DGB-Chef Tölle: Ausbildung hat nur mit Branchenverbünden eine Zukunft
Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Niedersachsen (DGB), Hartmut Tölle, hält massive Veränderungen im Ausbildungssystem für nötig. Als Vorbild sieht er dabei die Bauwirtschaft. Tölle plädiert für Ausbildungsverbünde, die über ein Umlagesystem finanziert werden. „Die Zukunft der dualen Ausbildung kann nur sichergestellt sein, wenn die Tarifparteien Verantwortung wie in der Bauwirtschaft übernehmen. Über eine Umlage müssen die Betriebe Einrichtungen finanzieren, die für eine vernünftige Ausbildung notwendig sind“, so der DGB-Vorsitzende in Niedersachsen.
Für den industriellen Bereich sieht er Verbünde als große Möglichkeit für die Zukunft, weil damit praktische Ausbildung angesichts großer Veränderungen und enormen Investitionen gesichert werden könne. Für andere Branchen sieht Tölle die Verbünde dagegen als allerletzte Chance, so zum Beispiel für die Gastronomie. „Dort gibt es nur noch ganz wenige hochqualifizierte Ausbildungsstätten. Ich kann verstehen, wenn junge Menschen sagen: Ich bin doch nicht irre, und gehe in einen Bereich mit schlechten Bedingungen, schlechter Bezahlung und schlechten Perspektiven. Da ist der Kasernenhof ja oft noch eine Oase“, so Tölle. Solche Branchen müssten sich Gedanken machen, wie sie überleben wollten. „Die Branche hat schon Teile ihrer Zukunft verspielt, weil vielerorts die Ausbildung nicht mehr dem notwendigen Stand entspricht.“
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Viele Probleme in der beruflichen Ausbildung und in den Berufsschulen hält Tölle für hausgemacht. „Das gesamte System wird stiefmütterlich behandelt. Es ist ungeheuer teuer, wird aber überhaupt nicht vernünftig gesteuert.“ Bei den Berufsschulen sieht er die Schulträger wie Kommunen, Kreise und kreisfreie Städte in der Pflicht. „Die Schulen müssen ihren Aufgaben nachkommen können. Dafür braucht es vernünftige Lernbedingungen“, so Tölle. Nach wie vor fehle aber ein längerfristiger Investitionsplan der Schulträger. „Sie drücken sich davor, Zahlen auf den Tisch zu legen.“
Auch die GEW-Vorsitzende Laura Pooth kritisierte einen massiven Investitionsstau an den Berufsbildenden Schulen. „Es gibt marode Gebäude, kaum Schulbücher und es fehlt an technischer Ausstattung. Es ist ein Skandal, dass das Grundlegende nicht vorhanden ist“, sagte Pooth. Ihrer Meinung nach wird für Ausstattung und Qualität der Berufsschulen zu wenig Geld ausgegeben. Hinzu käme, dass die Lehrer überlastet seien. Es gebe eine sehr geringe Unterrichtsversorgung. Die geltende offizielle Zahl von 89,6 Prozent werde derzeit offenbar noch unterschritten. „Die Berufsbildende Schule muss mehr in den Fokus rücken. Sie spielt nicht die Rolle, die sie spielen müsste. Darüber hinaus braucht es massive Investitionen“, forderte Pooth.
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Der Deutsche Gewerkschaftsbund präsentierte gestern in Hannover seinen aktuellen Ausbildungsreport für Niedersachsen. Nach wie vor gebe es in der Ausbildung gravierende Mängel, sagte Ruben Eick, Leiter der Jugendabteilung beim DGB Niedersachsen. Besonders schlimm sei, dass ein Drittel der Auszubildenden regelmäßig Überstunden leisten müsse. „Es handelt sich aber um ein Lern- und kein Arbeitsverhältnis. Der Logik nach dürften deshalb gar keine Überstunden anfallen“, erklärte Eick. Der Studie zufolge bekommt jeder zehnte keinen Ausgleich für die geleisteten Überstunden. Für die Studie waren landesweit 1200 Auszubildende befragt worden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund übte auch Kritik an den Kammern. Häufig würden Qualitätsprobleme von den Kammern nicht angegangen, kritisierte Eick. Er forderte mehr Personal in den Kammern, um der Kontrollfunktion nachzukommen. Wenn dann immer noch nichts passiere, müsste eine neue, unabhängige Stelle die Qualität der Ausbildung sichern. Töller ergänzte, viele Kammerfunktionäre kümmerten sich nicht richtig um Ausbildungsprobleme, sie fühlten sich mehr als Interessenvertreter von Unternehmensstrukturen. „Die Kammern kommen in vielen Bereichen ihren Kontrollaufgabe nicht nach. Das ist eine Vergeudung von öffentlichem Geld.“ Auch über diese Strukturen müsse man deshalb nachdenken.