen Mundschutz. Bilder von mehr oder weniger Prominenten mit Maske wurden verbreitet, so von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet oder auch von Altkanzler Gerhard Schröder (der von seiner aus Südkorea stammenden Ehefrau offenbar überzeugt worden war). [caption id="attachment_49058" align="alignnone" width="780"] Foto: Remains[/caption]

Die Befürworter eines verpflichtenden Mundschutzes führen diese Argumente an:

Virologisch ist ein Mundschutz insofern ratsam, als ein bereits Infizierter mit seinem Atem und seiner Aussprache weniger Viren an sein Gegenüber verteilen kann. Die Erwartung, eine Stoffmaske vor dem Gesicht schütze vor Ansteckung, führt aber in die Irre – für diesen Zweck müsste man eine der seltenen FFP2-Masken tragen, die derzeit hoch begehrt sind und vorrangig für medizinisches und pflegerisches Personal benötigt werden. Soziologisch ist ein Mundschutz, den alle tragen, ein Zeichen für gegenseitigen Respekt und gegenseitige Rücksichtnahme – auch ein Zeichen dafür, die Ausnahmesituation als solche anzuerkennen und zu besonderen Schritten bereit zu sein. Das Halten von Distanz zu fremden Menschen, das die deutschen Bundesländer per Verordnung vorgegeben haben, wird auf diese Weise ergänzt mit einem zur Krise passenden Kleidungsstück. Zugleich kann es auch dafür stehen, sich auf ein längeres Andauern der Sondersituation einzustellen. https://www.youtube.com/watch?v=28Z7-8VGKyA Psychologisch gibt ein Mundschutz demjenigen, der sich bisher dem Virus hilflos gegenüber ausgesetzt sah, ein Gefühl der Aktivität und Offensive. Man tut etwas gegen das Virus, indem man für jedermann sichtbar eine Maske anlegt – man bietet damit im übertragenen Sinn der Gefahr die Stirn. Das Gefühl, einer übermächtigen Instanz gegenüber ausgeliefert zu sein, kann somit gemindert werden. Die Maske wäre dann ein Schritt gegen eine drohende Depression.

Die Kritiker eines verpflichtenden Mundschutzes entgegnen:

Medizinisch gaukle die Maske eine Sicherheit vor, die in Wahrheit gar nicht besteht. Wichtig sei es, möglichst wenig mit den Händen ins Gesicht zu fassen und auf jeden Fall einen Mindestabstand zu anderen Menschen einzuhalten. Wer eine Maske trage, könne sich unvorsichtiger verhalten, den Leuten näher kommen – und er dürfte, weil die Maske im Gesicht als ungewohnter Fremdkörper wahrgenommen wird, sich häufiger ins Gesicht fassen. Damit wäre das Gegenteil von dem, was eigentlich erreicht werden soll, die Folge. Soziologisch könne die Maske ein Symbol der Angsteinflößung sein, zumal sie in ähnlicher Hinsicht einen Vermummungseffekt auslöst wie ein Gesichtsschleier aus religiösen Gründen oder eine Tarnmaske, wie sie Bankräuber oder auch radikale Demonstranten tragen. In der Debatte über das gesetzliche Vermummungsverbot im Polizeirecht spielt auch immer das „offene Visier“ eine wichtige Rolle – nämlich die Chance, im Gesicht des Gegenüber jede Regung wahrnehmen können. Wenn neben der Kontaktsperre auch noch diese Möglichkeit entfällt, weil alle Menschen mit einer Maske einen großen Teil ihres Gesichts verdecken, trage das noch stärker zur Entfremdung in der Gesellschaft bei. https://www.youtube.com/watch?v=KjvHF_EErfU Psychologisch läuft eine Masken-Pflicht all jenen entgegen, die bisher die Strategie verfolgt haben, im Corona-Ausnahmezustand ein größtmögliches Maß an Normalität und fortgesetzter Regelmäßigkeit der Gesellschaft zu demonstrieren. Ein wenig von der Haltung „Alles nicht so schlimm“ oder „Es wird bald alles wieder gut“ ist aus dieser Sicht nötig, damit die Menschen bei all den praktischen Auflagen nicht durchdrehen. Die Masken-Pflicht wäre somit ein Schritt, auch noch denjenigen Angst einzujagen, die bisher nicht zu Panik geneigt hatten.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
"Halten Sie die AfD für eine normale demokratische Partei?", wurden die Niedersachsen in der aktuellen Allensbach-Umfrage gefragt. Die Antwort fiel relativ eindeutig aus. | Foto: Link
Verfassung ändern, um vor AfD zu schützen? Rot-Grün und CDU wagen sich weit vor
8. Mai 2025 · Klaus Wallbaum4min
Der Rufbus Sprinti hat in der Region Hannover schon über 2,5 Millionen Fahrgäste befördert. | Foto: Üstra
Sprinti für alle! Niedersachsen will mehr On-Demand-Angebote im ÖPNV
7. Mai 2025 · Christian Wilhelm Link4min
Applaus für den Kanzler: Um 16.15 Uhr hat es Friedrich Merz endlich geschafft. | Foto: Bundestag/Screenshot: 
 Link
Entsetzen auch in Hannover: Holprige Wahl des Kanzlers löst helle Aufregung im Landtag aus
6. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min