13. Nov. 2018 · 
Kommentar

Die Abkehr vom Plastikmüll geht wirklich jeden etwas an

Darum geht es: Der Landtag debattiert heute über die Antwort auf eine Grünen-Anfrage zum Thema Plastikmüll. Seit die Europäische Union für ein Verbot von Einweggegenständen aus Plastik gestimmt hat, findet das Thema seinen Weg heraus aus der Nische. Das wird auch Zeit, findet Isabel Christian. Haben Sie schon mal versucht, ihren Plastikverbrauch zu reduzieren, ohne sich neue Gewohnheiten zulegen zu müssen? Ich prognostiziere Ihnen, dass Sie scheitern werden. Denn unser Alltag ist so sehr von Plastik durchsetzt, dass sich dieser Stoff kaum umgehen lässt. Einiges davon hat durchaus Sinn. Zahnbürsten aus Plastik etwa sind hygienischer und robuster als Bürsten aus Holz. Warum aber müssen im Gesichtspeeling winzig kleine Plastikkügelchen sein, wenn Sand den gleichen Effekt hat? Die Krönung der Plastikflut aber findet sich im Supermarkt. Hier sind nahezu alle Produkte in Plastik eingehüllt, manche sogar mehrfach. Und wenn sie es nicht sind – wie teilweise an der Obst- und Gemüsetheke – dann wird man als Kunde genötigt, sie in ein Plastikbeutelchen zu legen. Anschließend allerdings soll man den Einkauf bitteschön im Jutebeutel oder im Pappkarton nach Hause tragen – schließlich ist das umweltfreundlicher als die Plastiktüte.
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Der Schritt der EU, Einweggegenstände aus Plastik zu verbieten, die nun wirklich nicht aus Plastik sein müssen, ist richtig. Plastikteller mögen zwar robuster sein, der Kartoffelsalat schmeckt aber auch vom Pappteller. Auch Strohhalme gibt es bereits für wenig Geld zu kaufen, die – wie der Name sagt – tatsächlich aus Stroh bestehen, aber in puncto Funktion und Aussehen von den Plastikvarianten nicht zu unterscheiden sind. Es ist auch richtig, dass sich die Landesregierung stärker dafür einsetzen will, weniger Plastik in der Umwelt zu entsorgen. Das klappt etwa, indem der Staat Mehrwegsysteme bei Coffee-to-go-Bechern unterstützt. Doch solche Initiativen reichen nicht. Es muss eine grundsätzliche Debatte über Sinn und Unsinn von verschiedenen Plastikprodukten im Alltag geben. Denn zusätzlich zur Umweltverschmutzung durch achtlos weggeworfenes Plastik kommt noch die Ressourcenverschwendung dazu. Der am häufigsten verwendete Kunststoff für Verpackungen ist Polyethylen, eine Molekülverbindung aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Grundlage dafür ist meist Erdöl. Ein Stoff, von dem man schon jetzt weiß, dass er nicht endlos verfügbar ist. Dennoch wird damit nicht nur geheizt, gefahren und Strom erzeugt, auch immer mehr Plastik wird produziert. Und vieles davon dient nur der Bequemlichkeit. https://soundcloud.com/user-385595761/plastikmull-industrie-soll-fur-die-strandreinigung-zahlen Eine schier unerschöpfliche Quelle von Plastikmüll etwa sind Kaffeekapseln. Mag sein, dass der Kaffee daraus einen Tick besser schmeckt als wenn er in einem Papierfilter lag. Und praktisch ist es auch, wenn automatisch nur eine Tasse herauskommt. Doch in erster Linie ist der Kapselkaffee ein Modegetränk, das nur so populär ist, weil man es mit vier Handgriffen bekommen kann: Deckel auf, Kapsel rein, Deckel zu, Knopf drücken – fertig. Das ist nichts für Kaffeegourmets, das ist was für Faulpelze. Dabei gibt es Alternativen. Barista-Maschinen etwa, die ohne Filtermittel auskommen, sind längst nicht mehr teuer. Eine andere Sinnlosigkeit aus Plastik sind die bereits angesprochenen Beutelchen im Supermarkt. Es ist durchaus sinnvoll, nicht zehn Tomaten einzeln aufs Kassenband legen zu müssen, ganz abgesehen von den Keimen, die danach am Obst kleben. Doch jeder Wochenmarkt macht vor, wie es anders geht: Statt in Plastikbeuteln werden Obst und Gemüse einfach in Recyclingpapiertüten verpackt. Auch diskussionswürdig ist die Mehrfachverpackung von Lebensmitteln. Müssen die Gummitiere in zehn Einzeltütchen verpackt in der großen Plastiktüte verkauft werden, nur weil es praktischer sein könnte, wenn man nicht alle auf einmal essen will? Die Bequemlichkeit sollte angesichts von Umweltbelastung und Ressourcenschonung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Es sind zwei Schritte in die richtige Richtung, wenn die Landespolitik die Vorgaben der EU nicht nur stützt, sondern auch eigene Vorschläge zur Einsparung von Plastik macht. Da geht aber noch mehr. Das Thema Plastikmüll darf nicht wieder zum Randthema verkümmern, für das sich höchstens ein paar Öko-Aktivisten interessieren. Dazu stecken wir viel zu tief drin in den Plastikmüllbergen. Mail an die Autorin dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #202.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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