Die Bauindustrie warnt: „Ein Baustopp wäre verheerend“
Auf den Baustellen des Landes wird auch in Zeiten der Corona-Krise immer noch gearbeitet. Welche Auswirkungen sind bereits spürbar und was erwartet die Branche für die Zukunft. Darüber sprach Rundblick-Chefredakteur Martin Brüning mit Thomas Echterhoff, Präsident des niedersächsischen Bauindustrieverbands, und Christian Staub, Präsident des Baugewerbe-Verbandes Niedersachsen.
Rundblick: Wer derzeit an Baustellen vorbeigeht, stellt fest, dass dort immer noch fleißig gearbeitet wird. Wie ist die Lage in der Branche in diesen Wochen?
Echterhoff: Die Bauwirtschaft ist eine Schlüsselbranche in unserem Land. In den vergangenen Jahren waren wir Treiber der Konjunktur und verlässliche Stütze für die Wirtschaft. Dies möchten wir auch jetzt in dieser Ausnahmesituation und ganz besonders auch nach Bewältigung der Krise bleiben. Deshalb ist es uns wichtig, dass weiter gebaut wird. Unsere Mitarbeiter sind bereit, sich mit voller Kraft einzusetzen. Der Krankheitsstand bewegt sich etwas oberhalb des jahreszeitlich üblichen Rahmens. Baubetriebe, die ausländische Arbeitnehmer zum Beispiel aus Polen beschäftigen, können teilweise nicht arbeiten, weil diese Arbeitnehmer nicht einreisen dürfen oder sich die Einreise verzögert.
Vereinzelt gibt es Störungen in der Beschaffung von Material. Insbesondere bei Produkten aus dem Ausland gibt es vereinzelte Engpässe.
Staub: Es kommt immer wieder vor, dass auf Anordnung oder Wunsch von Bauherren die Abläufe umgestellt werden müssen, was zu Behinderungen und Verzögerungen führt. Vereinzelt gibt es Störungen in der Beschaffung von Material. Insbesondere bei Produkten aus dem Ausland gibt es vereinzelte Engpässe. Womit wir immer stärker konfrontiert werden, sind steigende Preise bei Material, wie zum Beispiel Dämmstoffen, und Logistik. So stellen Baustofflieferanten immer häufiger Frachtkosten in Rechnung. Material, das früher „frei Baustelle“ geliefert wurde, wird jetzt nur noch „frei Rampe“ angeboten.
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Rundblick: Wie lange lassen sich denn die aktuellen Maßnahmen durchhalten, ohne dass es zu schwerwiegenden Auswirkungen auf den Baustellen kommt?
Staub: Ganz entscheidend wird sein, wie lange der Materialfluss sichergestellt ist. Unsere Mitarbeiter sind bereit, weiter zu arbeiten und die Baustellen fortzuführen, unter Beachtung aller vorsorglichen Schutzmaßnahmen zur Erhaltung ihrer Gesundheit.
Pausenzeiten werden gestaffelt, der Aufenthalt in den Baucontainern so geregelt, dass der Corona-Abstand eingehalten werden kann.
Rundblick: Und wie stellen die Unternehmen auf den Baustellen sicher, dass Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden?
Echterhoff: Wir haben unsere Beschäftigten umfangreich geschult und über alle Regeln gründlich und umfassend im Umgang miteinander und auf den Arbeitsstellen informiert. Eine besondere Herausforderung sind oft die Fahrten zu den Baustellen. Wo bislang der Bulli eingesetzt wurde, haben wir nunmehr flächendeckend Transporte mit maximal zwei Mitarbeitern per PKW organisiert und unterstützen unsere Mitarbeiter bei der Organisation.
Staub: Wo immer es möglich ist, arbeiten wir im Schichtbetrieb, um eine Entzerrung der Kontakte zu erreichen. Pausenzeiten werden gestaffelt, der Aufenthalt in den Baucontainern so geregelt, dass der Corona-Abstand eingehalten werden kann. Auf unsere älteren Mitarbeiter und Risikopatienten achten wir ganz besonders, einige werden vorsorglich nach Hause geschickt. Dort wo die Arbeit weniger wird, zum Beispiel in der einen oder anderen kaufmännischen Abteilung, wird die Arbeitszeit reduziert, indem beispielsweise Überstunden abgebaut werden oder Resturlaub genommen wird. In der Verwaltung wird Home-Office angeboten.
Rundblick: Kann man denn schon einschätzen, wie sich die Krise längerfristig in diesem Jahr auswirken wird?
Staub: Das lässt sich nicht ohne weiteres vorhersagen. Wenn wir weiter bauen können, werden sich die Verluste für die Baubranche in Grenzen halten. Wir gehen davon aus, dass die öffentlichen Auftraggeber ihrer Pflicht zum Planen, Ausschreiben, Beauftragen und Bauen auch weiterhin nachkommen. Und selbstverständlich auch die Rechnungen pünktlich bezahlen.
Echterhoff: Bei den privaten und industriellen Auftraggebern hängt vieles von der persönlichen Betroffenheit und der wirtschaftlichen Lage ab. Hier beobachten wir mittlerweile, dass die eine oder andere geplante Maßnahme verschoben oder ganz gestrichen wird. Dies gilt für den gewerblichen Bau ebenso wie für den privaten Bau. Hier besteht das Risiko, dass aufgrund der flächendeckenden Kurzarbeit private Baufinanzierungen nicht mehr so durchgestanden werden können, wie ursprünglich beabsichtigt.
Ein Baustopp wäre verheerend. Es ist nicht für jede Baustelle einfach, sie stillzulegen.
Rundblick: Falls weitere und schärfere Maßnahmen folgen: Was würde ein plötzlicher Baustopp für die Branche bedeuten?
Echterhoff: Ein Baustopp wäre verheerend. Es ist nicht für jede Baustelle einfach, sie stillzulegen. Die Verkehrssicherungspflichten müssen weiter erfüllt werden, Anlagen zur Grundwasserhaltung und Abwassertransport müssen weiter betrieben werden, Hilfsbrücken ein- und ausgebaut werden, Sperrpausen bei der Bahn eingehalten werden, Straßenabschnitte wieder für den Verkehr geöffnet werden.
Staub: Die wirtschaftlichen Auswirkungen wären ebenso fatal. Kurzarbeit, Massenentlassungen, ja sogar Insolvenzen sind dann nicht mehr auszuschließen. Bisher bleiben unsere Unternehmen davon verschont. Aus der Corona-Krise darf nicht auch noch eine Baukrise werden.
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Rundblick: Es gab Medienberichte, dass Kommunen derzeit teilweise die Zahlung ihrer Rechnungen verzögern – stellen Sie das auch in Niedersachsen fest und falls ja: welche Folgen hat das?
Staub: Von solchen Vorgängen haben wir gehört. Die niedersächsischen Auftraggeber verhalten sich bislang noch vorbildlich und wir gehen davon aus, dass dies auch so bleibt. Wenn unsere Politik Wert darauf legt, die Liquidität der Unternehmen in allen Wirtschaftszweigen zu stützen, dann ist es doch beim Bau ganz einfach, wenn für geleistete Arbeit auch pünktlich gezahlt wird.
Echterhoff: Sollten Baumaßnahmen und die Rechnungen nicht so schnell wie gewohnt geprüft werden können, bietet es sich aus unserer Sicht auch an, mit großzügigen Abschlagszahlungen die erbrachten Leistungen zu honorieren. Das ist allemal besser, als Hilfen für keine erbrachten Leistungen zu gewähren.