Ein chinesisches Unternehmen will in Thüringen eine der größten Fabriken für Batteriezellen in Europa bauen. Hängen uns chinesische Unternehmen jetzt sogar schon im eigenen Land ab? Martin Brüning meint: Es besteht kein Grund zur Sorge.

Noch immer ist unklar, welche Technologie in den nächsten 20 Jahren die Nase vorn haben könnte. – Foto: Jakob Brüning

Das Gewerbegebiet liegt verkehrsgünstig zwischen der A4 und der A71, ein paar Kilometer südlich von Erfurt. 240 Millionen Euro will das chinesische Unternehmen Herstellers CATL (Contemporary Amperex Technology Ltd.) dort in den kommenden vier Jahren investieren und zunächst einmal 600 Arbeitsplätze schaffen. Wer sagt eigentlich, dass man in Deutschland nicht mehr in neue industrielle Anlagen, sondern lediglich noch in den Bestand investieren kann? Das sagt vor allem die deutsche Industrie. Oberflächlich betrachtet zeigen jetzt die Chinesen, dass man eben auch in Deutschland neue Anlagen hochziehen und dafür hohe Millionenbeträge investieren kann. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Müssen wir uns Sorgen machen, dass uns China nicht nur bei der Produktion von Batteriezellen für E-Autos davonrennt, sondern uns jetzt auch noch in unserem eigenen Land zeigt, wie industrieller Fortschritt aussieht? Warum investiert in Thüringen ein hierzulande weitgehend unbekanntes Unternehmen in eine der größten Batteriezellen-Fabriken für Elektroautos in Europa, während Continental und Bosch bisher die Finger davon lassen?

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Fest steht: Neue Industrieanlangen in Deutschland sind durchaus möglich, auch die Energiekosten müssen kein Hinderungsgrund sein. Immerhin konnte sich CATL zwischen Standorten in Ungarn, Polen und Deutschland entscheiden und wählte am Ende Thüringen aus. Die Energiekosten lassen sich über Ausnahmereglungen für energieintensive Betriebe in den Griff bekommen und die hohe Qualifikation der Mitarbeiter in Deutschland ist immer noch ein entscheidender Faktor, der für den Standort Deutschland spricht. Dass deutsche Automobilunternehmen und Zulieferer noch kein Batteriewerk im eigenen Land gebaut haben, hat nichts mit deutschem Bedenkenträgertum zu tun. Für die bisher passive Rolle deutscher Unternehmen gibt es drei Gründe.

Die Politik:

Die forcierten Investitionen chinesischer Unternehmen in E-Mobilität und Batteriezellenproduktion haben nicht in erster Linie wirtschaftliche, sondern politische Gründe. Der Ausbau der Elektromobilität ist in China Staatsräson und Teil eines industriepolitischen Masterplans. Daher spielt es auch eine kleinere Rolle, ab wann und ob sich das geplante Werk in Thüringen rechnet. Im Zweifel gleicht China wirtschaftliche (Start-)Schwierigkeiten mit Fördergeldern und Subventionen aus. Planwirtschaft statt Marktwirtschaft: China spielt nach anderen Regeln

Das Know-How:

Wenn es um Batteriezellen geht, haben Japan, China und Südkorea die Nase vorn. Unternehmen wie Panasonic und LG haben inzwischen Kenntnisse aufgebaut, die nur schwer aufzuholen sind. Die chinesischen Unternehmen sind technisch bisher zwar unterlegen, haben aber Preisvorteile und durchaus noch die Möglichkeit, gleichzuziehen oder zu überholen. Hinzu kommt, dass sowohl Staaten als auch Unternehmen in Asien auf den Rohstoffmärkten klug taktiert haben. Sie haben einen wesentlich besseren Zugang zu den für die Batterieproduktion nötigen Metallen. Ob es für deutsche Unternehmen sinnvoll wäre, auf diesen Zug noch aufzuspringen, darf durchaus bezweifelt werden.

Der Trend:

Die Investitionen in Batteriezellproduktionen sind eine Wette auf die Zukunft. Der Hype um die E-Mobilität ist nach wie vor nicht so groß, wie ihn interessierte Kreise erscheinen lassen. In Deutschland spielen E-Autos trotz Zuwächsen in der Zulassungsstatistik so gut wie keine Rolle. Und in China wurden 2017 zwar 570.000 E-Autos verkauft, das sind aber nicht einmal drei Prozent der insgesamt 24 Millionen Kraftfahrzeuge. Nach wie vor ist unklar, welche Technologie sich am Ende durchsetzen wird. Glauben wir wirklich, dass es in Staaten wie den USA, dem mit 17 Millionen Fahrzeugen im Jahr zweitgrößten Automobilmarkt der Welt, eine flächendeckende Ladeinfrastruktur für E-Autos geben wird? Noch immer ist unklar, welche Technologie in den nächsten 20 Jahren die Nase vorn haben könnte. Im Zweifel gibt es einen Technologiemix, in denen E-Autos nach wie vor eine Nische bedienen.


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Die Zurückhaltung deutscher Unternehmen könnte deshalb die wirtschaftlichere Entscheidung sein. Zu begrüßen ist, dass die chinesische Standortsentscheidung ein Signal dafür ist, dass Industrie in Deutschland eine Zukunft hat. Es bedeutet allerdings nicht, dass deutsche Unternehmen zwingend selbst in die Batteriezellproduktion einsteigen müssen.

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