Da sage noch einer, Grußworte seien nur eine lästige Pflicht. In der AfD sind sie in Politikum ersten Ranges – zumindest dann, wenn im Mittelpunkt eine so umstrittene Figur wie der niedersächsische AfD-Landesvorsitzende Armin Paul Hampel steht. Der 60-Jährige führt den Landesverband seit vier Jahren, doch die interne Kritik nimmt so sehr zu, dass Mitte Januar auf einem Sonder-Landesparteitag über einen Misstrauensantrag gegen ihn abgestimmt wird. Auch im Bundesvorstand, wo Hampel seit 2015 als Beisitzer tätig war, bläst ihm zunehmend der Wind ins Gesicht. So wurde auf die Tagesordnung des Bundesparteitages ein Grußwort des Gastgebers Niedersachsen gar nicht mehr eingeplant – ein Affront gegen Hampel.

Parteitag unter Polizeischutz: Die AfD tagte am Wochenende in Hannover – Foto: KW

Der Vorgang löste zum Start des Bundesparteitags im hannoverschen Kongresszentrum am Wochenende einen heftigen Streit aus. Einer der wenigen seiner Getreuen in der AfD-Landtagsfraktion, Stefan Bothe aus Lüneburg, beantragte, Hampel zu Wort kommen zu lassen. „Das ist doch so üblich“, sagte Bothe. Ihm zur Seite sprang die wohl umstrittenste Figur der AfD, der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke vom rechten Flügel. „Wir als konservative Partei müssen Grußworte des gastgebenden Verbandes als Selbstverständlichkeit ansehen“, forderte er.

Selten zuvor fiel ein Landesvorsitzender so in Ungnade

Die Kritiker, unter ihnen Julian Flak aus Hamburg, hielten dagegen: Grußworte seien oft genug dazu missbraucht worden, allgemeinpolitische Reden zu halten. Oft hätten die Redner nur ihre eigenen Interessen propagiert und den Rahmen des Zulässigen ausgeweitet. Auch in diesen Hinweisen steckte tiefe persönliche Kritik an Hampels Adresse, der im Ruf steht, zu Alleingängen zu neigen und von Teamarbeit nur wenig zu halten. Am Ende wurde abgestimmt, auf Wunsch von Höcke dann noch einmal zur Wiederholung mit elektronischen Stimmgeräten. 331 waren gegen Hampels offizielle Worte zur Begrüßung, 221 dafür. Das ist in doppelter Hinsicht epochal: Selten zuvor ist wohl ein Landesvorsitzender der Partei so sehr in Ungnade gefallen, dass er nicht mal mehr zu Beginn reden darf. Und: Selten zuvor hatte ein nicht gehaltenes Grußwort derart hohen politischen Sprengstoff.

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Für Hampel kann dieser AfD-Bundesparteitag ohnehin einen Wendepunkt markieren. Denn so erfolgreich für ihn das politische Jahr 2017 bis zum Spätsommer auch verlaufen war, so steil ging es im Herbst bergab. Erst gelang es ihm, seine Vertrauten auf die Landesliste und damit am Ende in den Bundestag zu hieven, sich selbst auch. Aber dann kam der Rückschlag. Mit der Hälfte des Landesvorstandes, darunter seinen drei Stellvertretern, hat er sich inzwischen überworfen. Die neue Landtagsfraktion um die Vorsitzende Dana Guth steht fast geschlossen gegen Hampel. Der Landeskonvent, eine Art „kleiner Parteitag“ empfahl vor wenigen Wochen die Ablösung des Vorsitzenden.

Im Bundesvorstand sind ihm ebenfalls wichtige Unterstützer verloren gegangen – und dass sich jetzt ausgerechnet Höcke auf seine Seite stellt, hilft Hampel im Lager der gemäßigten Kräfte weniger. Das macht ihn eher noch verdächtiger. Dabei ist die politische Zuordnung zu kurz gegriffen. So gut sich Hampel und Höcke stets verstanden hatten, so wenig kann man den niedersächsischen Landesvorsitzenden als Rechtsaußen oder national-völkischen Vertreter bezeichnen. Der Streit, den er mit Mitgliedern des Bundesvorstands ausgefochten hatte, berührt doch eher Finanzfragen – der Landesvorstand fühlt sich hier von der Bundespartei nicht angemessen und gerecht behandelt. Es herrscht massiver Streit über die Frage, was den Kreisverbänden und was dem – überschuldeten – Landesverband zusteht.

Pazderski verpasste die 50-Prozent-Marke

Wie sehr das alles auf Hampel selbst abfärbt, zeigt die Bundesvorstandswahl am Wochenende. Der 60-Jährige versuchte es diesmal gar nicht erst, seine Wiederwahl als Beisitzer in den Vorstand zu schaffen. Sein Verzicht auf eine Kandidatur bewahrte ihn vor einer Niederlage. Vorher schon hatte es erhebliche Verwirrungen über den Kurs des AfD-Bundesverbandes gegeben. Die Gemäßigten in der Partei, zu denen auch die Hampel-Kritiker in der niedersächsischen Landtagsfraktion gehören, hatten bei der Vorsitzendenwahl auf den Sieg des Berliner Kandidaten Georg Pazderski gehofft, der die AfD in die Mitte führen wollte. Doch Pazderski, der eine unerwartet starke Gegenkandidatin vom Höcke-Flügel hatte, verpasste in zwei Wahlgängen die absolute Mehrheit – und trat dann nicht wieder an. An die Seite des bestätigten Parteichefs Jörg Meuthen wurde Alexander Gauland gewählt, der einen „integrativen Führungsstil“ versprach und die rechtsextreme Gruppierung in der Partei halten will. Von Gauland ist bekannt, dass er zumindest bis zum vergangenen Sommer auch wiederholt den umstrittenen Hampel gestützt und gefördert hatte.

Trotzdem entfaltet dieser Bundesparteitag alles in allem wenig Rückenwind für den angeschlagenen Hampel. Den Sonder-Landesparteitag Mitte Januar kann er, nach Lage der Dinge, zwar gut überstehen. Denn die geplante Abwahl per Misstrauensvotum würde eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Da es in Niedersachsen für Landesparteitage bisher kein Delegiertenprinzip gibt, der Vorstand hatte sich immer erfolgreich gegen entsprechende Reformvorschläge gewehrt, hängt viel davon ab, wie viele Mitglieder zum Parteitag kommen und wie die Stimmung an diesem Tag sein wird.

Man traut Hampel, der ein guter Rhetoriker ist, durchaus zu, mit einer kämpferischen Rede eine solche Mitgliederversammlung auf seine Seite zu ziehen – auch wenn er die früheren starken Verbündeten, die Verbände in Hannover, Gifhorn und Lüneburg, inzwischen wohl verloren hat. Ob aber ein mögliches Scheitern einer Hampel-Abwahl den Landesvorstand wieder zu Kräften führen kann, ist zu bezweifeln. Das Verhältnis des Vorsitzenden zur Hälfte des Vorstands gilt also so zerrüttet, dass Rücktritte in diesem Fall wahrscheinlich erscheinen. Außerdem gibt es mit der neuen Landtagsfraktion längst ein AfD-Kraftzentrum in Niedersachsen, das jederzeit den Wettbewerb mit dem Vorstand aufnehmen kann.

Da sind dann auch noch die kleinen Episoden aus dem Innenleben der AfD, die Zweifel nähren an der Professionalität des Landesvorstandes. Da ging es in den vergangenen Monaten um die Abrechnung für Kameraausrüstungen, um gefälschte  Briefe der Landeswahlleiterin und – seit kurzem – auch um einen 7,5-Tonner, der im Wahlkampf eingesetzt werden sollte, dann aber längere Zeit auf einem Parkplatz bei Northeim gestanden haben soll, da es einen Motorschaden gab.

Jetzt kreisen die Debatten in der AfD um verschiedene Fragen: Ist der Lastwagen für zu viel Geld erworben worden, von 30.000 statt 15.000 Euro ist die Rede, und noch dazu von einem befreundeten Unternehmen? Hat man das Fahrzeug im Wahlkampf gar nicht effektiv eingesetzt? Gab es für die Anschaffung überhaupt einen gültigen Vorstandsbeschluss – oder musste dieser „nachgebessert“ werden? Einige meinen, hier werde wieder mal eine Nebensächlichkeit aufgebauscht. Andere erwidern, einmal mehr würden die Defizite des Vorstandes an diesem Beispiel deutlich. (kw)