DGB fordert gemeinsame Industriepolitik für alle norddeutschen Länder
Wie kann die norddeutsche Industrie zu den Gewinnern der industriellen Transformation gehören? Dieser Frage geht eine neue Studie im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) nach. Die kurze Antwort darauf lautet: Wir brauchen einen norddeutschen Industrie-Bund. „Es fehlt eine gemeinsame, in sich stimmende Strategie für die Industriepolitik in Norddeutschland“, fasst Mehrdad Payandeh die Ergebnisse der Studie „Industriepolitik gestalten – den Norden zur Modellregion machen“ zusammen. Der Vorsitzende des DGB-Bezirks Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt betont: „Kleinstaaterei ist nicht angebracht. Wir wollen kein Gegeneinander oder Nebeneinander, sondern ein Miteinander der norddeutschen Länder.“ Payandeh sagt aber auch: „Norddeutschland muss eine gemeinsame Position gegenüber der neuen Bundesregierung einnehmen.“
Transformation der Industrie fordert alle Branchen heraus
In Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern befindet sich gut jeder siebte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz in der deutschen Industrie. Eine Million Menschen sind hier im Verarbeitenden Gewerbe direkt beschäftigt, dazu kommen die Mitarbeiter bei Zulieferern und Dienstleistern. Als wichtigste Branchen identifiziert die DGB-Studie die Automobil-, Chemie- und Ernährungsindustrie sowie die Branchen Häfen und Logistik, Luftfahrt, Maschinenbau, Schiffbau und Windenergie. „Die genannten Industriebranchen stehen alle vor großen Transformations-Anforderungen“, sagt Studienautorin Katrin Schmid von der Hamburger Beratungsfirma WMP Consult. Sie stellt fest: „Dekarbonisierung und Transformation sind in den meisten Strategien ein Thema unter vielen. Sie haben nicht den Stellenwert, den man erwarten sollte.“ Nachhaltige Industriepolitik drehe sich vor allem um den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft.
Die Bundesregierung muss von der Bremse gehen, im Norden müssen wir aufs Gaspedal treten.
Laura Pooth, Vorsitzende DGB-Nord
Die norddeutschen Bundesländer setzen ihre industriepolitische Steuerungsmöglichkeiten bislang nur begrenzt ein, analysiert Schmid. Den beiden norddeutschen DGB-Vorsitzenden ist das zu wenig. „Norddeutschland hat die große Chance, zu einer international beachteten Modellregion der sozial-ökologischen Transformation zu werden“, sagt DGB-Nord-Chefin Laura Pooth und fordert: „Die Bundesregierung muss von der Bremse gehen, im Norden müssen wir aufs Gaspedal treten. Wir brauchen eine Industriepolitik, die nicht auf Abwarten, sondern auf Aufbruch setzt.“ Auch Payandeh spricht von einer „Jahrhundertchance“. „Norddeutschland verfügt über viele Schlüsselindustrie, die überhaupt erst die Grundlage für die Dekarbonisierung der Bundesrepublik schaffen“, sagt der Gewerkschafter und wünscht sich eine „norddeutsche Achse“, die die Politik wachrüttelt.
DGB stellt fünf Forderungen für Norddeutschland auf
Was bedeutet das konkret? Die DGB-Studie schlägt fünf industriepolitische Strategien für Norddeutschland vor:
Fokus auf Windenergie: Die Bundesländer sollen den Ausbau der erneuerbaren Energie mit einem besonderen Fokus auf der Windenergie vorantreiben. „Es wird ohne Windenergie keinen grünen Wasserstoff geben, da braucht es mehr Aufmerksamkeit“, sagt Schmid.
Klimaschutz mehr belohnen: Fördermittel und Investitionszuschüsse sollen verstärkt an ökologische Kriterien und Beschäftigungssicherung gekoppelt werden.
Behörden besser aufstellen: Die Planungs- und Genehmigungsbehörden müssen personell besser aufgestellt werden, um die Antragsflut zur Transformation zu bewältigen. „Die Rückmeldungen, die wir bekommen, zeigen eindeutig, dass die Behörden personell nicht so gut ausgestattet sind, um die vielen Anträge technisch und rechtssicher zu bewältigen“, sagt Pooth.
Mehr Staatsbeteiligungen: Norddeutschland muss eine bessere Förderkulisse für Unternehmen in der Transformation schaffen – etwa durch ländereigene Fonds und Unternehmensbeteiligungen. „Es ist legitim, dass nicht nur Verluste sozialisiert werden. Man sollte Risiken, aber auch Chancen miteinander teilen“, sagt Payandeh. Als beispielhaft nannte er den niedersächsischen Fonds „N-Transformation“, mit dem Land und Wirtschaft sich am Umbau von Automobilzulieferer beteiligen. „Das ist vom Volumen her ein kleinerer Fonds, aber das ist genau das, was wir wollen.“ Zudem plädierte Payandeh dafür, die niedersächsische N-Bank zu einer richtigen Förderbank umzubauen. „Die N-Bank ist eine Lahme-Enten-Bank“, spottete der Gewerkschafter.
Aus- und Weiterbildung fördern: Durch den Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft werden viele Jobs und Berufsfelder überflüssig. Angesichts des Fachkräftemangels müssen die hier betroffenen Beschäftigten weiterqualifiziert werden, so der DGB. „Wir brauchen eine strategische Offensive zur Weiterbildung“, sagt Payandeh und merkt an: „Es ist tragisch, dass die Zahl der ausbildenden Unternehmen immer weiter zurückgeht. 80 Prozent sind Trittbrettfahrer und bilden nicht aus.“
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